CellitinnenForum_04_20

TITELTHEMA

Wo bin ich verwurzelt? Eine nicht leicht zu beantwortende Frage für jemanden, der in Marokko aufgewachsen ist, aber seit 19 Jahren in Deutschland lebt.

gen trieb die Bewohner in die Städte, so wie auch meine Familie. Wenn ich nach Marokko reise, be­ suche ich den Ort und das, was noch davon übriggeblieben ist. Aber meine Erinnerungen kann mir niemand wegnehmen. Das war Heimat. Und heute? Die Liebe trieb mich mit 27 Jahren nach Deutschland zu meiner Frau. Sie ist Tochter eines marokkanischen Gastar­ beiters und in Deutschland auf­ gewachsen. Nach meinem Stu­ dium verließ ich also Marokko und erhoffte neue Perspektiven. In Deutschland hatte ich die Chance, eine Ausbildung als MTRA zu absolvieren, seit 2011 arbeite ich im Institut für Radio­ logie am St. Franziskus-Hospital. Ich fühlte mich in Deutschland schnell heimisch. Unsere Kinder profitieren von einem guten Bil­ dungssystem, es gibt keine Kor­ ruption und alles ist gut organisiert und wenig bürokratisch. Allerdings ist das Leben hier auch schnell- lebiger, arbeits- und karrieregetrie­ bener. Manche Nachbarn kennen sich nicht einmal. Besonders das Leben älterer Menschen ist oft einsam, anonym. Doch in beiden Ländern entdecke ich viele Schät­ ze. Und so geht es mir wie einem Zugvogel, der sich in zwei Hei­ maten zu Hause fühlt. (M.S.)

Mahmoud Saoudi mit seiner in traditioneller Berbertracht gekleideten Großmutter.

S pontan steigt mir der Ge­ ruch in die Nase, wenn nach dem Regen die trockene Erde Marokkos ihren frischen, würzigen Duft abgibt. Oder ich denke an unser Dorf, in dem ich die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachte. Um­ sorgt von meiner Mutter – mein Vater arbeitete damals in Deutsch­ land – und meiner Großfamilie, geborgen in einer damals noch intakten Dorfgemeinschaft. Das Dorf ist heute sehr wenig be­ siedelt. Die Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingun-

16 CellitinnenForum 04 | 2020

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