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100 Jahre

und kein

bisschen müde

Die Rolle des Gemeindeschreibers hat sich gewandelt und sich den

neuen Anforderungen angepasst. Dies beweist der Tessiner Gemeinde­

schreiberverband (USCTi), der sein 100JahrJubiläum feiert.

Die 90er-Jahre stellten für die Schweizer

Gemeinden den Wendepunkt dar. In

diesen Jahren nahm die unausweichli-

che Entwicklung zu grösseren Gemein-

den ihren Anfang. Dies zeigt ein Blick

auf die Zahl der Gemeinden: 2013 waren

es 2396, 1990 mit 3021 noch 625 mehr.

Noch ausgeprägter ist die Abnahme der

Zahl der Gemeinden im Kanton Tessin.

247 Gemeinden im Jahr 1990 stehen 130

im Jahr 2016 gegenüber. Und alles deu-

tet darauf hin, dass die Entwicklung sich

fortsetzen wird. So werden 2017 im Falle

des erfolgreichen Zusammenschlusses

von vier Gemeinden in Riviera sowie

zwölf Gemeinden mit der Stadt Bellin-

zona noch 115 Gemeinden verbleiben,

132 weniger als noch vor 30 Jahren. Die

Gemeindezusammenschlüsse sind je-

doch nicht ein ganz neues Phänomen.

Um die Jahrhundertwende vom 19. zum

20. Jahrhundert waren Zusammen-

schlüsse zu verzeichnen. Schon damals

galt es, sich an geänderte sozioökonomi-

sche Bedingungen anzupassen. Die Er-

öffnung der Gotthardbahn und die zu-

nehmende Industrialisierung, damit

verbunden die erste interne Migration in

die städtischen Gebiete, führten dazu,

dass die Gemeinde in ihrer überkomme-

nen Form (zumindest in gewissen Ge-

bieten) den Anforderungen nicht mehr

gerecht werden konnte. In der Folge ge-

schah während Jahren nichts mehr.

In der Zwischenzeit hat sich die Ge-

meinde als die bürgernahste öffentliche

Institution tiefgreifend gewandelt. Aus

der land- und alpwirtschaftlichen Ge-

meinde des 19. Jahrhunderts (mit der

Verwaltung ihres Territoriums als na-

hezu einziger Aufgabe) über die Dienst-

leistungsgemeinde des vergangenen

Jahrhunderts (die mit Strassen, Schulen,

Wasserversorgung und vielem mehr

unsere Lebensbedingungen verbessert

hat) bis zur umfassenden Versorgungs-

gemeinde der vergangenen Jahrzehnte.

Die Gemeinde ist so im Interesse der

Förderung der wirtschaftlichen Entwick-

lung und der Lebensqualität zum Mitak-

teur im sozioökonomischen Wettbewerb

geworden. Es sind stärkere, handlungs-

fähige Gemeinden entstanden, welche

die kritische Grösse aufweisen, um die

steigenden Anforderungen der Gesell-

schaft an die öffentlichen Dienstleistun-

gen erfüllen zu können.

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter des öffentlichen Dienstes (zusam-

men mit den Behörden das Herz der

lokalen Gemeinwesen) mussten sich

dem Wandel anpassen. Der legendäre

Gemeindeschreiber aus dem bekannten

Anker-Gemälde von 1874 ist zum My-

thos geworden. Heute ist der Gemein-

deschreiber insbesondere in grossen

Gemeinden recht eigentlich zum Mana-

ger geworden. Während er in kleineren

Gemeinden Generalist geblieben ist

(und dadurch täglich mit einer Vielzahl

unterschiedlichster Aufgaben undAnfra-

gen konfrontiert ist), kann seine Stellung

in mittleren und grossen Gemeinden

immer mehr mit der des Geschäftsfüh-

rers einer Firma verglichen werden, der

über seine Beratungsfunktion für Ge-

meinderat und Gemeindeversammlung

oder -parlament hinaus den Betrieb der

Gemeindeverwaltung leitet, Aufgaben

delegiert und koordiniert und deren Er-

füllung überwacht. Mit einem kleinen

Unterschied: Während seine Kollegen in

der Wirtschaft sich in der Regel mit ei-

nem klar umgrenzten Aufgabenbereich

befassen, für den sie auch entsprechend

ausgebildet wurden, ist der Gemeinde-

schreiber Allrounder, der in allen Berei-

chen, vom Bauwesen über die Polizei zu

Schulen, Kultur, Sport, Soziales bis hin

SCHWEIZER GEMEINDE 7/8 l 2016

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SKSG/CSSM

Vorstandssitzung des Tessiner

Gemeindeschreiberverbands im Jahr 2014.

Bild: zvg