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102

GOLF TIME

|

4-2017

www.golftime.de

TRAINING |

SPORTPHYSIO

DR. CHRISTIAN

HAID

Biomechaniker,

Universitätsklinik

Innsbruck

KRAFTEINSATZ

OPTIMIEREN

RHYTHMUS

Die richtige Power hat nicht

wirklich etwas mit Muskelkraft zu tun.

V

iel Muskelkraft wird im Golfschwung

eingesetzt. Das soll unsere Bewe-

gung beschleunigen. Häufig hat

Krafteinsatz jedoch die gegenteilige

Wirkung. Hier einige Beispiele, bei denen

Krafteinsatz bewegungshemmend wirkt:

»

Unsere Beugemuskeln und Streckmuskeln

arbeiten

gegeneinander

(Koaktivierung der

Antagonisten). Das stabilisiert zwar in den

Gelenken, verlangsamt jedoch die Bewe-

gungsdurchführung.

»

Wir kontrollieren den Bewegungsablauf,

„führen den Schläger“ und

verlangsamen

dadurch die

Schlägerkopfgeschwindigkeit

.

Wir glauben, dadurch mehr Kontrolle zu

haben, das ist jedoch nicht der Fall.

»

Wir bewegen uns mit

falschem Rhythmus

,

unsere Kraft unterstützt nicht die natürliche

Bewegung, die z. B. aufgrund der Physik

gegeben ist, sondern behindert sie.

»

Wir führen Bewegungen durch, um unseren

Krafteinsatz besser zu spüren. Strecken z. B.

das Handgelenk zu früh (Angel auswerfen).

Dadurch

erhöhen

wir den

Bewegungs-

widerstand

und

erschweren die Bewegung

.

Um zu lernen, unsere Kraft optimiert einzuset-

zen, ist es hilfreich, einige Vorübungen durch-

zuführen. So eigenartig es klingen mag, wir

müssen uns beim optimierten Golfschwung

zuerst mit dem Gefühl der „Kraftlosigkeit“ an-

freunden. Die Bewegung soll nicht schwer sein,

sondern schnell. Als Erstes daher: Wie kommt

es zur Kraftentfaltung durch Muskelkraft?

Jede Muskelfaser enthält Aktin- und Myosin-

filamente, die für die Kontraktion verant-

wortlich sind. Diese Filamente (fadenförmige

Gebilde) haben Kontaktstellen, an denen sie

sich verbinden. Bei einer Muskelkontraktion

bindet das Myosin an das Aktin und die „Ver-

bindungsbalken“ erzeugen eine mechanische

Wegveränderung. Dadurch gleiten die Aktin-

und Myosinfilamente aneinander vorbei. Das

führt zur Verkürzung des Muskels. Ursprung

und Ansatz des Muskels kommen näher

zusammen, wir verändern dadurch die Winkel-

stellung im betroffenen Gelenk.

Es gibt unterschiedliche Arten der Muskelkon-

traktion. Am häufigsten hören wir von der iso-

metrischen Muskelanspannung. Hierbei wird ein

Muskel angespannt, ohne dass eine Bewegung

im Gelenk erfolgt (z. B. beim Bodybuilding).

Heben wir einen Gegenstand auf und

beugen dabei im Ellbogen, dann verkürzt sich

der Muskel und man nennt diese Form der

Kontraktion konzentrisch.

Man spricht von exzentrischer Muskel-

kraftentfaltung, wenn z. B. der M. biceps

(Beugemuskel im Ellenbogengelenk) ange-

spannt ist und gegen die Spannung des Mus-

kels, Ursprung und Ansatz auseinandergezo-

gen werden. Der Winkel im Ellbogengelenk

vergrößert sich somit, obwohl die Muskelan-

spannung versucht, das zu verhindern. In die-

sem Fall hat der Muskel bereits eine Zugkraft

entwickelt. Diese Zugkraft erhöht sich durch die

zusätzliche Dehnung. Man entwickelt auf diese

Art die höchste Muskelkraft.

Die Größe der entstehenden Muskelkraft hängt

also auch davon ab, welche Bewegung in ei-

nem Gelenk während der Muskelanspannung

stattfindet. Das können wir beim Golfschwung

ausnützen. Wir benötigen muskuläre Vorspan-

nung und müssen uns so bewegen, dass wir

die exzentrische Muskelkraft in den verschie-

denen Gelenken nützen können. Somit muss

unser Bewegungsverhalten und der Aufbau

von Muskelspannungen aufeinander abge-

stimmt werden. Spitzensportler nützen immer

die optimierte Kraftentfaltung der exzentri-

schen Muskelspannung. Bei allen Tourspielern

erkennt man die entsprechenden Bewegungs-

muster. Diejenigen, die das weniger nützen,

sind auch diejenigen, die die geringeren

Schlagweiten aufweisen.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Golf-

schülern diese Bewegungsdetails aufzuzeigen

und beizubringen

(Healthy-Swing.at)

. Das

geschieht mit einfachen, leicht durchführbaren

Übungen, die nicht unbedingt am Golfplatz

durchgeführt werden müssen. Da wir den

exzentrischen Muskelkrafteinsatz nicht als

anstrengend empfinden, führt das immer zu

einem Gefühl der Leichtigkeit und erhöht trotz-

dem die Schlagweiten.

GT

INFO

christian.haid@i-med.ac.at

Kontraproduktiv:

Trotz ihrer Athletik

gehört Sandra Gal

nicht zu den Long-

hittern auf der Tour

Locker vom Hocker: Amy Yang

schwingt mit perfektem Rhythmus