CF_04_2022

THEMA

Die Ärzte erklären noch einmal alles in Ruhe. Und sie hören sich die Bedenken und Hoffnungen der Familie an.

scheiden, was zu tun wäre, wenn er noch einmal reanimationspflich tig würde. Er hat schon viel ge schafft, war sogar vor 50 Jahren mehrere Tage im Stollen verschüt tet.Warum sollte er nicht jetzt noch einmal auf die Beine kommen? Die Geschwister sind sich uneins. Und jeder drückt sich ein bisschen vor der Antwort, wenn es heißt: Im Krankenhaus wollen die von uns wissen, was er gewollt hätte. Eine typische Situation: Das Be handlungsteam braucht Klarheit, wie in einer weiteren kritischen Si tuation des Patienten gehandelt werden soll. Reanimation, Tracheo tomie, Vorbereiten auf ein Beat mungsheim? Oder doch besser eine Therapiezieländerung mit dem Schwerpunkt der palliativen Symptomkontrolle? Medizinische Indikationen gäbe es für beides. Es ist unklar, was der Patient selbst gewollt hätte. Über diese Situati on haben sie nie gesprochen. Die Familie ist bemüht, vertritt aber unterschiedliche Ansichten und

Bruders genommen. Denn sie er leben, dass medizinische Empfeh lungen und der Blick darauf, was für den Kranken das Fürsorglichste sein könnte, gut abgewogen sind. Anders ist auch, dass ein Mitglied des Ethikteams das Gespräch be gleitet und das Gespräch für die Patientenakte protokolliert. Damit wird den Angehörigen die Verbind lichkeit deutlich. Die Erfahrung zeigt, dass diese Art des Gesprächs sinnvoll nach der Durchführung eines Ethik Konsils ist, denn dieses findet in der Regel ohne Angehörige im interdisziplinären Team statt. Die aus dem Konsil gewonnenen Ein schätzungen können nun mit den Angehörigen besprochen werden. Meistens wird für die Angehöri gen deutlich, dass ihr Kranker nur noch eine sehr begrenzte Lebens zeit hat. Aber die Erfahrung zu machen, mit der Sorge und Trauer ernst genommen worden zu sein, ebnet häufig den Weg, einer Emp fehlung zuzustimmen. (M.K.)

bleibt unverbindlich. Nach etlichen Gesprächen und Telefonaten ent scheidet sich das Team, zu einem ethischen Angehörigengespräch einzuladen. Was ist für Angehörige anders an diesem Gespräch? Sie merken vor allem, dass man Zeit für sie hat. Dieses Gespräch findet nicht auf dem Flur oder am Patienten bett statt, sondern in einem unge störten Raum. Die Ärzte erklären noch einmal alles in Ruhe. Und sie hören sich die Bedenken und Hoff nungen der Familie an. Zugleich werden die Angehörigen in diesem Rahmen offener, sich der Frage zu stellen, ob die Be handlung die Lebensqualität ver bessert oder möglicherweise das Leiden des Bruders verlängert. Vielleicht ist dies das Wichtigste: In diesem Gespräch wird den An gehörigen die Last einer vermeint lichen Verantwortung für das mög liche schnellere Versterben des

Grafik: Getty Images

CellitinnenForum 04 | 2022

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