Blickpunkt Schule 5 2025
Titelthema
Heterogenität und Pluralisierung Chance und Herausforderung für unsere Schulen H essen ist das deutsche Flächen land, in dem am meisten Menschen mit Migrations-
Teil 1
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Prof. Dr. Schröter hat sich bereits mehrfach mit kritischem Blick in die Debatte eingebracht. Für Blickpunkt Schule hat sie der stellvertretende hphv-Landesvorsitzende Thorsten Rohde interviewt. ? In hessischen Schulen sehen wir viele Mädchen mit Kopftuch. Ist das Ihrer Meinung nach ein positives Abbild unserer vielfältigen Gesell schaft? Oder mehr ein Zeichen für den politischen Islam im Aufwind? Zunächst einmal muss man sagen, dass das islamische Kopftuch kein modisches Accessoire ist. Es steht im Kontext einer fundamentalistisch- islamischen Geschlechterordnung, der zufolge Frauen und Mädchen ihre Reize bedecken müssen, um Männer nicht sexuell zu ‘provozieren’. Häufig ist das Kopftuch in weitere restriktive Vorgaben eingebunden. Dazu gehört die räumliche Trennung der Ge schlechter, die den Handlungsspiel raum von Frauen auf den häuslichen Bereich reduziert und den Männern die Öffentlichkeit überlässt. Im Ex
tremfall (zum Beispiel in Afghanistan) bedeutet dies, dass es Frauen und Mädchen untersagt ist, ohne Beglei tung eines männlichen Angehörigen das Haus zu verlassen. Doch islamisti sche Vorstellungen gibt es nicht nur im islamisch geprägten Ausland. Es gibt auch bei deutschen Islamisten die Vorstellung, Frauen dürften nur zwei mal im Leben das Haus verlassen: wenn sie vom Haus des Vaters in das Haus des Ehemannes überführt wer den und nach ihrem Tod, wenn ihr Leichnam zum Friedhof gebracht wird. Es gibt Frauen, die als ‘Importbräute’ nach Deutschland kamen, ihr gesam tes Leben in der Wohnung des Ehe mannes verbringen und noch nicht einmal einkaufen gehen dürfen. Natürlich sind das Extrembeispiele, aber wir übersehen häufig, dass in vielen muslimischen Gemeinschaften in der Diaspora eine repressiv-patriar chalische Geschlechterordnung kul tiviert wird. Diese hängt mit einem politischen Islam zusammen, der die Kontrolle über die Muslime in Deutschland beansprucht und die
hintergrund leben. Auch in den hessi schen Schulen ist diese Realität deut lich zu sehen. Für die gymnasiale Bildung stellt sich aufgrund dieser Tatsache die Frage, wie die Chancen dieses Prozesses genutzt und die Risiken minimiert werden können. Selbstverständlich zeigt sich der ge nannte Prozess auch anhand der – oft emotional geführten – Debatten um religiöse Zugehörigkeit, Frauenrechte und sprachliche Regulierung. Eine ausgewiesene Kennerin der Debatte ist Prof. Dr. Susanne Schrö ter. Sie ist emeritierte Professorin am Institut für Ethnologie, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frank furt am Main. Zudem unterstützt sie seit 2023 im Rahmen eines Goethe Research Professorship die Grün dung eines Transfer- und Kompe tenzzentrums Islam an der Univer sität.
SCHULE 5|2025
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