CellitinnenForum 4_2019_

Medizin | Betreuung

Schmerzen überlisten Mehr Lebensqualität durch das Anti-Schwerkraft-Laufband

„Fast einen Kilometer habe ich nach dem letzten Training geschafft“, freut sich Harald Schmitz (77). Was für andere selbstverständlich klingt, grenzt für den Wuppertaler an ein kleines Wunder. Bis zu sei- nem Eintritt in den Ruhestand führte er ein aktives Leben: Er leitete ein Familienunternehmen und ist bis heute ehrenamtlich im Polizeisport- verein aktiv, wo er lange Badminton spielte. Jedoch litt er immer wieder an ge- sundheitlichen Problemen. 2007 fing es mit einem Bandscheibenvor- fall an, 2009 benötigte er ein Hüftim- plantat. „Bis vor fünf Jahren konnte ich trotzdem noch Sport machen“, so der Wuppertaler, „dann wurde bei mir Lungenkrebs diagnostiziert.“ Schmitz überstand die Erkrankung, jedoch musste ein Teil seines Lun- genlappens entfernt werden, was zu weiteren körperlichen Beeinträch- tigungen führte: „Ich kann keinen Schritt mehr ohne Schmerzen ge- hen und bin daher nur noch sehr eingeschränkt unterwegs.“ Vor einem Jahr begann Schmitz im RTZ Regionales Therapie-Zentrum am Standort des Petrus-Kranken- hauses eine Physiotherapie. „Meine Therapeutin erzählte mir im Frühjahr von einem neuen Trainingsgerät, dem Anti-Schwerkraft-Laufband“, so Schmitz. Dieses ermöglicht Pa- tienten ein ‚normales‘ Gehen nach Operationen, da die Schwerkraft durch eine mit Luft gefüllte Kammer

um bis zu 80 Prozent verringert werden kann. Es eignet sich vor al- lem für Patienten nach Operationen mit Gelenkersatz, nach Sportver- letzungen oder mit Beschwerden durch Knie- oder Hüftarthrosen. Aber auch für Patienten mit chro- nischen Schmerzen, bei neurologi- schen Diagnosen oder Einschrän- kungen der Leistungsfähigkeit kann eine individuell dosierte Entlastung durch das Laufband eine Therapie- möglichkeit sein. Das Training findet immer in einer Eins-zu-eins-Betreuung durch einen Sporttherapeuten statt. Ha- rald Schmitz entschloss sich, das Gerät zu testen, und war sofort von der Wirkung begeistert: „Wir wuss- ten nicht, ob das Training bei mir einen großen Effekt erzielen wird. Aber als ich nach dem ersten Mal ausstieg, tat mein Rücken nicht

mehr weh und ich konnte rund 20 Minuten amStück ohne Schmerzen laufen.“ Seither nutzt er das Gerät zweimal pro Woche. „Wir gehen davon aus, dass Herr Schmitz durch die Schmerzen beim Gehen unbewusst eine Hemmung entwi- ckelt hat, richtig zu laufen“, erklärt Michael Lehmann, Leiter des RTZ am Petrus-Krankenhaus, „durch die Schwerelosigkeit während des Trainings wird dieser Schmerz- schalter sozusagen umgelegt und die Erinnerung wiedererweckt, wie normales Gehen funktioniert.“ Der Trainingseffekt bestätigt die Theo- rie: Von Mal zu Mal schafft Harald Schmitz auf dem Laufband ein paar schmerzfreie Schritte mehr und möchte daher unbedingt da- beibleiben: „Ich hoffe, dass sich die schmerzfreien Intervalle langsam aber sicher weiter steigern wer- den“, schließt er.

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