CellitinnenForum 4_2019_

Glauben | Leben

bei dem Tod eines Menschen zu betreten, zu weinen, zu segnen, Abschied zu nehmen, Wichtiges noch zu sagen. Ich finde es wun- derbar, wenn Pflegende auch nach dem Tod eines Patienten so liebe- und respektvoll mit ihm umgehen, als sei der Mensch noch da. Mit diesem Begreifen des Todes holen wir diese Erfahrung wieder in unser Leben, und wir Seelsorger sind spi- rituell Brückenbauer zwischen den Welten. Sailer: Und Brückenbauer beim Glauben: wenn ich mich auf die Tatsache einlassen kann, dass der Mensch tatsächlich gestorben ist, dann stehe ich vor der Deutung von Auferstehung, vor der Frage des Danach. Da wird die Seelsorge immer zu ihrem Glauben an das Leben befragt. Gerade wenn Pa- tienten sich am Lebensende fragen, was sie alles hätten anders machen können, was ihr Leben wert war, tut es unendlich gut, wenn ich aus meinen Glauben über den Schluss sagen kann: Gott wird alles rund machen, bei dir und bei mir. Denn wir stehen alle irgendwann davor. Da werde ich ganz demütig. Was macht Ihre Arbeit mit Ihrem Glauben? Máthé: Mein Glaube hat sich über die Berufsjahre vertieft und verfei- nert. Manchmal staune ich, was Menschen bewegt und was ihnen in der Krankheit und am Lebensende an neuen Schritten möglich ist. Sailer: Für mich hat sich, nachdem ich einen Menschen in einem langen Todeskampf hautnah erlebt habe, der Begriff von Erlösung anders ge-

Andrea Máthé

Quirin Sailer

M áthé: Genau. Da geht es nicht um Smalltalk, sondern die Frage: Kann ich Ihnen etwas anvertrauen? Als Seelsorger müssen wir geschützte Räume schaffen, damit Menschen sich öffnen können. Sailer: Das gehört auch zur Spiritu- alität: Schutz schaffen, wo im Kran- kenhaus das Private nicht privat ist, ein Stück Sicherheit geben. Vor allem, wenn es um Sterbebeglei- tung geht. Da stehe ich als profes- sioneller Christ dafür ein, dass es da noch mehr gibt, dass das We- sentliche, die Seele, über den Tod hinausgeht. Da bin ich wortwörtlich geistesgegenwärtig dabei und kann den Priester, der von außen kommt, in der Situation briefen. Und ich bleibe dabei. Máthé: Es kommen auch schon mal Mitarbeiter, um sich von ver- storbenen Patienten zu verabschie- den; da merkt man, auch die waren emotional dabei, ganz nah, und sind berührt. Ich ermutige die Mit- arbeiter, vor allem aber auch An- gehörige, diesen besonderen Raum

füllt, im Loslassen und Freiwerden von unerträglichem Leid.

Máthé: Das ist dann auch für die Angehörigen bei aller Trauer ein Trost, wenn sie wahrnehmen, dass der Verstorbene von seinem Leiden befreit ist. Das Belastende bei der Begleitung Sterbender ist ja häufig für Angehörige, aber auch für Mit- arbeitende, zwar da zu sein, aber dem anderen das Leid nicht ab- nehmen zu können. Doch genau das gehört für mich auch zur Spiri- tualität: das Leiden aushalten, nicht schönreden, nicht erklären, nicht übergehen. Einfach mit aushalten. Sailer: Da fällt mir Simon von Cyrene ein. Der war ein Wegabschnittsbe- gleiter. Er trug für Jesus das schwe- re Kreuz. Ein Stück weit. Bis Jesus es selbst wieder nehmen konnte. Danke für das Gespräch! In den acht Krankenhäusern der Stiftung der Cellitinnen sind katho- lische und evangelische Seelsorger für Patienten, ihre Angehörigen und für die Mitarbeiter da.

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