Blickpunkt Schule 5 2025

Die kontinuierliche Abwärtsspirale im deutschen Bildungswesen – und wie sie zu stoppen ist D as deutsche Bildungswesen befindet sich seit mehr als zehn Jahren in einer kontinu schienene IQB-Bildungstrend bei Viertklässlern in Deutsch und Mathe matik nachwies. Das Jahr 2015 stellt in diesem Zusammenhang nicht nur im Bildungswesen einen weiteren kriti darüber hinaus die Abschaffung der Hausaufgaben und nicht selten auch der Lehrpläne. Die Schüler bestimmen

Titelthema

ierlichen Abwärtsspirale. Schon vor PISA 2000 beklagten Lehrer ein ab sinkendes Niveau in nahezu allen Schulformen. Sie wurden damals von oberster Stelle als »faule Säcke« be zeichnet und ihre Warnungen wurden nicht ernst genommen. Erst PISA 2000 führte dann speziell in Deutsch land zu dem bekannten PISA-Schock. Leistungen der Schüler am Ende der 9. Klasse waren höchstens noch durchschnittlich im OECD-Vergleich. Mit der Einführung der Bildungsstan dards 2003, die in alle Kerncurricula der Bundesländer einflossen, sollte damals ein Weg aus der Krise aufge zeigt werden. Der Schwerpunkt sollte von nun an auf der Output-Orientie rung liegen, denn deutsche Schüler könnten ihr Wissen zu wenig anwen den, so das Credo der Pisianer. Ein kontinuierliches Bildungsmonitoring durch weitere Studien (ICILS, IGLU/ PIRLS, TIMSS, IQB-Bildungstrend, VERA) sollten zur Verbesserung der Lage führen. Kritiker warnten damals schon vor einer Ökonomisierung der Bildung. 25 Jahre später sei daher die Frage erlaubt, ob diese Maßnahmen tatsächlich den erwünschten Erfolg gebracht haben. Offensichtlich nicht … Die PISA-Studien und Folgerungen daraus Selbst die in den Jahren nach dem Millennium geringfügig verbesserten Leistungen in den alle drei Jahre durchgeführten PISA-Studien sind wohl eher auf das nunmehr praktizier te »teaching to the test« in den be troffenen Schulen zurückzuführen. Seit 2015 zeigen aber nun alle diese Studien eine kontinuierliche Abwärts spirale in allen fünf Kompetenzstufen an. Die Leistungen in Lesekompetenz, Mathematik und den Naturwissen schaften befinden sich nahezu im freien Fall, was auch der kürzlich er

selbst, was sie lernen wollen, heißt das Credo. Die Abschaffung eines jeg lichen vergleichenden Leistungsprin zips zugunsten individueller Lernfort schritte soll weiterhin jegliche Form der Diskriminierung in der Schule be enden. Die Abschaffung der Bundes jugendspiele ist nur ein erster Schritt in diese Richtung. Darüber hinaus soll der Lehrer nur noch als Lerncoach fungieren, der nur den selbstständi gen Lernfortschritt der Schüler be gleiten soll. Letzteres wundert umso mehr, da schon 2010 der Neuseelän der John Hattie empirisch in einer Metastudie nachweisen konnte, dass die Funktion des Lehrers als ‘fascilita tor’ mit 0,17 Punkten der des ‘activa tors’ mit O,6 Punkten klar unterlegen ist. Methoden wie das ‘direct teaching’, für das hierzulande jeder Referendar sofort seinen Hut nehmen müsste, schnitten mit 0,59 Punkten äußerst erfolgreich ab, sehr zum Leidwesen so manchen Reformpädagogen. Darüber hinaus gewinnt man den Eindruck, dass den Befürwortern dieser Maßnah men die Gleichmacherei auf unterstem gemeinsamen Niveau wichtiger zu sein scheint als der Förderung der unter schiedlichen Leistungsfähigkeit der Schüler Rechnung zu tragen. Tatsächlich wirkende Gegenmaßnahmen Unbestritten ist, dass die derzeit hohen Zahlen von Schulabgängern ohne Schulabschluss nicht einfach hinzunehmen ist. Hier müssen gezielt Gelder für mehr Lehrer eingesetzt werden, um Bildungsabschlüsse auch diesen Schülern zu ermöglichen. Unbestritten ist ebenfalls, dass für bildungsferne Kinder ohne ent- sprechende Unterstützung durch die Eltern ein verpflichtender Kita-Besuch zumindest grundlegende sprachliche Defizite beheben könnte, wie Kollege

schen Punkt dar, in dessen Folge durch eine ungeregelte Migration viele Kinder aus bildungsfernen Schichten in das deutsche Schulsystem integriert wer den mussten, ohne dafür auch nur an nähernd die nötigen Voraussetzungen mitzubringen. Jedem Lehrer ist auch ohne empirische Belege sofort klar, dass derartige Bildungsrückstände von ein oder mehreren Jahren mit der Ein schulung in die Grundschulen dort nicht oder nur unzureichend behoben werden können, vor allem dann, wenn die Kinder kein oder kaum Deutsch sprechen. Die Grundschulen über- geben daher unverschuldet Kinder teils ohne notwendige Grundlagen auf die weiterführenden Schulen, die auch dort häufig zu Problemfällen werden und das Niveau für alle absenken. Die ursprünglich im gesamten differen zierten Schulsystem durchaus vorhan dene Heterogenität in den einzelnen Schulformen ist einer Superdiversität gewichen, die durchaus auch Gymna sien – vor allem in Brennpunktgegen den – erreicht hat. Individualisierung ist das große Zauberwort, wobei keiner wirklich weiß, wie diese zu gestalten ist. Entsprechend fordert die sich auf dem Vormarsch befindende ‘Kuschel pädagogik’ zusammen mit ‘Gleich macherpädagogen’, auch unterstützt vom PISA-Chef Andreas Schleicher, die Abschaffung des dreigliedrigen deutschen Schulsystems und die Ein führung einer Einheitsschule für alle. Und dies, obwohl sich in einer aktuel len forsa-Umfrage 71 Prozent für den Erhalt des gegliederten Schulsystems ausgesprochen haben und es für der artige Maßnahmen keine empirischen Belege gibt. Weiterhin wird von die sem Klientel die Abschaffung der Fächer, der Noten und der Leistungs orientierung schlechthin gefordert,

10

SCHULE 5|2025

Made with FlippingBook - Online magazine maker