Blickpunkt Schule 5 2025
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Ausgabe 5|2025 · D 30462
SCHULE
In dieser Ausgabe: Tischkalender 2026
SCHULE 5|2025
• Deutsches Sprachdiplom
• Drei Fragen an …
• Jüdisches Leben
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SCHULE 5|2025 Inhalt | Vorwort 2
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Vorwort Editorial
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Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Titelthema » Starke Schulen, starke Gesellschaft » Schule zwischen menschlicher Beziehung und digitaler Technik 6 » Das Erfolgsgeheimnis gymnasialer Bildung 8 » Die kontinuierliche Abwärtsspirale im deutschen Bildungswesen – und wie sie zu stoppen ist 10 » Das Gymnasium ist kein Auslaufmodell 12 » Lehrkräftebildung aus einem Guss 14 » Heterogenität und Pluralisierung 16 » Lernen ist nicht primär Tun, Lernen ist ein Horizont 22 » Das Gymnasium der Zukunft 28 » Warum das Gymnasium der Zukunft seine Leistungsbewertung überdenken muss 30 » »Deutsch? – Deutsch!« – Teil 2 31 Fachverbände stellen sich vor » Der Deutsche Altphilologenverband, Landesverband Hessen 34 Historisch-politische Lernorte » Der Lern- und Erinnerungsort Notaufnahmelager Gießen 36 Leserbrief » Weg durch ein ungerechtes Bildungssystem 38 3 Fragen an … » Marcus Hahn, Vorsitzender des Saarländischen Philologenverbandes 39 hphv intern » Treffen des Landesvorstandes mit den Kreisvorsitzenden 40 » Jüdisches Leben sichtbar machen 41 » Leseempfehlungen von Daniel Neumann 42 » iba ein neuer Kooperationspartner des hphv 43 » Das Gymnasium der Zukunft 44 » Tag der Ausschüsse des hphv 46 » Beitragsanpassung im Sabbatjahr 46 hphv unterwegs » »Mir babbele, schwätze, schnuddeln – Hauptsach‘, es bleibt lebendisch« 47 » Wahrheit? Welche Wahrheit? 48 » Bildung der Zukunft 49 » Kontinuität und neue Ideen 50 » Leistung fordern, Vertrauen fördern, Lehrkräfte stärken 52 » Wo wir sonst noch waren … 54 dlh intern » dlh gut aufgestellt 55 4
rien ‘Pro und Contra’, ‘Lehrkraft im Aus land’ und ‘Best Practice’. Ein weiterer Fach verband stellt sich hingegen vor, diesmal ist es derjenige der Altphilologen. Auch ande re wiederkehrende Kategorien wie ‘Histo risch-Politische Lernorte’ und ‘Drei Fragen an …’ (diesmal an den saarländischen Philologenvorsitzenden Marcus Hahn) sind trotz Platzmangels vorhanden. Ebenfalls sehr umfangreich fallen die Rubriken ‘hphv- intern ’ und ‘hphv unter wegs ’ aus. Dies liegt daran, dass in den zurückliegenden Monaten sowohl der Gymnasialtag des hphv als auch die Herbsttagung des Jungen Philologen im DPhV und vor allem der 42. Philologentag des DPhV stattfanden. Auch der dlh war in den letzten Monaten wieder sehr aktiv. Zwei Berichte unseres Seniorenbeauftrag ten Heinz Seidel über seine Aktivitäten im Herbst 2025 runden diese Ausgabe ab. Wie immer danke ich allen Verfasserin nen und Verfassern der Artikel für ihre Mit arbeit an diesem Heft. Ohne sie könnte es nicht in der vorliegenden Form erscheinen. Wer auch gerne einmal einen Beitrag für BPS verfassen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf! Ich wünsche Ihnen eine anregende und abwechslungsreiche Lektüre, vor allem aber erholsame Ferien, besinnliche Weih nachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2026.
von BORIS KRÜGER
H aben wir uns alle nicht schon einmal angesichts der rasanten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz gefragt, wie das Gymnasium der Zukunft aussehen wird? Wird überhaupt noch etwas von der huma nistischen Schule Humboldtscher Prägung darin enthalten sein? Oder übernehmen künftig Avatare die Aufgaben von Lehrkräf ten und machen diese nicht nur zu Lern begleitern, sondern komplett überflüssig? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen im Hinblick auf das Gymnasium der Zukunft konnte ich für vorliegende Aus gabe von Blickpunkt Schule namhafte Ex pertinnen und Experten gewinnen. Bei den Verbänden äußern sich die frisch wieder gewählte DPhV-Vorsitzende Susanne Lin Klitzing und ihr ebenfalls im Amt bestätig ter Stellvertreter und DL-Vorsitzender Stefan Düll. Das Trio vervollständigt Heinz Peter Meidinger, der beide Positionen in der Vergangenheit innehatte und auch im Ruhestand weiterhin unruhig ist, wenn es um Bildungspolitik geht. In der universi- tären Abteilung kommen unter anderem die Professoren Klein und Zierer zu Wort. Bei den weiteren Akteuren im Bildungs- bereich sind es schließlich die Vertreterinnen und Vertreter von Kultusministerium, Schülern und Eltern. Aufgrund der vielen und umfangreichen Texte pausieren in diesem Heft die Katego
Hauptpersonalrat » Nachrichten aus dem HPR Senioren » Ein gutes Leben im Alter
Herzliche Grüße Ihr
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59 » 2. hphv-Pensionärstreffen 2025 in Fulda 60 Personalien » Geburtstage | Wir trauern um 62
Boris Krüger
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IMPRESSUM
Der Hessische Philologenverband ist der Gesamtverband der Lehre rinnen und Lehrer an den Gymna sien in Hessen sowie an Schulen mit gymnasialem Bildungsange bot. Er ist der Fachverband im Deutschen Beamtenbund, Lan desbund Hessen (dbb), er ist dem Deutschen Lehrerverband Hessen (dlh) und durch den Deutschen Philologenverband (DPhV) dem Deutschen Lehrerverband (DL) angeschlossen. Für den Inhalt verantwortlich: Der Vorstand des Hessischen Philologenverbandes. Chefredaktion: Boris Krüger (V.i.S.d.P.) Mail: blickpunkt-schule@hphv.de Mit dem Namen der Verfasser gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hessischer Philologenverband e.V. Geschäftsstelle: Schlichterstraße 18 Hessischen Philologenverbandes erscheint fünfmal im Jahr 2025. Mail: hphv@hphv.de Web: www.hphv.de Bank: Volksbank Odenwaldkreis BIC: GENODE51MIC IBAN: DE30 5086 3513 0004 3579 73 Der Verkaufspreis ist durch die Mitgliedsbeiträge abgegolten. Verlag und Anzeigenverwaltung: Pädagogik & Hochschul Verlag Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf Tel.: 0211 3558104 Fax: 0211 3558095 Mail: dassow@dphv-verlag.de Satz und Layout: Tel.: 0211 1795965 Fax: 0211 1795945 Mail: heinemann@dphv-verlag.de 75. Jahrgang | ISSN 0723-6182 Verleger: Hessischer Philologen- verband e.V. Die Zeitschrift »BLICKPUNKT SCHULE« des 65185 Wiesbaden Tel.: 0611 307445 Fax: 0611 376905 www.dphv-verlag.de Anzeigenverwaltung:
Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch nach mehreren Wochen sitzt die Enttäuschung über die geplanten Kürzungen im Bereich der Lehrkräfte akademie nicht nur bei den betroffe nen Ausbilderinnen, Ausbildern und Ausbildungsbeauftragten tief. Der Sparkurs hat somit erneut den schuli schen Bereich erfasst, nachdem be reits die Besoldungsverschiebung um vier Monate auf den 1. Dezember 2025 für eine massive Verärgerung gesorgt hat, die immer noch anhält. Während zu Beginn der Legislatur periode noch die besondere Bedeu tung der Bildung hervorgehoben und der Eindruck erweckt wurde, dass Spa ren dort ein Tabu sei, wurde man mit dieser viermonatigen Verschiebung erstmals bedauerlicherweise eines Besseren belehrt. Die teilweise Rück führung von Mitteln aus dem Schul budget bedeutete dann den zweiten Einschnitt im Frühjahr 2025. Viele Schulen hatten im Vertrauen auf das bisherige Prozedere darauf gesetzt, Mittel auch für größere und länger fristige Projekte ansparen zu können. Und nun also Teil 3. Und der hat es in sich: Neben der Kürzung des Vorbe reitungsdienstes von 21 auf 18 Monate ist eine deutliche Kürzung des An rechnungsfaktors für die Ausbildung bereits sehr konkret in Planung. Wäh rend die Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung vor Ort sogar eher die Notwendigkeit einer Erhöhung dieses Faktors sehen, bedeutet die Faktor veränderung eine deutliche Erhöhung der Arbeitszeit, möglicherweise be reits zum 1. Februar 2026. Mehr Rück abordnungen an die Schulen sowie die Kürzung oder gar der Entfall von Aus bildungsbeauftragungen ergeben sich daraus. Der Hinweis auf andere Bun desländer zieht an dieser Stelle nicht, da es um den Erhalt von Ausbildungs qualität geht. Eine Angleichung durch die Absenkung von Standards kann
von VOLKER WEIGAND Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
auf keinen Fall das Mittel der Wahl sein, und so werden wir wie auch bei dem Thema Besoldung diese Verän derungen nicht hinnehmen, sondern sie ab sofort und dauerhaft auf unse rer Agenda haben. Absolut unverständlich ist auch die Aussetzung von (Zwischen-)Beförde rungen für Lehrkräfte, deren Verset zung an die Studienseminare bereits vor längerer Zeit erfolgt ist. Mit der Versetzung erfolgte der Hinweis, dass die Mittel dafür im Haushalt bereit- gestellt wurden. Jetzt stehen diese Kolleginnen und Kollegen finanziell teilweise sogar schlechter als vor ihrer Versetzung da. Unabhängig von recht lichen Fragen, welche hier zu klären sind, sorgt auch diese Maßnahme nicht gerade für einen Motivationsschub. Schulische Bildung ist die wichtigs te Ressource, die unser rohstoffarmes Land hat, heisst es über gesellschaft liche Gruppen und Parteigrenzen in sonst seltener Übereinstimmung hin weg. Gerade vor diesem Hintergrund sind die geplanten Kürzungen der fal sche Weg, der schnellstmöglich korri giert werden sollte. Dass der hphv wie auch in anderen Themen immer bereit ist kritisch-konstruktiv an Verbesse rungen mitzuarbeiten, sei hier erneut betont.
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SCHULE 5|2025
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Volker Weigand
Titelthema
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Starke Schulen, starke Gesellschaft Wie Deutschlands Gymnasiasten mit Leistung, Vertrauen und starken Lehrkräften die Zukunft gestalten können D as Gymnasium bleibt die zen trale Säule des deutschen Bil dungssystems – heute und in Zukunft! Die Gesellschaft steht klar zu unserer Schulart! Das Gymnasium von PROF. DR. SUSANNE LIN-KLITZING Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes
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treten wir für eine verbindliche diag noseorientierte Förderung vor Schul eintritt ein, wie Hessen sie bereits Erfolg versprechend begonnen hat. Jedoch hat Hessen deutlichen Nach holbedarf, was die verbindliche, leis tungsorientierte Übergangsentschei dung an die weiterführenden Schul arten angeht. Die Mehrheit der Deut schen wünscht sich eine Kombination aus Elternwillen, Schülerleistung und Lehrerurteil. 92 Prozent lehnen laut der genannten forsa-Umfrage eine alleini ge Übergangsentscheidung durch die Eltern ab. Eine verbindliche, leistungs orientierte Schulartempfehlung stellt sicher, dass Kinder differenziert geför dert werden! Nicht nur deshalb wieder holt der Philologenverband seine For derung an den Kultusminister, endlich wieder eine verbindliche leistungsori entierte Übergangsempfehlung an die weiterführenden Schulen einzuführen!
wird als unverzichtbar angesehen und bleibt das Herzstück des deutschen Schulsystems: Laut einer repräsentati ven forsa-Umfrage (1. bis 6. Oktober 2025, im Auftrag des Deutschen Phi lologenverbandes) lehnen 92 Prozent der Befragten die Abschaffung des Gymnasiums ab. Vorschläge wie »eine Schule für alle« finden keine Mehrheit. Breite und vertiefte Allgemeinbildung als Fundament zukunfts- fähiger Bildung Unsere Schülerinnen und Schüler sol len das Abitur nicht nur bestehen – sie sollen mit ihren gymnasial gepräg ten Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ihr eigenes Leben und das gesellschaftliche Leben verant wortungsbewusst gestalten können – heute und in Zukunft. Und das gelingt nur, wenn wir ihnen eine breite All-
gemeinbildung in künstlerischen, mu sischen, natur- , geistes- und sozial wissenschaftlichen Fächern, Wissen schaftspropädeutik und Studierfähig keit vermitteln. Das Gymnasium muss der Ort bleiben, an dem leistungsge rechte Bildung verlässlich vermittelt wird – durch schulartspezifisch gut ausgebildete Lehrkräfte.
Frühe Förderung und gerechte Übergänge
Doch der Bildungserfolg beginnt nicht erst mit dem Eintritt in die fünfte Klas se. Verbindliche Sprach- und Entwick lungstests für Viereinhalbjährige sind nötig, um Förderbedarf früh zu erkennen und vorschulischen Defiziten wirksam entgegensteuern zu können. Deshalb
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Digitalisierung mit Augenmaß
Digitale Werkzeuge und KI können Lernprozesse personalisieren und
bildung für richtig; eine Vereinheit- lichung wird abgelehnt. Für das Gym nasium ist dies besonders entschei dend. Deshalb lehnen wir als Philolo genverband zudem eine Verkürzung des gymnasialen Vorbereitungsdiens tes ab – stattdessen braucht es eine bessere Qualifizierung und Unter stützung der Ausbilder und Ausbilde rinnen an den Studienseminaren. Zukunftsfähige gymnasiale Bildung braucht spürbare Entlastung aller Beteiligten: für die Lehrkräfte weni ger Bürokratie, um sich auf die päda gogische Arbeit konzentrieren zu können, rechtzeitige und ausreichen de Altersermäßigungen, um die Dienstfähigkeit der gut ausgebildeten und erfahrenen Lehrkräfte bis zum Ruhestand zu sichern, kontinuierlich gute, fachliche Fortbildungsangebote bei gleichzeitiger Freistellung von Un terrichtsverpflichtungen sowie eine Ausstattung, die Unterricht unter modernen Bedingungen ermöglicht. Gymnasiale Lehrkräfte sind das
Fundament einer zukunftsfähigen, gymnasialen Bildung. Daher ist es essenziell, zuerst in ihre Ausbildung, Fortbildung und in ihre Arbeits- bedingungen zu investieren. Leistung als Chance! Zukunftsfähige gymnasiale Bildung braucht eine anspruchsvolle Leis tungsorientierung. Hohe Anforderun gen sind keine Zumutung, sondern eine Chance für junge Menschen. Hohe Erwartungen bereiten sie nicht nur auf Prüfungen, sondern auf ein Leben mit den komplexen Gestal tungsaufgaben in unserer Welt vor. Wer gymnasiale Bildung auch in Zukunft fördern will, muss Lehrkräfte stärken und den Mut zu klaren gymnasialen Anforderungen haben: Vertiefte All gemeinbildung, Studierfähigkeit und wissenschaftspropädeutisches Arbeiten machen die Potenziale unserer Schüle rinnen und Schüler sicht- und nutzbar – für ihre und unser aller Zukunft.
Lehrkräfte entlasten. Doch bei allem Potenzial ist klar: Kein Algorithmus darf und kann Lehrkräfte ersetzen, die mit hoher Fachlichkeit, Persön lichkeit und pädagogischem Gespür einen klug digital unterstützten gymnasialen Präsenzunterricht ver antwortungsbewusst gestalten. Lehrkräfte: Schlüssel für gymnasiale Qualität Damit das Gymnasium seine vielfälti gen Aufgaben für die Schülerinnen und Schüler erfüllen kann, müssen seine Lehrkräfte im Zentrum jeder Zukunftsplanung stehen. Denn sie sind nicht nur Wissensvermittler, sie prägen die Persönlichkeitsentwick lung junger Menschen, geben Orien tierung und fordern klug angemesse ne Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler ein. Laut der genannten forsa-Umfrage halten 59 Prozent der Befragten die schulartspezifische Lehrkräfteaus
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Foto: Vitaly Gariev|unsplash
Titelthema
» Kinder und Jugendliche brauchen Anleitung, Erklärungen, Motivation, Feedback – die pädagogische Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden bleibt zentral.
Die digitale Herausforderung: Schule zwischen menschlicher Beziehung und digitaler Technik S chon in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Jahrtausendwende hat sich von STEFAN DÜLL Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
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werden muss, weil qualifizierte Lehr kräfte fehlen. Medienbildung – das Verständnis darüber, wie digitale Medien und soziale Netzwerke funk tionieren, wie Nachrichten entstehen und sich verbreiten, wo Gefahren von Desinformation liegen und wie KI- generierte Inhalte eingeordnet wer den können – ist eine Querschnitts aufgabe aller Schulfächer und eine Voraussetzung dafür, Kinder und Jugendliche zu mündigen Bürgerin nen und Bürgern unserer Demokratie zu erziehen. Neben diesen tiefgreifenden Verän derungen gibt es jedoch grundlegen de Aspekte, die vor fünfzig Jahren ge nauso wichtig waren wie heute und die auch in Zukunft gelten werden: Ohne Lehrkräfte geht es nicht. Die Vorstellung, dass alle Schüle rinnen und Schüler ausschließlich frei oder rein digital unterstützt lernen können, ist unrealistisch. Kinder und Jugendliche brauchen Anleitung, Erklärungen, Motiva tion, Feedback – kurz: Pädagogik und Didaktik. Ob mit Kreide und Tafel oder mit Smartboard, Tablet und KI: Die pädagogische Bezie- →
Schule und Schulbildung stärker ver ändert als in den Jahrhunderten da vor. Der immer schneller werdende technische Fortschritt, Demokratisie rung der Gesellschaft sowie das Infra gestellen autoritärer Strukturen führ ten zu modernen pädagogischen und didaktischen Ansätzen, neuen Unter richtskonzepten, einer veränderten Lernatmosphäre und neuen Werkzeu gen zur Vermittlung und Veranschau lichung von Inhalten. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich dieser Wandel noch einmal deutlich beschleunigt. In einer zuneh mend digitalisierten Welt tragen wir den Zugang zum Internet jederzeit bei uns; die Organisation des Alltags ist eng mit Chats und Apps verknüpft, und seit einigen Jahren ergänzt die Nutzung künstlicher Intelligenz – bewusst oder im Hintergrund vieler Anwendungen – unseren Alltag um weitere Dimensionen. Diese Entwick lung wird voraussichtlich weiter an Tempo gewinnen. Daher ist davon auszugehen, dass die Kinder und Jugendlichen, die wir heute unter
© Andreas Gebert
richten, in ihrem Leben noch zahl- reiche tiefgreifende digitale Um- brüche erleben werden. Deshalb ist es notwendig, Schüle rinnen und Schülern nicht nur den Einstieg in aktuelle digitale Werkzeu ge zu ermöglichen, sondern ihnen auch ein grundlegendes Verständnis dafür zu vermitteln, wie die digitalen Ebenen ihres Alltags funktionieren und wie sie neue Technologien kri tisch und aktiv erschließen können. Dazu gehören Inhalte des Informatik unterrichts – von der Funktionsweise von Computern, Algorithmen und Programmen bis hin zu Konzepten wie Large Language Models und an deren KI-Anwendungen. Doch dieses Thema darf nicht allein dem Informa tikunterricht überlassen werden, der vielerorts nicht flächendeckend an geboten wird oder fachfremd erteilt
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hung zwischen Lehrkraft und Lernenden bleibt zentral. Ohne Motivation und Anstren gung geht es nicht. Manche mo derne Bildungsvisionen gleichen einem Schlaraffenland: Ohne jede Anstrengung und Arbeit flie gen in diesen Vorstellungen den Kindern und Jugendlichen Wis sen und Fähigkeiten und Kompe tenzen zu, ohne dass Verständ nisarbeit und Lernfleiß aufge- wendet werden müsste – weil alles Spaß macht! Übung und Wiederholung und gar Über- prüfung haben in diesen Visionen auch keinen Platz. Doch die Rea lität sieht so aus, dass für ein breites Allgemeinwissen auch Inhalte gelernt werden müssen, die für die Einzelnen, je nach Interessenlage, zäh und schwer verständlich sein können. Ohne Übung und Wiederholung geht es nicht. Auch in Zeiten von Suchmaschinen und KI-Chatbots braucht es Lernarbeit, Übung und Wiederholung, um ein breites All gemeinwissen aufzubauen – nicht zuletzt, um digitale Informationen beurteilen zu können. Hausauf-
gaben sind daher weiterhin ein wichtiges Vertiefungsinstrument. Wenn Lernende jedoch heimlich KI nutzen, um Hausaufgaben zu erledigen, bedeutet das nicht, dass das Konzept Hausaufgaben überholt ist – vielmehr müssen Aufgabenformen dann unter die sen neuen Lern- und Lehrbedin gungen anders gestellt werden, damit sie den Lernprozess sinnvoll unterstützen. Ohne faire Bewertung geht es nicht. Regelmäßige Leistungs bewertungen geben allen Betei ligten Rückmeldung: Lehrkräfte sehen, ob Lerninhalte verstanden wurden, Schülerinnen und Schüler erkennen ihren Lernstand, und Eltern erhalten Orientierung über die Bildungsbiografie ihrer Kinder. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass Noten aussagekräftig bleiben. Inflation guter Noten führt dazu, dass Auswahlprozesse ver schoben und verschärft werden – etwa beim Zugang zu Ausbildung und Studium. Faire, vergleichbare Bewertungen sind daher ein wich tiger Baustein für Bildungsge rechtigkeit.
Ohne gemeinschaftliches Ler nen geht es nicht. Im von Lehr kraft geleiteten fragend-entwi ckelnden Unterrichtsgespräch beflügeln Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig im Lern prozess. Dafür braucht es Schul klassen und Lerngruppen, die nicht zu heterogen in ihren Leis tungen sind. Die Erfahrung zeigt, dass der Trend zum individuali sierten, selbstgesteuerten Lernen nicht immer zu den besten Lern ergebnissen für alle Kinder und Jugendlichen führt. Individuelle Lerneinheiten und Gruppenarbei ten können ergänzen, vor allem bei der Förderung, aber sie kön nen den Unterrichtsprozess nicht ersetzen. Es ist entscheidend, dass wir uns den Herausforderungen einer digitalen und KI-geprägten Welt stellen und unsere Schülerinnen und Schüler da rauf vorbereiten – auch auf Entwick lungen, die wir heute noch nicht abse hen können. Ebenso entscheidend bleibt jedoch die pädagogische Bezie hung als Grundlage für Motivation, Lernfortschritte und einen gelingen den Bildungsprozess. →
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Foto: Belinda Fewings|unsplash
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» Schulmöblierung und Schul- medien früherer Jahrzehnte finden sich heute nur noch in Museen
die Freiheit und Unabhängigkeit des Bildungsprozesses gegenüber Instrumentalisierungsversuchen von außen. Diese Idee hätte aber nicht zwei Jahr hunderte getragen, wenn sie nicht auch den Praxistest bestanden hätte. Mit dem Gymnasium war die Gesellschaft in der Lage, im Bildungswesen die rich tigen Antworten auf die sich ständig ändernden Herausforderungen etwa durch die Industrialisierung zu finden. Natürlich hat sich der Fächerkanon ge wandelt, aber die Erkenntnis war: Am besten bereitet man junge Menschen durch eine vertiefte Allgemeinbildung auf rasante Veränderungsprozesse vor, nicht durch die Kreierung ständig neuer Fächer und hektische Anpassungen von Lerninhalten. Auch wenn es Humboldt vorrangig um Persönlichkeitsbildung ging – das Gymnasium beinhaltete auch immer ein Aufstiegsversprechen. Das Humboldtsche Bildungsideal ist darauf gerichtet, den Jugendlichen einen Horizont von Möglichkeiten zu eröffnen, in ihrem persönlichen Be reich, aber eben auch im beruflichen und gesellschaftlichen Leben. So sind mit der gymnasialen Erfolgsgeschichte untrennbar der Erfindergeist der Gründerjahre, das Wirtschaftswunder, die Öffnung höherer Bildung für breite Volksschichten und die Erschließung von Begabungsreserven sowie der Siegeszug der Mädchenbildung ver bunden. Aufstieg durch Bildung, heute ist das Gymnasium auch die große Chance für Integration und gesellschaftlichen Aufstieg für immer mehr Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Ausweitung der Gymnasialquoten sollte dabei nicht auf Kosten der Leistung gehen, was auch lange Zeit funktionierte. Der Bildungsforscher Olaf Köller hat bei der Auswertung von PISA-Er gebnissen vor einigen Jahren in Bezug auf das Gymnasium festgestellt, dass »die Institution in ihrem Einfluss die Komposition übertrifft«. Übersetzt heißt das, so Köller, dass es etwas an der Schule- und Unterrichtskultur des Gymnasiums geben muss, was andere Schulformen in dieser Art nicht haben, →
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Das Erfolgsgeheimnis gymnasialer Bildung
D as deutsche Gymnasium kann bis dato auf eine unglaubliche Erfolgsgeschichte zurück- blicken; manche sagen sogar, es sei weit über Deutschland und Europa hinaus die erfolgreichste Schulart der modernen Menschheitsgeschichte. In einem wegweisenden Aufsatz hat vor über fünfzehn Jahren in der DPhV Zeitschrift PROFIL Heinz-Elmar Ten orth das Gymnasium die ‘Leitinstitu tion’ des deutschen Bildungswesens genannt und dies auch ausführlich begründet. Das Gymnasium setze nicht nur Maßstäbe für sich, sondern auch für alle anderen Bildungsinstitutionen. Dabei ist das deutsche Gymnasium schon oft totgesagt worden– von Poli tikern, von Medien, von Bildungswis senschaftlern. Die Begründungen für diese Untergangsszenarien haben aber gewechselt. Während vor fünfzig Jah ren die Gesamtschule als Totengräber des Gymnasiums propagiert wurde – eine komplette Fehlprognose, wie sich gezeigt hat –, heißt es heute, dass sich das Gymnasium quasi selbst abschaf fe, indem es zur neuen Hauptschule geworden sei und sich zu Tode siege. Wer die Frage nach der Zukunft des Gymnasiums stellt, muss zunächst einmal klären, worin das Erfolgsge heimnis des Gymnasiums besteht und ob diese Erfolgsformel noch trägt.
von HEINZ-PETER MEIDINGER Ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Philologen verbandes und ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
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Dabei gilt es, verschiedene Aspekte und Funktionen gymnasialer Bildung zu unterscheiden. Das Gymnasium ist – und das gilt sogar im weltweiten Maßstab – eine der wenigen Schularten, an deren An fang, zumindest in seiner neuhuma nistischen Neuausrichtung, eine ein zigartige, geniale Bildungsidee steht: das Humboldtsche Bildungsideal. Der junge Mensch erwirbt sich Bildung, indem er so viel Welt wie möglich er fasst und mit seiner Person verbindet. Damit ist eigentlich schon vieles von dem umrissen, was bis heute gym- nasiale Bildung ausmacht: das Bildungsziel des mündigen, selbstständig denkenden und lernfähigen Menschen, die Mannigfaltigkeit und produk tive Vielfalt der Lernsituationen, die sich in der beeindruckenden Fächervielfalt des Gymnasiums spiegelt und → →
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mit dem Effekt, dass am Gymnasium mehr gelernt wird. Nur wer Schülerin nen und Schüler viel zutraut und sie deshalb auch stark fordert, fördert sie und ihren Bildungsweg. Nicht zuletzt zielt gymnasiale Bil dung mit der Verleihung des Abiturs auf die Studierfähigkeit ab, und zwar wegen der im Vergleich zu anderen Ländern fehlenden Spezialisierung in der Oberstufe auf die allgemeine Studierfähigkeit. Der große Pädagoge Heinz-Joachim
zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft unverzichtbar ist. Wenn man heute trotz dieser be eindruckenden Erfolgsgeschichte mit einigen Sorgenfalten auf die Zukunft des Gymnasiums blicken muss, dann hat dies folgende Ursachen: 1. In einem gegliederten Schulsystem ist jede Schulart nur so stark, wie das schwächste Glied des Bildungs- wesens. Die Abschaffung der Haupt schule und die neue Zweigliedrigkeit haben in vielen Bundesländern nicht zu einer Stabili sierung der Schul struktur, sondern zu
3.Eine grundständige gymnasiale Lehrkräftebildung bildet das qua litative Rückgrat anspruchsvollen Gymnasialunterrichts. Vereinheit lichungen, Nivellierungen und Kür zungen im Bereich der gymnasialen Lehrkräftebildung höhlen den Qua litätsanspruch des Gymnasiums dauerhaft von innen aus. 4.Die unzureichende Nachqualifizie rung einer hohen Anzahl von Quer einsteigerinnen und Quereinstei gern mindert nach Fächern und Regionen unterschiedlich zusätzlich die Unterrichtsqualität. 5.In den letzten Jahren hat sich auch der Trend zur Gründung von elitären Privatgymnasien deutlich verstärkt, weil manchen Eltern die Unter richtsangebote von staatlichen Gymnasien nicht mehr ausreichen. 6.Dazu kommt, dass es nach wie vor Landesregierungen gibt, die Gym nasien bei Unterrichtsversorgung und Klassenteilern schlechter stel len als andere Schularten. Anders als noch vor einigen Jahrzehn ten ist das Gymnasium heute weniger von außen als mehr von innen be droht. Das Gymnasium kann aber sein Aufstiegsversprechen nur einlösen, wenn dieses mit Leistung hinterlegt wird und der humanistische Bildungs auftrag umfassend ernst genommen wird.
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Heydorn war vor sechs Jahrzehnten einer der aktivsten Verfechter der Gesamtschule, aber gleichzeitig ein großer Fan der gymnasialen Bildungsidee, die er in die neu konzipierte
»Das Gymnasium täte gut daran, sich unein geschränkt zu seinem Bildungsauftrag zu bekennen; es repräsen tiert ein Stück bester deutscher Geschichte!« Heinz-Joachim Heydorn
einem vermehrten Zustrom nicht geeig neter Kinder an die Gymnasien geführt. Dass es auch anders geht, zeigen Bundeslän der wie Bayern, die eine klare Profilierung aller
Gesamtschule im plantieren wollte. Als dies scheiterte,
schrieb er verbittert, das Humboldt sche Gymnasium habe Revolutionäre hervorgebracht, die fehlkonstruierte Gesamtschule werde Duckmäuser produzieren. Aus dem humanistischen Bildungs auftrag ergibt sich übrigens auch die Verpflichtung des Gymnasiums, der Werte- und Demokratieerziehung einen besonders hohen Stellenwert einzuräumen, was angesichts der
Schularten mit eindeutigen Eig nungskriterien kennen. 2. Die Leistungsergebnisse der letzten Bildungsstudien zeigen, dass das Gymnasium als bislang sozial hete rogenste, aber leistungsmäßig homogenste Schulart in einigen Bundesländern von zunehmenden Leistungsdefiziten geprägt ist. Nicht mehr in jeder Schule, die Gymnasium heißt, ist auch Gymnasium drin.
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Die kontinuierliche Abwärtsspirale im deutschen Bildungswesen – und wie sie zu stoppen ist D as deutsche Bildungswesen befindet sich seit mehr als zehn Jahren in einer kontinu schienene IQB-Bildungstrend bei Viertklässlern in Deutsch und Mathe matik nachwies. Das Jahr 2015 stellt in diesem Zusammenhang nicht nur im Bildungswesen einen weiteren kriti darüber hinaus die Abschaffung der Hausaufgaben und nicht selten auch der Lehrpläne. Die Schüler bestimmen
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ierlichen Abwärtsspirale. Schon vor PISA 2000 beklagten Lehrer ein ab sinkendes Niveau in nahezu allen Schulformen. Sie wurden damals von oberster Stelle als »faule Säcke« be zeichnet und ihre Warnungen wurden nicht ernst genommen. Erst PISA 2000 führte dann speziell in Deutsch land zu dem bekannten PISA-Schock. Leistungen der Schüler am Ende der 9. Klasse waren höchstens noch durchschnittlich im OECD-Vergleich. Mit der Einführung der Bildungsstan dards 2003, die in alle Kerncurricula der Bundesländer einflossen, sollte damals ein Weg aus der Krise aufge zeigt werden. Der Schwerpunkt sollte von nun an auf der Output-Orientie rung liegen, denn deutsche Schüler könnten ihr Wissen zu wenig anwen den, so das Credo der Pisianer. Ein kontinuierliches Bildungsmonitoring durch weitere Studien (ICILS, IGLU/ PIRLS, TIMSS, IQB-Bildungstrend, VERA) sollten zur Verbesserung der Lage führen. Kritiker warnten damals schon vor einer Ökonomisierung der Bildung. 25 Jahre später sei daher die Frage erlaubt, ob diese Maßnahmen tatsächlich den erwünschten Erfolg gebracht haben. Offensichtlich nicht … Die PISA-Studien und Folgerungen daraus Selbst die in den Jahren nach dem Millennium geringfügig verbesserten Leistungen in den alle drei Jahre durchgeführten PISA-Studien sind wohl eher auf das nunmehr praktizier te »teaching to the test« in den be troffenen Schulen zurückzuführen. Seit 2015 zeigen aber nun alle diese Studien eine kontinuierliche Abwärts spirale in allen fünf Kompetenzstufen an. Die Leistungen in Lesekompetenz, Mathematik und den Naturwissen schaften befinden sich nahezu im freien Fall, was auch der kürzlich er
selbst, was sie lernen wollen, heißt das Credo. Die Abschaffung eines jeg lichen vergleichenden Leistungsprin zips zugunsten individueller Lernfort schritte soll weiterhin jegliche Form der Diskriminierung in der Schule be enden. Die Abschaffung der Bundes jugendspiele ist nur ein erster Schritt in diese Richtung. Darüber hinaus soll der Lehrer nur noch als Lerncoach fungieren, der nur den selbstständi gen Lernfortschritt der Schüler be gleiten soll. Letzteres wundert umso mehr, da schon 2010 der Neuseelän der John Hattie empirisch in einer Metastudie nachweisen konnte, dass die Funktion des Lehrers als ‘fascilita tor’ mit 0,17 Punkten der des ‘activa tors’ mit O,6 Punkten klar unterlegen ist. Methoden wie das ‘direct teaching’, für das hierzulande jeder Referendar sofort seinen Hut nehmen müsste, schnitten mit 0,59 Punkten äußerst erfolgreich ab, sehr zum Leidwesen so manchen Reformpädagogen. Darüber hinaus gewinnt man den Eindruck, dass den Befürwortern dieser Maßnah men die Gleichmacherei auf unterstem gemeinsamen Niveau wichtiger zu sein scheint als der Förderung der unter schiedlichen Leistungsfähigkeit der Schüler Rechnung zu tragen. Tatsächlich wirkende Gegenmaßnahmen Unbestritten ist, dass die derzeit hohen Zahlen von Schulabgängern ohne Schulabschluss nicht einfach hinzunehmen ist. Hier müssen gezielt Gelder für mehr Lehrer eingesetzt werden, um Bildungsabschlüsse auch diesen Schülern zu ermöglichen. Unbestritten ist ebenfalls, dass für bildungsferne Kinder ohne ent- sprechende Unterstützung durch die Eltern ein verpflichtender Kita-Besuch zumindest grundlegende sprachliche Defizite beheben könnte, wie Kollege
schen Punkt dar, in dessen Folge durch eine ungeregelte Migration viele Kinder aus bildungsfernen Schichten in das deutsche Schulsystem integriert wer den mussten, ohne dafür auch nur an nähernd die nötigen Voraussetzungen mitzubringen. Jedem Lehrer ist auch ohne empirische Belege sofort klar, dass derartige Bildungsrückstände von ein oder mehreren Jahren mit der Ein schulung in die Grundschulen dort nicht oder nur unzureichend behoben werden können, vor allem dann, wenn die Kinder kein oder kaum Deutsch sprechen. Die Grundschulen über- geben daher unverschuldet Kinder teils ohne notwendige Grundlagen auf die weiterführenden Schulen, die auch dort häufig zu Problemfällen werden und das Niveau für alle absenken. Die ursprünglich im gesamten differen zierten Schulsystem durchaus vorhan dene Heterogenität in den einzelnen Schulformen ist einer Superdiversität gewichen, die durchaus auch Gymna sien – vor allem in Brennpunktgegen den – erreicht hat. Individualisierung ist das große Zauberwort, wobei keiner wirklich weiß, wie diese zu gestalten ist. Entsprechend fordert die sich auf dem Vormarsch befindende ‘Kuschel pädagogik’ zusammen mit ‘Gleich macherpädagogen’, auch unterstützt vom PISA-Chef Andreas Schleicher, die Abschaffung des dreigliedrigen deutschen Schulsystems und die Ein führung einer Einheitsschule für alle. Und dies, obwohl sich in einer aktuel len forsa-Umfrage 71 Prozent für den Erhalt des gegliederten Schulsystems ausgesprochen haben und es für der artige Maßnahmen keine empirischen Belege gibt. Weiterhin wird von die sem Klientel die Abschaffung der Fächer, der Noten und der Leistungs orientierung schlechthin gefordert,
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Olaf Köller vom IPN-Kiel immer wieder zurecht betont. Im Hinblick auf den in ternationalen Kampf um die besten Köpfe muss es unumstritten sein, dass auch leistungsstarke Schüler entspre chend zu fördern sind, damit auch sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Dem Gymnasium kommt hier eine entscheidende Rolle zu, die Studier fähigkeit seiner Abiturienten zu sichern. Davon ist man im Rahmen der Bil dungsexpansion der letzten 25 Jahre oft allerdings weit entfernt, wie die steigenden Abbrecherquoten ins- besondere in den naturwissenschaft- lichen und mathematischen Studien gängen schon seit Jahren klar zeigen. Außerdem ist das Notendumping im Abitur trotz ständig sinkender Kompe tenznachweise in den vielen Bildungs studien mehr als grotesk. Noten- gebung und tatsächliche Leistung verhalten sich zunehmend reziprok, mit allen Konsequenzen für die weiteren Bildungsgänge. Grundsätzlich ist dabei die Situation in Brennpunktschulen in Brennpunkt gegenden sehr viel angespannter als die in wohlhabenden Gegenden. Spä testens seit 2015 haben wir auch hier US-amerikanische Verhältnisse. Dies trifft auch auf Gymnasien zu. Gymna sien in Offenbach haben sicher andere Problemstellungen als in Königstein oder im Westend, und dies trifft nicht nur auf Hessen, sondern auf alle Bun desländer zu. Es ist mehr als offen sichtlich, dass die Wohngegend über den Bildungserfolg eines Kindes mit entscheidet. Die derzeitige Bildungs ministerin Karin Prien hat daher vor geschlagen, dass keine Schule mehr als dreißig bis vierzig Prozent Kinder mit Migrationshintergrund haben dür fe. Dies ist vom Ansatz her durchaus richtig. Der Schluss daraus, die ande ren Kinder dann mit Bussen in wohl habende Stadtteile zu fahren, ist da gegen völlig kontraproduktiv und in einer Demokratie nicht umsetzbar. Hier muss sich die Politik fragen lassen, wieso sie es einfach zugelassen hat, dass Brennpunktgegenden mit Brenn punktschulen entstanden sind, mit oftmals auch gegen Lehrpersonen ge waltbereitem Klientel. Die Schule ist
und kann nicht die Reparaturanstalt für gesellschaftspolitische Fehlent scheidungen sein. Dafür ist sie nicht gegründet worden. Die Vermittlung von Bildung und Wissen im gemeinsamen Klassenverband mit einem gemein- samen Lernziel muss im Vordergrund jedweder Bildungsbestrebungen stehen und nicht die Erziehung zum Kaspar Hauser in einer KI-gesteuerten individualisierenden Superdiversität. Die Rolle von KI Wie im Spiegel gerade zu lesen war, gehöre KI nicht nur als Thema, sondern als technisches Hilfsmittel ins Abitur. Beim Schreiben solcher Leitartikel scheint den Schreiberlingen jegliche Art logisches Denkvermögen abhan dengekommen zu sein. Hier muss grundsätzlich nachgefragt werden, in wiefern im Rahmen einer Ökonomisie rung der Bildung Part II die Herolde der Hard- und Softwarekonzerne, bar jeder bildungswissenschaftlichen Kompe tenz, Bildungsministerien beraten, die ihrerseits Milliarden in die Taschen der digitalen Großkonzerne fließen lassen, anstatt das Geld in die Renovierung maroder Schulgebäude, deutlich mehr Lehrpersonal und kleinere Klassen zu stecken. »Wenn das Hirn in die Hosen tasche fällt« lautet dazu ein in Kürze im Condorcet-Blog erscheinender Beitrag des Verfassers dieser Zeilen. Conclusio Zur Verbesserung der Situation an deutschen Schulen müssen stattdes sen einige der grundlegenden deut schen Tugenden, die unser Bildungs system nach dem Krieg zu internatio nal konkurrenzfähigen Bildungsabsol venten geführt haben, als Grundlage einer Humboldtschen Allgemeinbil dung dringend wieder in allen Schul formen eingeführt werden: Leistungs bereitschaft, Fleiß, Widerstandsfähig keit, Durchhaltevermögen, Respekt, Benehmen, Einhalten von Regeln, Wertschätzung von Lehrern und Mit schülern, Höflichkeit, Empathie, um nur einige zu nennen. Die Schule muss umgehend entbürokratisiert werden; Lehrer müssen sich zu mindestens neunzig Prozent um ihren Unterricht
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Hans Peter Klein, Professor für Didaktik der Biowissenschaften der Goethe Universität Frankfurt berufen, Präsident der Gesell schaft für Didaktik der Biowissen schaften sowie Mitbegründer und Geschäftsführer der 2010 in Köln gegründeten Gesellschaft für Bil dung und Wissen.
kümmern können; das Dokumenta tionswesen, Konferenzen und aller bürokratischer Ballast sind auf das Notwenigste zu begrenzen. Förder berichte wegen unzureichender Noten gebung sind ab sofort einzustellen. Der tatsächliche Leistungsstand muss dem Schüler mitgeteilt werden, um überhaupt eine Gegensteuerung zu ermöglichen. Um die Kohärenz zu den Hochschulen zu gewährleisten, müs sen die Fächer erhalten bleiben und der Unterricht in der Sekundarstufe II muss wissenschaftspropädeutisch gestaltet sein. Eine gute Bildung ist immer die Voraussetzung für die drin gend gebotene internationale Konkur renzfähigkeit zur Erhaltung des Wohl standes, auch für kommende Genera tionen. Die Marktkapitalisierung jedes einzelnen Mitglieds der ‘Magnificent Seven’-Konzerne in den USA ist größer als die der vierzig DAX-Unternehmen zusammen. Das sollte zu denken ge ben. In der digitalen Welt hat Deutsch land unter anderem auch wegen feh lender Innovationen aus dem Bildungs bereich den Anschluss an die Weltspitze komplett verloren. Bildungsergebnisse benötigen rund zehn bis fünfzehn Jahre, bis sich ihre Auswirkungen auch in Wirtschaft und Gesellschaft bemerk bar machen. Der jetzt schon eintre tende Wohlstandsverlust ist nur ein Ergebnis der Abwärtsspirale in unserem Bildungswesen, die es dringend zu stoppen gilt.
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Zwischen Tradition und Anspruch Das Gymnasium ist kein Auslaufmodell T rotz anhaltender Kritik und For derungen nach einer Einheits schule belegen aktuelle Daten, weg?« Denn im Untertitel heißt es, dass das Bildungssystem vermurkst sei und trotzdem am Gymnasium festge halten werde. Schülervertreter in Berlin und Nordrhein-Westfalen sprangen unterschiedliche Begabungen, die er zum Wohl der Gemeinschaft heraus
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bilden soll. Im Neuhumanismus, angeführt durch die preußischen Bildungsreformen von Wilhelm von Humboldt, kam es zu einer systema tischen Institutionalisierung des Gym nasiums in Deutschland und der Ein führung des Abiturs 1834 als Voraus setzung für ein Universitätsstudium. Obschon der Fokus auf klassische Sprachen und Literatur sowie eine all seitige Bildung, die nicht nur Wissen und Können umfasst, sondern den Menschen mit all seinen Möglichkei ten in den Blick nimmt, erhalten blieb, kam es zu einer Erweiterung des Bildungsideals: Bildung soll im Kern zweckfrei sein und nicht einem be stimmten Nutzen folgen. Bis heute ist das Gymnasium in dieser Tradition zu sehen. Es bietet eine inhaltliche Breite, die mancherorts Stundenpläne mit über fünfzehn verschiedenen Fächern erzeugt und von klassischen Disziplinen wie Griechisch und Latein bis zu mo dernen Fächern wie Informatik und Chinesisch reicht. Empirie statt Ideologie
dass das Gymnasium in Deutschland Spitzenleistungen erbringt, Bildungs gerechtigkeit fördert und ein Garant für den gesellschaftlichen Wohlstand ist. War das Gymnasium über Jahrhun derte hinweg das Herzstück und Aus hängeschild des deutschen Bildungs systems, steht es heute zusehends in der Kritik. Besonders das zum Jahres wechsel in einem Spiegel -Interview formulierte Verdikt von John Hattie, der zu den einflussreichsten Bildungs forschern weltweit zählt, hallt nach: Er kenne kein Schulsystem, das so ungerecht sei wie das deutsche, und wenn keine Reformen erfolgten, dann würde Deutschland nie in der PISA Weltspitze landen. All das ist Wasser auf die Mühlen derer, die seit den 1960er-Jahren des letzten Jahrhun derts die Mehrgliedrigkeit des deut schen Schulsystems infrage stellen und am liebsten eine Schule für alle hätten – vom Anfang bis zum Ende der Schulzeit, Abiturgarantie einge schlossen. So wird John Hattie derzeit von bestimmten Kreisen protegiert. Im Mai titelte erneut Der Spiegel mit der Scheinfrage: »Muss das Gymnasium
auf diesen Zug auf und forderten in den letzten Wochen nicht nur, die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems und damit das Gymnasium abzuschaffen, sondern auch gleich noch Hausauf gaben und unangekündigte Formen der Leistungserhebung abzuwracken. Das Gymnasium also als Urgrund der Bildungsmisere? Mitnichten, wie sich zeigen lässt. Denn in der Debatte wird bis heute mehr ideologisch als empi risch argumentiert – und nicht selten Eminenz mit Evidenz verwechselt. Die pädagogische Idee des Gym nasiums reicht zurück bis in die grie chische Antike. Dort war das ‘gym- nasion’ ein Ort der körperlichen und geistigen Ertüchtigung. Doch dauerte es noch lange, bis die ersten Gymna sien in Deutschland gegründet wur den. Das älteste ist das Gymnasium in Nürnberg, das 1526 im Zuge einer humanistischen Bildungsreform von Philipp Melanchthon gegründet wurde und noch heute seinen Namen trägt. Das damalige Bildungsideal wird im mer noch mit dem Gymnasium in Ver bindung gebracht: Der Mensch besitzt
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Wie steht es nun um den Bildungs- erfolg des Gymnasiums? Wer argu
mentiert, dass dieses getrost abge schafft werden könne, der würde dem deutschen Bildungssystem die Leis tungsspitze abschlagen, wie die Er gebnisse der empirischen Bildungs forschung zeigen – hier am Beispiel PISA demonstriert: In Mathematik, den Naturwissenschaften und im Lesen erreichen Gymnasiasten in Deutschland im Schnitt 546, 570 bzw. 556 Punkte, während Schüler an nicht gymnasialen Schularten nur 438, 454 bzw. 442 Punkte erzielten. Damit landet das Gymnasium auch deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 472, 485 bzw. 476 Punkten und sogar in den weltweiten Spitzenrängen, angeführt von Singapur mit 575, 561 bzw. 543 Punkten. Jenseits des Vergleichs mittels internationaler Schulleistungsstudien ist ein weiteres empirisches Ergebnis beachtenswert: Die Studierfähigkeit von Abiturienten mit gymnasialem Hintergrund liegt nach wie vor deut lich über allen anderen. Während über achtzig Prozent der Abiturienten ein Studium erfolgreich abschließen, sind es bei anderen Schulformen mit Hochschulzugangsberechtigung nur gut sechzig Prozent. Wer das Gym nasium erfolgreich absolviert, ist studierfähiger und verfügt über wirk same wissenschaftspropädeutische Kompetenzen. Bildungsgerechtigkeit neu bewertet Und wie steht es mit der Bildungsge rechtigkeit? Diese wird seit jeher am Einfluss des Elternhauses gemessen, und immer wieder ist zu vernehmen, dass Deutschland zu den ungerech testen Bildungssystemen weltweit gehöre. Diese Aussage wird in der Debatte schon so oft wiederholt, dass jegliche Reflexion überflüssig scheint. Aber allein das Wiederholen einer Aussage macht sie nicht richtig, wie erneut die jüngsten PISA-Daten zei gen: Waren in früheren Studien die Leistungen der Schüler abhängig vom Elternhaus, gab es im Jahr 2022 eine Wende. Der Einfluss des Elternhauses auf die Leistung der Schüler in
Deutschland unterscheidet sich – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht mehr vom Durchschnitt der OECD Länder. Damit ist das deutsche Schul system eben nicht ungerechter als die Schulsysteme anderer Länder. Die NEPS-Daten gehen sogar noch einen Schritt weiter: Je strikter die Länder beim Wechsel an die weiter führende Schule vorgingen, desto höher fielen die durchschnittlichen Leistungen aus, heißt es in einem entsprechenden Bericht. Die Glied rigkeit des Schulsystems führe nicht zu einer Verstärkung der Effekte so zialer Herkunft, vielmehr schwächten sich diese bei einer strikten Leis tungsdifferenzierung eher ab. Die Leistungen in der Sekundarstufe nähmen zu, insbesondere in der Kombination mit einer hinsichtlich der Lernvoraussetzungen homoge neren Zusammensetzung der Schul klassen nach kognitiven Fähigkeiten – wovon vor allem schwächere Schüler profitieren. Mit anderen Worten: Das Gymnasium und in der Folge eine entsprechende Leistungsdifferen zierung führt zu einem insgesamt besseren Bildungsniveau und fördert damit Bildungsgerechtigkeit. Reform statt Abschaffung Angesichts dieser Ergebnisse der em pirischen Bildungsforschung wird es höchste Zeit, die Polemik zu beenden, das Gymnasium als Grund für die der zeitige Bildungsmisere abzukanzeln. Stattdessen ist es angebracht, den Stellenwert des Gymnasiums wieder anzuerkennen, den es im deutschen Schulsystem hat: Es ist die humanis tische Kaderschmiede im Kontext einer Leistungsorientierung und da mit auch Garant für den Wohlstand einer Gesellschaft. Die Wirtschafts kraft eines Landes hängt vom Bildungs niveau ab. Wenn durch ideologische Reformvorschläge, wie die Abschaf fung des Gymnasiums, das Bildungs niveau noch weiter sinkt, dann werden auch die neuen Staatsverschuldungen den wirtschaftlichen und sozialen Abschwung auf Dauer nicht retten können.
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Univ.-Prof. Dr. Klaus Zierer , Erziehungswissenschaftler und Universitätsprofessor für Schul pädagogik an der Universität Augsburg, studierte das Lehramt an Grundschulen an der LMU München, wo er auch promoviert und habilitiert wurde. Er ist Associated Research Fellow an der University of Oxford.
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Mit dieser Schlussfolgerung soll nicht verkannt werden, dass im Schul system allgemein und auch am Gym nasium Reformen nötig sind. Gerade die letzten Jahrzehnte waren in der Bildungspolitik davon gekennzeich net, in eine evidenzfreie ‘Reformeritis’ zu verfallen, die mehr Schaden als Nutzen brachte, Lehrer von ihrem Kerngeschäft abhielt, den Leistungs anspruch zusehends aufweichte und eine Bildungskultur, die von Anstren gungsbereitschaft und Einsatzwillen mehr denn je geprägt sein sollte, ab wrackte. An diesen Stellen ist anzu setzen, um das deutsche Schulsystem wieder nach vorne zu bringen und in der Folge auch eine Bildungsgerech tigkeit für alle zu ermöglichen. Diese folgt nicht dem ideologischen Diktum »Abitur für alle!«, sondern dem Grund satz »Jedem Kind seine beste Bil dung!«. Entscheidend ist und bleibt die Unterrichtsqualität – und nicht eine ideologisch geführte Struktur debatte. Mit freundlicher Genehmigung des Magazins ‘Cicero’, auf dessen Homepage der Artikel am 23. August 2025 erstmalig erschienen ist.
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» Das Hauptgebäude der
Justus-Liebig-Universität in Gießen
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Lehrkräftebildung aus einem Guss Gespräch zwischen Prof. Dr. Alexander Goesmann, Vize- präsident der Justus-Liebig
Realschulen (L2), Lehramt an Gym nasien (L3), Lehramt für Förderpäda gogik (L5) bis hin zum Lehramt an beruflichen Schulen (L4 bzw. BBB). ? Was ist das Besondere an einem Lehramtsstudium an der JLU? Neben der genannten Breite ist es vor allem das Prinzip der Integration: Wir verfolgen das Leitbild »Lehrkräftebil dung aus einem Guss« – phasen- und fächerübergreifend. Fachwissen schaften, Fachdidaktiken, Bildungs wissenschaften und Praxisphasen sind eng aufeinander abgestimmt. Zudem steht die JLU für eine wissen schaftsbasierte, professionsorien tierte Ausbildung, die sich an den An- forderungen einer Schule im Wandel orientiert – also nicht am Status quo, sondern an dem, was Schule morgen leisten muss und auch kann. ? Welche Fächer verzeichnen den höchsten Zuspruch? Im Grundschullehramt (L1) sind Deutsch und Mathematik aufgrund
der Studienstruktur stark vertreten. Das Fach Sachunterricht hat durch die Einführung eines Langfachs ebenfalls deutlich an Beliebtheit gewonnen. In den anderen Lehramtsstudiengängen zählen unter anderem Sport, Englisch und Deutsch als beliebte Fächer. ? Und in welchen Fächern ist die Nachfrage gering? Fächer mit geringeren Einschreibe zahlen sind häufig Fremdsprachen wie Französisch oder Latein/Grie chisch, aber auch kleinere Fächer wie Physik oder Informatik (trotz des hohen Bedarfs an Lehrkräften) sind betroffen. Hier besteht oft ein Miss verhältnis zwischen Bedarf und Stu dienwahl. Das ist ein bildungspoliti sches wie gesellschaftliches Thema und zugleich eine Herausforderung, die wir als Universität nicht allein lösen können. Es braucht hier ein ge meinsames Engagement von Politik, Schulen und Hochschulen, um diese Fächer attraktiver zu machen und
Universität Gießen, verantwort lich für die Lehrkräftebildung, und Thorsten Rohde, stell- vertretender Landesvorsitzender des hphv. ? Wie viele Lehramtsstudierende sind aktuell an der JLU einge schrieben? An der JLU Gießen sind derzeit 5226 Studierende (Stand Wintersemester 2024/2025) in den verschiedenen Lehramtsstudiengängen eingeschrie ben – das entspricht einem erhebli chen Anteil der Gesamtstudierenden schaft (21 Prozent). Die JLU ist damit einer der zentralen Standorte für Lehrkräftebildung in Hessen. Die gro ße Besonderheit der JLU ist, dass alle Lehramtsstudiengänge angeboten werden, von Lehramt an Grundschu len (L1) über Lehramt für Haupt- und
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