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GOLF TIME
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6-2016
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RYDER CUP
Vor allem nach der „Mutter aller Niederlagen“
beim Ryder Cup 2012 in Medinah herrsch-
te kollektive Ratlosigkeit im roten Lager, die
jedoch vorerst kein Umdenken auslöste, ganz
imGegenteil. Mit der Ernennung des 63-jähri-
gen Tom Watson zum Kapitän für Gleneagles
2014 bekam das volle Ausmaß der Hilf- und
Planlosigkeit der PGA of America stoffliche
Form. Basierend auf dem schlichten Gedan-
ken „Tom hat 1993 den letzten Auswärtssieg
eingefahren“ setzte man alle Hoffnungen auf
die lebende Golflegende – 21 Jahre nach dessen
letztem Engagement. Schnell zeigte sich, dass
die Uhren im Kopf des achtfachen Major-
Siegers schon lange stillstehen, und anstelle
von einstigen Führungsqualitäten herrschte
altersstarrsinnige Beratungsresistenz vor.
Von den modernen Erfolgsstrategien eines
Paul Azinger, der 2008 in Abstimmung mit
den Führungsspielern Team-Cluster bildete,
die optimal harmonierten, wollteWatsonnichts
wissen. Losgelöst vom eigenen Team werkelte
der Senior lieber im stillen Kämmerlein vor
sich hin und traf hinsichtlich der Aufstellung
bei den Vierball-Wettbewerben entsprechend
katastrophale Entscheidungen. Die Schuld an
den verlorenen Punkten wälzte er auf seine
Spieler ab. Im Beisein ihrer Begleiterinnen
und Caddies brüskierte er die zwölf gestande-
nen PGA Tour-Stars erst durch das Zurück-
weisen eines Team-Geschenks und erstickte
im Anschluss mit einer Wutrede, in der er die
Spieler als „miserabel“ bezeichnete, auch den
letzten Rest an Teamgeist im Keim.
taSk Force
Nur wenige Wochen, nachdem
Europa erneut den Sieg feiern konnte, wurde
in den USA eilig eine Ryder Cup Task Force
ins Leben gerufen. Mit zwei Jahren Vorlauf
sollte sie dafür sorgen, dass 2016 endlich
wieder die Farbe Rot auf dem Leaderboard
dominiert. Neben drei Offiziellen der PGA
of America gehörten die Ex-Kapitäne Davis
Love III (2012), Tom Lehman (2006) und
Raymond Floyd (1989) sowie Tiger Woods,
Phil Mickelson, Steve Stricker, Jim Furyk und
Rickie Fowler zu diesem Arbeitskreis.
Schnell spaltete das Gremium die Golf-
fachwelt. Warum wurde Paul Azinger als
einziger siegreicher Kapitän im 21. Jahrhun-
dert nicht wenigstens eingebunden oder bes-
ser noch, gleich zum Kapitän ernannt? Auch
Fred Couples, der immerhin drei Presidents
Cup-Siege als Kapitän vorweisen kann und
sich bei den Spielern großer Beliebtheit er-
freut, blieb außen vor. Stattdessen einigte sich
die illustre Runde erneut auf Davis Love III
und ernannte ausgerechnet den Mann zum
Kapitän, der sinnbildlich für die dunkelste
Ryder Cup-Stunde der USA steht. Seine ersten
Amtshandlungen bestanden aus der Vorgabe,
an den Vormittagen die Foursomes spielen zu
lassen und die Anzahl der Wild Cards von
zwei auf vier zu erhöhen. Die Namen der vom
Kapitän ins Team berufenen Spieler will Love
allerdings erst am 11. (drei Picks) bzw. am 25.
September bekanntgeben.
Als großer Coup wurde die Ernennung
von Tiger Woods zum Vizekapitän gefeiert.
„Tiger ist vor allem an den strategischen As-
pekten interessiert“, schwärmt Love vom
langzeitverletzten Superstar. „Er wird mit mir
das Team durch passende Wild Card-Picks
abrunden bzw. kleine Gruppen auswählen
und aus diesen die möglichen Paarungen
zusammenstellen. Mehr als
jeder andere ist Tiger unser
Taktiker.”
Wenig
überraschend
setzt Love also auf das von
Paul Azinger entwickelte
Cluster-System, um bei den
Vierball-Partien maximale
Effektivität zu generieren.
Es wäre jedenfalls kurios,
wenn es ausgerechnet dem Prototyp des
einsamen Wolfs, Tiger Woods, gelänge, die
Chemie von zwölf Einzelkämpfern rich-
tig anzumischen, um wahren Teamgeist zu
destillieren.
trumpF-aSSe
Mit derlei grundlegenden
Neuausrichtungen muss sich der Titelvertei-
diger nicht herumschlagen. Kapitän Darren
Clarke verfügt mit Olympiasieger Justin Rose,
Open-Champion Henrik Stenson, Masters-
Gewinner Danny Willett oder Landsmann
Rory McIlroy über vier Trumpf-Asse und
kann zudem auf eine traditionell ver-
FruSttage in rot
Oft fehlten nur wenige
Millimeter zum er-
sehnten Sieg der USA
gute Freunde
Die Kapitäne
Davis Love und Darren Clarke
pflegen seit vielen Jahren ein
enge Freundschaft
geSchmackSSache
Zum Erscheinungsbild der
Amerikaner gehört im Wesent-
lichen die eigene Fahne,
Europa bevorzugt dezente
Farbzitate der Euro-Flagge