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Mit der Herstellung von Rezepturen

können Apotheker gezielt auf die

individuellen Bedürfnisse ihrer Pati-

enten eingehen und damit das per-

fekte Arzneimittel mit der perfekt

angepassten Dosierung und Zusam-

mensetzung jedermann zur Verfü-

gung stellen. Als wichtiges Stand-

bein der zunehmenden

personalisierten Medizin wird daher

die Rezeptur trotz des hohen Ange-

bots an industriellen Fertigpräpara-

ten auch zukünftig noch mehr an

Bedeutung gewinnen. Über die ver-

schiedenen Einflussfaktoren auf die

Qualität von halbfesten Zubereitun-

gen und Kapseln wurde schon vie-

lerorts ausgiebig berichtet. Da es

aber dennoch immer wieder zu

Minder- oder Überdosierungen ins-

besondere bei niedrigdosierten Re-

zepturarzneimitteln kommt, wer-

den die wichtigsten

Qualitätsaspekte im Folgenden in

kurzer und übersichtlicher Form er-

neut zusammengefasst. Ebenso

werden neuste Erkenntnisse aus

Untersuchungen des Zentrallabora-

toriums (ZL) präsentiert, die bele-

gen, dass die in diversen Rezepturen

häufig angenommene Stabilität kei-

neswegs immer gegeben ist.

Trotz aller Sorgfalt kann es bei der

Herstellung von Rezepturen in der Hektik

des Apothekenalltags zu Fehlern kommen.

Diese äußern sich beispielsweise in mehr-

fachen Überdosierungen des Wirkstoffes,

wie im Falle einer zehnfach höheren Me-

thadon-Konzentration einer Take-Home-

Lösung für einen Substitutionspatienten,

einer zehnfach höheren Amilorid-Konzen-

tration in rezepturmäßig hergestellten

Hartkapseln oder einer deutlich höheren

Salicylsäure-Konzentration in einer Sali-

cylsäure-haltigen Salbe.

1

Aber auch Wirk-

stoffverwechslungen können zu fehlerhaf-

ten Rezepturen führen. So kam es durch

die Verwechslung von Amphetamin mit

Atropin und Kalium chloricum mit Kalium

chloratum bereits zu nicht unerheblichen

klinisch relevanten Intoxikationen.

1

Eben-

so kann eine mangelnde Wirkstoffstabili-

tät oder Inkompatibilität des Wirkstoffes

mit Hilfsstoffen bzw. Füllstoffen zu einem

geringeren Wirkstoffgehalt führen.

Häufigste Ursachen für Rezepturfehler

In der Regel erfolgt die Rezepturherstel-

lung in öffentlichen Apotheken unter

erheblichem Zeitdruck während des lau-

fenden Apothekenbetriebs durch eine

einzelne Person. Unter diesen Bedingun-

gen kann es leicht zu Flüchtigkeitsfeh-

lern kommen. Davor schützt auch nicht

das Gefühl einer „trügerischen Routine“.

Ebenso können Ablenkungen, Rechen-

fehler, Falscheinwaagen, nicht beachtete

Einwaagekorrekturen oder mangelnde

Terminologie-Kenntnisse zu folgeschwe-

ren Fehlern führen. Vor diesem Hinter-

grund ist es umso wichtiger, die folgen-

den Regeln bei der Rezepturherstellung zu

beachten.

2,3

Cave Verzicht auf Vier-Augen-Prinzip

Während ohne das Vier-Augen-Prinzip in

der pharmazeutischen Industrie nichts

mehr läuft, wird es in Apotheken immer

noch nicht so vehement angewendet, wie

es sein sollte. Das ist bedauerlich, zumal

sich dadurch viele Fehler bei der Rezep-

turherstellung vermeiden lassen, wie fol-

gendes Fallbeispiel aus dem internetge-

stützten Fehlerberichts- und Lernsystem

CIRS (Critical Incident Reporting-System)

der Apothekerkammern Nordrhein und

Westfalen-Lippe zeigt.

4

Was ist passiert?

Für einen Säugling wurden in einer Apo-

theke Captopril 2 mg Kapseln in zwei Her-

stellungsvorgängen à 60 Kapseln herge-

stellt. Die Herstellungsanweisung wurde

jedoch für die einmalige Herstellung von

120 Kapseln erstellt. Demzufolge müss-

te bei der Herstellung von 60 Kapseln die

Einwaage entsprechend halbiert werden.

Es wurde jedoch Captopril für 120 Kap-

seln eingewogen aber es sind lediglich 60

Kapseln hergestellt worden. Damit waren

die hergestellten Kapseln doppelt so hoch

dosiert wie verordnet. Zum Glück wurde

der Fehler bei nochmaliger Durchsicht des

Herstellungsprotokolls vor der Abgabe der

Kapseln an den Patienten bemerkt und da-

mit größeren Schaden von dem Patienten

abgewendet.

Zwei Fehler haben zu diesem Ereig-

nis geführt: einmal eine unklare Herstel-

lungsanweisung und zum anderen der

Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip bei der

Einwaage.

Gemäߧ 35Abs. 6Apothekenbetriebs-

ordnung (ApBetrO) muss die Herstellungs-

anweisung für parenterale Arzneimittel

auch die Kontrolle der Berechnungen, der

Qualität von

halbfesten

Zubereitungen und

Kapseln

Wichtige Aspekte in der Praxis

Prof. Dr. Mona Abdel-Tawab ist seit 2011 die stellvertreten-

de wissenschaftliche Leitung des Zentrallaboratoriums

Deutscher Apotheker und Qualified Person gemäß Direk-

tive 2001/83/EG.

Prof. Dr. Mona Abdel-Tawab

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /

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PROF. DR. MONA ABDEL-TAWAB