Blickpunkt Schule 5 2025

Warum das Gymnasium der Zukunft seine Leistungsbewertung überdenken muss

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30 Titelthema SCHULE 5|2025

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chen Maßstäben sie bewertet werden. Nur so entsteht ein Vertrauensverhält nis, das Lernen fördert statt hemmt. Klingt das für Sie in der Gegenwart noch zu abstrakt? Das muss es nicht, denn bereits heute kann eine positive Feedbackkultur in den Schulalltag in tegriert werden und Druck minimiert werden. Schülerinnen und Schüler wissen Lehrkräfte zu schätzen, die gemeinsam mit ihnen ihre Leistungen reflektieren und aktiv Verbesserungs vorschläge geben und nicht urteilen, wenn eine Leistung mal nicht erbracht wird. Auch gibt es bereits vereinzelt Lehrkräfte, die ihre Klausuren bzw. Arbeiten anonym korrigieren und da durch Schülerinnen und Schülern eine faire Bewertung ihrer Leistung er möglichen. Veränderung beginnt im Kleinen und es liegt an jedem Einzelnen, dafür zu sorgen, dass sie stattfindet. Das Gymnasium der Zukunft liegt zwar noch in der Ferne, es wird allerdings greifbar, wenn wir Elemente dessen in unseren Gymnasien der Gegenwart einbauen. Mein Name ist Laurenz Spies, ich bin 17 Jahre alt und Schüler der 12. Klasse eines Hanauer Gym nasiums. Als Landesschulsprecher der Landesschüler*innenvertre tung Hessen engagiere ich mich bildungspolitisch für eine Stär kung der Mit-bestimmungsrechte der Schülerschaft und gerechte Leistungs-bewertung an Schulen. Kontakt: LSV Hessen | Georg-Schlosser Straße 16a | 35390 Gießen Laurenz Spies | Landesschulsprecher post@lsv-hessen.de | laurenz.spies@lsv-hessen.de

W enn ich mit Mitschülerin nen und Mitschülern über Schule spreche, fällt ein Wort besonders oft: Druck. Nicht Neugier oder Begeisterung, sondern Druck. Am Gymnasium, welches doch eigentlich ein Ort der Entfaltung sein sollte, ein zweites Zuhause für Schü lerinnen und Schüler, dreht sich zu viel um Zahlen. Es geht ständig um Noten, Punkte und Durchschnitte. Selten geht es dabei um das, was Lernen eigentlich ausmacht: Verstehen, Ausprobieren und vor allem Spaß. Tagtäglich erlebe ich, wie Leis tungsbewertung darüber entscheidet, wie Schülerinnen und Schüler lernen und wie wir uns fühlen. Noten sollten objektiv sein, gerecht und vergleich bar. Das aktuelle Notensystem wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Eine schlechte Note sagt nichts da rüber aus, wie lange jemand an einer Aufgabe saß, wie viele Lösungswege er probiert oder wie viel Mühe er sich gegeben hat. Allerdings greift sie das Selbstvertrauen an und schindet Zu kunftsängste. Studien zeigen, dass klassische Ziffernoten die Lernmoti vation eher mindern als fördern, insbe sondere bei Schülerinnen und Schülern, die häufig Misserfolge erleben. Statt dessen sorgen individuelle Rückmel dungen und konstruktives Feedback für bessere Lernergebnisse. In einem Gymnasium der Zukunft muss dies ernst genommen werden. Das Gym nasium muss weg von einem System, welches Leistung bestraft, wenn sie nicht auf Anhieb perfekt ist, und hin

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zu einem, welche Lernwege begleitet und würdigt. Gleichzeitig muss Leistungsbewer tung in einem Gymnasium der Zu kunft neutral werden, denn aktuell haben Geschlecht, Herkunft oder Ver halten weiterhin Einfluss auf die Leis tungsbewertung. Lehrkräfte sind Menschen und keine Maschinen und das ist auch gut so. Doch wir müssen anerkennen, dass genau darin auch ein Problem steckt. Eine Studie der Universität Mann heim aus dem Jahr 2018 hat bei spielsweise festgestellt, dass ein Diktat, welches mit dem Namen Max beschriftet wurde, bei den gleichen Fehlern besser bewertet wurde als das, welches von einem Kind mit dem Namen Murat geschrieben wurde. Das heißt, dass allein ein nicht deutsch sprachiger Name dafür gesorgt hat, dass die gleiche Leistung schlechter bewertet wurde. Das ist kein Vorwurf, aber ein dringender Aufruf für mehr Transparenz und Fairness bei der Leis tungsbewertung, wie etwa in Form von anonymisierter Leistungsbewer tung und offengelegten Bewertungs rastern. Warum sollten nicht auch an Schulen Klausuren bzw. Arbeiten ohne Namen korrigiert werden, wie es an Hochschulen bereits Standard ist. Codes statt Namen können dafür sorgen unbewusste Vorurteile zu redu zieren und die Bewertung auf das zu lenken, was zählt: die tatsächliche Leistung. Ebenfalls sollten die Schüle rinnen und Schüler wissen, nach wel

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