Blickpunkt Schule 5 2025
Olaf Köller vom IPN-Kiel immer wieder zurecht betont. Im Hinblick auf den in ternationalen Kampf um die besten Köpfe muss es unumstritten sein, dass auch leistungsstarke Schüler entspre chend zu fördern sind, damit auch sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Dem Gymnasium kommt hier eine entscheidende Rolle zu, die Studier fähigkeit seiner Abiturienten zu sichern. Davon ist man im Rahmen der Bil dungsexpansion der letzten 25 Jahre oft allerdings weit entfernt, wie die steigenden Abbrecherquoten ins- besondere in den naturwissenschaft- lichen und mathematischen Studien gängen schon seit Jahren klar zeigen. Außerdem ist das Notendumping im Abitur trotz ständig sinkender Kompe tenznachweise in den vielen Bildungs studien mehr als grotesk. Noten- gebung und tatsächliche Leistung verhalten sich zunehmend reziprok, mit allen Konsequenzen für die weiteren Bildungsgänge. Grundsätzlich ist dabei die Situation in Brennpunktschulen in Brennpunkt gegenden sehr viel angespannter als die in wohlhabenden Gegenden. Spä testens seit 2015 haben wir auch hier US-amerikanische Verhältnisse. Dies trifft auch auf Gymnasien zu. Gymna sien in Offenbach haben sicher andere Problemstellungen als in Königstein oder im Westend, und dies trifft nicht nur auf Hessen, sondern auf alle Bun desländer zu. Es ist mehr als offen sichtlich, dass die Wohngegend über den Bildungserfolg eines Kindes mit entscheidet. Die derzeitige Bildungs ministerin Karin Prien hat daher vor geschlagen, dass keine Schule mehr als dreißig bis vierzig Prozent Kinder mit Migrationshintergrund haben dür fe. Dies ist vom Ansatz her durchaus richtig. Der Schluss daraus, die ande ren Kinder dann mit Bussen in wohl habende Stadtteile zu fahren, ist da gegen völlig kontraproduktiv und in einer Demokratie nicht umsetzbar. Hier muss sich die Politik fragen lassen, wieso sie es einfach zugelassen hat, dass Brennpunktgegenden mit Brenn punktschulen entstanden sind, mit oftmals auch gegen Lehrpersonen ge waltbereitem Klientel. Die Schule ist
und kann nicht die Reparaturanstalt für gesellschaftspolitische Fehlent scheidungen sein. Dafür ist sie nicht gegründet worden. Die Vermittlung von Bildung und Wissen im gemeinsamen Klassenverband mit einem gemein- samen Lernziel muss im Vordergrund jedweder Bildungsbestrebungen stehen und nicht die Erziehung zum Kaspar Hauser in einer KI-gesteuerten individualisierenden Superdiversität. Die Rolle von KI Wie im Spiegel gerade zu lesen war, gehöre KI nicht nur als Thema, sondern als technisches Hilfsmittel ins Abitur. Beim Schreiben solcher Leitartikel scheint den Schreiberlingen jegliche Art logisches Denkvermögen abhan dengekommen zu sein. Hier muss grundsätzlich nachgefragt werden, in wiefern im Rahmen einer Ökonomisie rung der Bildung Part II die Herolde der Hard- und Softwarekonzerne, bar jeder bildungswissenschaftlichen Kompe tenz, Bildungsministerien beraten, die ihrerseits Milliarden in die Taschen der digitalen Großkonzerne fließen lassen, anstatt das Geld in die Renovierung maroder Schulgebäude, deutlich mehr Lehrpersonal und kleinere Klassen zu stecken. »Wenn das Hirn in die Hosen tasche fällt« lautet dazu ein in Kürze im Condorcet-Blog erscheinender Beitrag des Verfassers dieser Zeilen. Conclusio Zur Verbesserung der Situation an deutschen Schulen müssen stattdes sen einige der grundlegenden deut schen Tugenden, die unser Bildungs system nach dem Krieg zu internatio nal konkurrenzfähigen Bildungsabsol venten geführt haben, als Grundlage einer Humboldtschen Allgemeinbil dung dringend wieder in allen Schul formen eingeführt werden: Leistungs bereitschaft, Fleiß, Widerstandsfähig keit, Durchhaltevermögen, Respekt, Benehmen, Einhalten von Regeln, Wertschätzung von Lehrern und Mit schülern, Höflichkeit, Empathie, um nur einige zu nennen. Die Schule muss umgehend entbürokratisiert werden; Lehrer müssen sich zu mindestens neunzig Prozent um ihren Unterricht
DER AUTOR
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Hans Peter Klein, Professor für Didaktik der Biowissenschaften der Goethe Universität Frankfurt berufen, Präsident der Gesell schaft für Didaktik der Biowissen schaften sowie Mitbegründer und Geschäftsführer der 2010 in Köln gegründeten Gesellschaft für Bil dung und Wissen.
kümmern können; das Dokumenta tionswesen, Konferenzen und aller bürokratischer Ballast sind auf das Notwenigste zu begrenzen. Förder berichte wegen unzureichender Noten gebung sind ab sofort einzustellen. Der tatsächliche Leistungsstand muss dem Schüler mitgeteilt werden, um überhaupt eine Gegensteuerung zu ermöglichen. Um die Kohärenz zu den Hochschulen zu gewährleisten, müs sen die Fächer erhalten bleiben und der Unterricht in der Sekundarstufe II muss wissenschaftspropädeutisch gestaltet sein. Eine gute Bildung ist immer die Voraussetzung für die drin gend gebotene internationale Konkur renzfähigkeit zur Erhaltung des Wohl standes, auch für kommende Genera tionen. Die Marktkapitalisierung jedes einzelnen Mitglieds der ‘Magnificent Seven’-Konzerne in den USA ist größer als die der vierzig DAX-Unternehmen zusammen. Das sollte zu denken ge ben. In der digitalen Welt hat Deutsch land unter anderem auch wegen feh lender Innovationen aus dem Bildungs bereich den Anschluss an die Weltspitze komplett verloren. Bildungsergebnisse benötigen rund zehn bis fünfzehn Jahre, bis sich ihre Auswirkungen auch in Wirtschaft und Gesellschaft bemerk bar machen. Der jetzt schon eintre tende Wohlstandsverlust ist nur ein Ergebnis der Abwärtsspirale in unserem Bildungswesen, die es dringend zu stoppen gilt.
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SCHULE 5|2025
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