Blickpunkt Schule 5 2025

Titelthema

Zwischen Tradition und Anspruch Das Gymnasium ist kein Auslaufmodell T rotz anhaltender Kritik und For derungen nach einer Einheits schule belegen aktuelle Daten, weg?« Denn im Untertitel heißt es, dass das Bildungssystem vermurkst sei und trotzdem am Gymnasium festge halten werde. Schülervertreter in Berlin und Nordrhein-Westfalen sprangen unterschiedliche Begabungen, die er zum Wohl der Gemeinschaft heraus

Foto: Blur Bokeh|AdobeStock

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bilden soll. Im Neuhumanismus, angeführt durch die preußischen Bildungsreformen von Wilhelm von Humboldt, kam es zu einer systema tischen Institutionalisierung des Gym nasiums in Deutschland und der Ein führung des Abiturs 1834 als Voraus setzung für ein Universitätsstudium. Obschon der Fokus auf klassische Sprachen und Literatur sowie eine all seitige Bildung, die nicht nur Wissen und Können umfasst, sondern den Menschen mit all seinen Möglichkei ten in den Blick nimmt, erhalten blieb, kam es zu einer Erweiterung des Bildungsideals: Bildung soll im Kern zweckfrei sein und nicht einem be stimmten Nutzen folgen. Bis heute ist das Gymnasium in dieser Tradition zu sehen. Es bietet eine inhaltliche Breite, die mancherorts Stundenpläne mit über fünfzehn verschiedenen Fächern erzeugt und von klassischen Disziplinen wie Griechisch und Latein bis zu mo dernen Fächern wie Informatik und Chinesisch reicht. Empirie statt Ideologie

dass das Gymnasium in Deutschland Spitzenleistungen erbringt, Bildungs gerechtigkeit fördert und ein Garant für den gesellschaftlichen Wohlstand ist. War das Gymnasium über Jahrhun derte hinweg das Herzstück und Aus hängeschild des deutschen Bildungs systems, steht es heute zusehends in der Kritik. Besonders das zum Jahres wechsel in einem Spiegel -Interview formulierte Verdikt von John Hattie, der zu den einflussreichsten Bildungs forschern weltweit zählt, hallt nach: Er kenne kein Schulsystem, das so ungerecht sei wie das deutsche, und wenn keine Reformen erfolgten, dann würde Deutschland nie in der PISA Weltspitze landen. All das ist Wasser auf die Mühlen derer, die seit den 1960er-Jahren des letzten Jahrhun derts die Mehrgliedrigkeit des deut schen Schulsystems infrage stellen und am liebsten eine Schule für alle hätten – vom Anfang bis zum Ende der Schulzeit, Abiturgarantie einge schlossen. So wird John Hattie derzeit von bestimmten Kreisen protegiert. Im Mai titelte erneut Der Spiegel mit der Scheinfrage: »Muss das Gymnasium

auf diesen Zug auf und forderten in den letzten Wochen nicht nur, die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems und damit das Gymnasium abzuschaffen, sondern auch gleich noch Hausauf gaben und unangekündigte Formen der Leistungserhebung abzuwracken. Das Gymnasium also als Urgrund der Bildungsmisere? Mitnichten, wie sich zeigen lässt. Denn in der Debatte wird bis heute mehr ideologisch als empi risch argumentiert – und nicht selten Eminenz mit Evidenz verwechselt. Die pädagogische Idee des Gym nasiums reicht zurück bis in die grie chische Antike. Dort war das ‘gym- nasion’ ein Ort der körperlichen und geistigen Ertüchtigung. Doch dauerte es noch lange, bis die ersten Gymna sien in Deutschland gegründet wur den. Das älteste ist das Gymnasium in Nürnberg, das 1526 im Zuge einer humanistischen Bildungsreform von Philipp Melanchthon gegründet wurde und noch heute seinen Namen trägt. Das damalige Bildungsideal wird im mer noch mit dem Gymnasium in Ver bindung gebracht: Der Mensch besitzt

SCHULE 5|2025

Wie steht es nun um den Bildungs- erfolg des Gymnasiums? Wer argu

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