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SCHWEIZER GEMEINDE 3 l 2015

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SOZIALES

Bleiben die Kosten an der Gemeinde hängen,

sträubt sich die Exekutive

Ambulant vor stationär, so will der Bund die Pflege auch in Zukunft

gewährleisten. Entlastung für pflegende Angehörige bieten Tagesstätten,

sie dürfen aber nicht zu teuer sein, sagt Ruth Köppel im Interview.

«SG»: Der Bund will pflegende Ange-

hörige besser unterstützen. Bedarf be-

steht bei sogenannten Entlastungsan-

geboten wieTagesstätten.Wie gross

ist dieser Bedarf?

Ruth Köppel: Ganz vorweg: Tagesstätten

sind nicht nur Angebote, um zu verhin-

dern, dass pflegende Angehörige selber

krank werden, sondern sie sind im um-

fassenderen Sinne ein Mittel, um das

Ziel ambulant vor stationär zu verfolgen.

Der Bedarf an Tagesplätzen kann auf

verschiedene Art errechnet werden. Ich

habe dafür einen Vorbildkanton gesucht

und seine Bedarfswerte ermittelt. Fün-

dig geworden bin ich beim Kanton Ba-

sel-Stadt. Hier zahlt ein Gast für eine

allgemeine Betreuung nur 39 Franken

und für eine Demenz-Spezialbetreuung

54 Franken, und es gibt genügend Ta-

gesplätze. Rechnet man die Basler Ge-

gebenheiten hoch, so benötigt die

Schweiz rund 6800 Tagesplätze. Oder

greifbarer: Die Stadt Luzern mit ihren

80000 Einwohner/innen und 15000 Se-

nior/innen würde 76 Plätze benötigen,

die Stadt Uster mit 33000 Einwohner/

innen 25 Plätze und die Gemeinde

Bauma mit gut 4000 Einwohnern und

Einwohnerinnen drei Plätze.

Übrigens: Die Bedarfswerte sind im

Schlussbericht enthalten, und jede Ge-

meinde kann selber ausrechnen, wie

viele Plätze sie unter basel-städtischen

Verhältnissen brauchen würde.

Das Angebot für Betagte ist schon

heute gross.

Ja, in den meisten Schweizer Gemein-

den setzt sich eine Vielzahl von Organi-

sationen und Menschen für die Betagten

ein. Viele Gemeinden haben eine Bro-

schüre und eine Website mit allenAnge-

boten, eine Beratungsstelle, welche hilft,

sich in der Vielfalt zurechtzufinden, und

periodische Koordinationstreffen der in

der Altersarbeit tätigen Personen und

Organisationen. Anspruchsvoller ist der

Umgang mit Angebotslücken. Zum Teil

sind diese nur mit einer vertieften Ana-

lyse erkennbar, und diese wird in der

Regel im Rahmen eines Alterskonzeptes

erarbeitet. Das Resultat zeigt dann unter

anderem, wie gross das Potenzial bezüg-

lich des Ziels ambulant vor stationär ist.

Gemeinden, welche das alles machen,

machen bereits sehr vieles gut.

Wo ist Handlungsbedarf?

Handlungsbedarf sehe ich auch beim

Bund und bei einemTeil der Kantone vor

allem bezüglich der heutigen Finanzie-

rung der ambulanten und stationären

Pflege und Betreuung. Zum Beispiel

macht mir die Entwicklung in denjenigen

Kantonen Sorgen, in welchen aus-

schliesslich die Gemeinden die Pflegeres-

tkosten für ihre Einwohner und Einwoh-

nerinnen bezahlen müssen. Hier haben

die Exekutiven Angst vor den Folgekos-

ten zuziehender Senioren, und sie sträu-

ben sich deshalb oft gegen den Bau zu-

sätzlicher Alterswohnungen − diese sind

aber ein sinnvolles Angebot, welches in

ein paar Jahren fehlen wird!

Es gibt Tagesstätten, die nicht

genügend ausgelastet sind.Warum?

Ja, es gibt nicht wenigeTagesstätten, wel-

che immer wieder Probleme mit derAus-

lastung haben. Das war auch der Grund,

warum ich nach erfolgreichen Praktiken

suchen wollte. Einerseits waren da die

Berechnungen der Alzheimervereini-

gung, welche einen grossen zusätzlichen

Bedarf an Tagesplätzen auswiesen, und

anderseits die Meldungen über Tages-

stättenschliessungen wegen eines Man-

gels an Gästen. Meiner Meinung nach

sind in den meisten Kantonen die zu ho-

hen Tarife der primäre Grund für eine

ungenügende Auslastung. Beispielweise

zahlt ein Gast bei den von mir befragten

19 Tagesstätten für einen Besuch bis zu

172 Franken proTag. Hinzu kommen die

Kosten für den Fahrdienst.

In vielen Schweizer Gemeinden setzen sich Organisationen und

Bild: zvg

Menschen tagtäglich für die Betagten ein.