Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2019

TRINKNAHRUNGEN UND SUPPLEMENTE

TABELLE 4: In welchen Situationen sollen Patienten eine OBD erhalten? [A = Evidenzgrade IA, IB – schlüssige Literatur guter Qualität, die mindestens eine randomisierte Studie enthält; B = Evidenz- grade IIA, IIB – gut durchgeführte, nicht randomisierte Studien; KKP = „Klinischer Konsenspunkt“, entspricht dem Standard in der Behandlung]

Aufnahme nicht mehr (ausreichend) ge- währleistet ist. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aus Rücksicht auf die Lebensqualität wird angestrebt, die Patienten so lange wie möglich oral mit Wunschkost zu ernähren und dabei Zu- taten wie Eiweißkonzentrate bei Protein- mangel und Kohlenhydratkonzentrate zur Energieanreicherung zu nutzen. Gelingt damit keine ausreichende Bedarfsde- ckung, sollte ein Versuch mit hochkalori- scher Trinknahrung unternommen wer- den. Diese soll jedoch nicht die Menge der aufgenommenen Wunschkost reduzieren. Die Vorgehensweise in Reihenfolge 1 bis 6 zeigt Tabelle 3. Nach der „Leitlinie Klinische Ernäh- rung“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in den Kapi- teln Geriatrie, Neurologie, Gastroentero- logie und Chirurgie, Update (2013/2014) 7 sollten Patienten in den in Tabelle 4 ge- nannten Situationen eine OBD erhalten. Indikationen für OBD sind in Tabelle 5 zusammengetragen. Oft wird allgemein von Fehlernährung gesprochen, die wiederum in Unterer- nährung und Mangelernährung unter- teilt werden kann. Unterernährung ist durch anhaltend niedrige Energiezufuhr (und damit verminderte Energiespeicher) charakterisiert und an einem niedrigen, aber weitgehend stabilen Body Mass In- dex erkennbar. Folgen sind Abmagerung, Mangelkrankheiten und erhöhte Infekti- onsgefährdung. Der Begriff Mangelernäh- rung oder Malnutrition ist weiter gefasst. Von Mangelernährung wird gesprochen, wenn bestimmte Nährstoffe fehlen oder in zu geringer Menge vorhanden sind. Zu diesen Nährstoffen zählen neben ausrei- chend Energie auch Proteine, essentielle Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Ein besonders hohes Risiko, den Zustand einer Mangelernäh- rung zu entwickeln, haben ältere Perso- nen und Personen mit konsumierenden Erkrankungen, wie onkologische Erkran- kungen. Im Rahmen der deutschen Mul- ticenterstudie 8 („The German Hospital Malnutrition Study“) im Jahr 2006, zeigte sich eine Prävalenz der krankheitsassozi- ierten Mangelernährung bei 27,6 Prozent der Patienten, bereits bei Aufnahme in Die Indikation Mangelernährung

Patientengruppe

Einsatz von OBD

Empfehlungsklasse

Ältere Menschen mit Risiko für Mangelernährung

Nahrungsaufnahme verbessern, Ernäh- rungszustand erhalten, Komplikationsrisiko reduzieren Nahrungsaufnahme und Ernährungszu- stand verbessern und Komplikations- und Mortalitätsrisiko reduzieren Ernährungsmaßnahmen sollen Bestandteil eines individuellen Konzepts sein, um den klinischen Verlauf zu verbessern und Lebensqualität zu erhalten Einsatz insbesondere proteinreicher Trinknahrung, um Dekubitusrisiko zu reduzieren Einsatz von Trinknahrung, wenn einer der folgenden Punkte zutrifft: Risiko einer Mangelernährung, manifeste Mangelernährung, Dekubitusrisiko Immunmodulierende Trinknahrung für 5 bis 7 Tage prästationär (falls großer abdomineller Tumoreingriff und orale Ernährung nur eingeschränkt möglich sind, ggf. enterale Sondenernährung oder parenterale Ernährung für 10 bis 14 Tage möglichst prästationär) Als wirksame Erstlinientherapie möglich

A; starker Konsens

Ältere Menschen mit Mangelernährung

A; starker Konsens

Geriatrische Patienten mit Hüftfraktur und orthopädi- scher Operation

A; starker Konsens

Geriatrische Patienten mit Dekubitusrisiko und Mangeler- nährung oder Risiko für Mangelernährung Schlaganfallpatienten, die in der Lage sind, zu essen Mangelernährte Tumorpatien- ten und solche mit Hochrisiko vor großen abdominalchirurgi- schen Eingriffen (Gastrekto- mie, Ösophagusresektion, Pankreatoduodenektomie)

A; starker Konsens

B; Konsens

A; starker Konsens

Mangelernährte Leberzirrhose- patienten

B; Konsens

Patienten mit Leberzirrhose

Verbesserung der Nahrungsaufnahme, Erhalt des Ernährungszustandes

KKP

ihr Ausgangsgewicht wieder zu erreichen. Der Gewichtsverlust und die Veränderun- gen der Körperzusammensetzung sind oft kaum wahrnehmbar, weil die Prozes- se langsam ablaufen und zunächst nicht auffallen. In einer Studie bei zu Hause lebenden, pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren in Deutschland zeigte sich, dass 59 Prozent seit der Pflegebedürftig- keit abgenommen hatten. Dies erscheint TABELLE 5: Indikationen für OBD wenn orale Ernährung nicht ausreicht bei Kau- und Schluckstörungen als supportive Ergänzung bei nachgewiesenem Energie- und/oder Proteinmangel präoperative Indikation, um Ernährungszustand vor OP zu verbessern prä- und postoperativ bei/nach Fast-Track Surgery bei diagnostizierter Mangelernährung bei krankheitsbedingtem Gewichtsverlust

das Krankenhaus. Die höchste Häufigkeit mit 56,2 Prozent wurde im Fachbereich der Geriatrie verzeichnet, dicht gefolgt von der Onkologie und Gastroenterologie. Die Malnutrition im Alter kann von vielen Faktoren verursacht und beeinflusst sein. Im Alter kommt es vermehrt zu Schluck- störungen, Schmerzen beim Kauen, De- pression und Vereinsamung. Eine bedeu- tende Rolle spielt die Appetitlosigkeit. Hinzu kommen, auch bei jüngeren Patien- ten, Nebenwirkungen der Medikamente wie Übelkeit und Erbrechen, Appetit- und Geschmacksverluste sowie Geschmacks- und Geruchsirritationen. Insbesondere bei den häufig sehr konsumierenden onkologischen Erkrankungen und deren Therapie spielen die Nebenwirkungen der Medikamente und die metabolischen Ver- änderungen im Rahmen der Tumorkache- xie, als Verursacher der Mangelernährung, eine entscheidende Rolle. Dies ist deshalb bei Senioren so problematisch, weil sie im Vergleich zu jüngeren Patienten während einer Genesung deutlich länger brauchen,

20 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal

Made with FlippingBook flipbook maker