GOLF TIME
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8-2016
93
Götz SchmiedehauSen
Autor des essenziellen Leitfadens
durch die Welt des Golfwahnsinns
in Buchform: „Golf oder
gar nichts!“. Könnte ein Buch
über den Wahnsinn schreiben,
den er schon auf Golfplätzen
erleben musste. Wenn er dies
nicht schon getan hätte.
GÖTZ
ZITAT
W
er gerne und viel Golf spielt,
lernt eine Menge interessanter
Menschen kennen. Die meisten
vergisst man schnell wieder,
manch einer wird zum Freund fürs Leben, über
andere schreibt man eine Kolumne. Ich hoffe,
Sie finden sich hier nicht wieder …
Schon zum vierten Mal wurden wir von der
Platzaufsicht aufgefordert, etwas schneller zu
spielen, da sich hinter uns ein Stau gebildet habe,
der an die A3 in Richtung Süden am ersten Som-
merferienwochenende erinnert. Grund dafür ist
mein Mitspieler, der aus Prinzip jedes Loch zu
Ende spielt. Dabei geht er mit großer Akribie
vor, was natürlich Zeit kostet. Immerhin gilt es,
anspruchsvollste Schläge auszuführen, was auch
vonnöten ist, um sich aus den unspielbaren Lagen
zu befreien, in die er sich fortwährend bringt.
Obwohl schon ein zweistelliges Schlagergebnis
zu Buche steht, wird auch der finale Putt so
gewissenhaft gelesen, als ginge es um den Sieg bei
einem Major. Ich würde ihn gerne verprügeln.
„Schreib mir ein Par auf“, ruft mir mein Mit-
spieler zu, was ich ganz sicher nicht tun werde.
Getreu dem Motto: „Sechs spielen, fünf zählen,
vier schreiben“ schätzt der Kerl seinen Score ein-
fach, anstatt sich die Mühe zu machen, die Schläge
zu zählen. Will man ihn korrigieren, verfällt er in
einenZustand akuterAmnesie und versucht völlig
unverfroren, den Bunkerschlag, den kurzen Chip
und den dritten Putt auf dem Grün wegzudisku-
tieren. Lässt man ihn gewähren, darf man ihm
am Abend auch noch zum Nettosieg gratulieren.
Der Fairway-Hopper taucht wie aus dem Nichts
auf und bringt den Spielfluss jäh zum Erliegen.
Auf „seinem“ Golfplatz gibt es viele erste Ab-
schläge, denn seine Runde beginnt immer dort,
wo gerade niemand in Sichtweite ist. Stellt man
ihn zur Rede, bekommt man rotzfrech erklärt,
dass er natürlich auf der Eins angefangen habe.
Geht es ihm zu langsam, hüpft er weiter auf eine
andere Spielbahn, die augenblicklich zu seiner
neuen Nummer 1 wird.
Schon wieder ertönt der Refrain von „We are
the champions“ in Maximallautstärke, denn das
Mobiltelefon meines Mitspielers steht niemals
still. Sofort reißt der offenbar ungemein wichtige
Zeitgenosse sein plärrendes Handy aus der Tasche
und fängt an, lautstark zu parlieren – egal ob man
sich gerade im Rückschwung befindet oder nicht.
Beim Kennenlernen am ersten Abschlag meinte
er noch freundlich grinsend, es könne sein, dass
er mal „ganz kurz“ telefonieren müsse. Ich hätte
antworten sollen, es könne auch sein, dass er sich
im Verlauf der Runde eine schmerzhafte Kopf-
verletzung zuzieht.
„Auch’n Bier“, grinst mich meine neue Vier-Stun-
den-Bekanntschaft nach dem ersten Schlag des
Tages an und schwenkt auffordernd eine Dose.
In seinem Golfcart befindet sich die Grundaus-
rüstung für ein mobiles Oktoberfest und schon
nach wenigen Bahnen beginnt der Mensch beim
Ansprechen des Balls sichtlich zu schunkeln.
In seiner Welt ist Golf nur cool, wenn man sich
dabei sinnlos betrinken kann. Mit steigendem
Alkoholpegel werden Dinge wie Anstand, Etikette
oder allzu viele Konsonanten einfach über Bord
geworfen und er führt sich auf wie ein britischer
Pauschalreisetourist an der Bar eines All-inclu-
sive-Hotels. Im Grunde hat man nur drei Optio-
nen: Ignorieren, mitmachen oder das Problem
mit einem beherzten Schubser ins nächstgelegene
Wasserhindernis dezent aus der Welt schaffen.
Perfektion ist unerreichbar, diese Erkenntnis gilt
für alle Golfer. Doch nicht jeder kann sich mit der
menschlichen Fehlbarkeit abfinden und regt sich
deshalb fortwährend über das eigene Spiel auf.
Bevor dieser Typ Golfer nicht 18 Holes-in-one auf
einer Runde erzielen konnte, wird er nicht glück-
lich werden. Doch das wird er schon deshalb
kaum erleben, weil ihm zuvor die vor Wut zum
Zerreißen angeschwollenen Halsschlagadern
platzen werden. Als Mitspieler wird man maxi-
mal bei der Begrüßung am ersten Abschlag zur
Kenntnis genommen, dafür bekommt man eine
erstaunliche Fülle Vokabeln zu hören, die es nie
in einen Duden schaffen werden.
Gt
Man kann es sich
nicht aussuchen ...
»Auf einemGolf-
platz lernt man
viele interessante
Menschen kennen.
Die meisten
vergisst man schnell
wieder, manche
werden Freunde
fürs Leben, über
andere schreibt man
diese Kolumne«