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Götz SchmiedehauSen

Autor des essenziellen Leitfadens

durch die Welt des Golfwahnsinns

in Buchform: „Golf oder

gar nichts!“ Ist auch noch nach

fünf Jahren stolz auf seine Formu-

lierung: „Handicap-Schoner sind

ein hässlicher Pickel auf dem Anus

des Golfsports“.

GÖTZ

ZITAT

I

n Ausgabe 2/2012 veröffentlichte ich schon

einmal eine Kolumne zum Thema „Handi-

cap-Schoner“. Der DGV vermutet in

seiner ca. 650.000 Clubgolfer umfassenden

Gemeinde nur etwa 100 notorische „Sand-Bagger“,

die sich gerne auf dem schmalen Grat zwischen

Bogey und Double-Bogey verstecken, der sich

über die Distanz von 18 Golfbahnen jedoch zu

einem wahren Grand Canyon der Niedertracht

ausdehnen kann. Möchte man diese glücklicher-

weise recht exotische (doch leider nicht vom Aus-

sterben bedrohte) Spezies also aus nächster Nähe

studieren, muss man ihre favorisierten Jagdreviere

kennen. Hochdotierte Veranstaltungen, bevor-

zugt im nichtvorgabewirksamen Team-Format

ausgetragen, üben eine geradezu magische Anzie-

hungskraft auf den gemeinen Handicap-Schoner

aus. Dank einer glücklichen Fügung konnte ich

im Dezember 2016 „undercover“ an der Final-

reise einer deutschlandweit ausgetragenen Tur-

nierserie einer großen Tageszeitung teilnehmen,

die als Hotspot des besagten Personenkreises gilt.

Die Mehrzahl der 60 Qualifikanten zu dieser

Finalreise bestand jedoch aus grundehrlichen

Zeitgenossen, die zum ersten Mal in den Genuss

der Teilnahme gekommen waren und die sich seit

ihremerfolgreichenQualifikationsturnier redlich

bemüht hatten, ihre Vorgabe weiter zu senken.

Doch es gab auch Martina (Hcp. 36) und Andreas

(Hcp. 33) aus Süddeutschland. Selbst der Veran-

stalter weiß nicht mehr, wie oft das Paar schon

das Ticket für die Finalreise gelöst hat. Martina

erzählte mir beim Abendessen, wie schön und

vor allem günstig dieser jährliche Urlaub doch

sei. Golf spiele sie eigentlich gar nicht gerne,

vielmehr sei Tennis ihre Leidenschaft. Andreas

hingegen verstehe selbst nicht, warum er kein

besseres Handicap habe. Nur beim alljährlichen

Qualifikationsturnier mutieren die beiden zu

wahren Golfmaschinen und spielen selten unter

45 Nettopunkten. Im Laufe des Abends deutete

Andreas in Richtung des Nebentisches und

raunzte mir verschwörerisch zu: „Das da drüben,

das sind alles Betrüger!“

Die so im Handumdrehen denunzierten Mit-

reisenden können ebenfalls auf eine langjährige

Turnierhistorie zurückblicken. Das Teammit-

glied Thomas, einen adretten Endfünfziger mit

sportlicher Figur, lernte ich am nächsten Tag als

einen meiner Flightpartner kennen. Golf sei seine

größte Leidenschaft im Leben, erklärte Thomas

mir. Doch sein vergleichsweise hohes Handicap

spiegelte seine Passion in keiner Weise wider.

Ebenso wenig wollte es zu den qualitativ hoch-

wertigen Schlägen passen, die er aus dem Hut

zauberte – mit denen er jedoch nur erstaunlich

wenige Nettopunkte generierte. Stattdessen wurde

ich erstmals selbst Zeuge, wie ein Handicap-

Schoner das „unauffällige“ Einstreuen kleiner

Fehler zur Kunstform erhebt, um den Score im

Rahmen zu halten. Schließlich ging es bei dem

Finalreiseturnier nur noch um die Ehre. Also im

Grunde nichts, was für diesen Herrn wirklich

von Interesse gewesen wäre.

Ein Lernschritt, den das Siegerteam der Veran-

staltung, das mit einer geradezu unanständig

hohen Punktzahl ins Ziel kam, wohl erst noch

vollziehen muss. Die vier hoffnungsvollen Nach-

wuchs-Handicap-Schoner gewannen jedenfalls

auch den (von mir ausgelobten) Preis für „Maxi-

male Unverfrorenheit bei der Rechtfertigung der

krassen Diskrepanz zwischen der vorgetragenen

Spielstärke und dem lausigen Handicap“: „Wir

nehmen nicht am Clubleben teil. Wir spielen nur

Privatrunden und keine Turniere.“ Aber zur Teil-

nahme am Qualifikationsturnier zum Gewinn

der Reise hatte man sich offenbar gerne herab-

gelassen. Und die Abkürzung „EDS“ steht bei

diesen halbseidenen Zeitgenossen natürlich für

„Extrem dreiste Schummler.“

Aber im Grunde sind die Veranstalter dieser und

anderer attraktiver Turnier-Serien selbst an dem

Parasitenbefall schuld. Es gäbe unzählige Ansätze,

dem Treiben effektiv Einhalt zu gebieten. Da es

sich meist umWiederholungstäter handelt, müsste

man, wie es bspw. die Porsche Serie vormacht,

einfach ein Turnier-Handicap führen. Oder man

legt eine Obergrenze für das Team-Handicap

fest, das in der Summe bspw. nicht über 18 liegen

darf. Derzeit steht jedoch der Sieger der Veran-

staltungen, an denen Andreas, Martina, Thomas

und Co. teilnehmen, schon vor dem ersten Schlag

fest. Denn es heißt auch 2017 wieder: „Und jähr-

lich grüßt das Murmeltier.“

Gt

Schonbereich

ohne

Schambereich

Teil 2

»Der Handicap-

Schoner versteckt

sich gerne im

schmalen Grat

zwischen Bogey und

Double-Bogey,

der sich über die

Distanz von

18 Golfbahnen

jedoch zu einem

wahren Grand

Canyon der Nieder-

tracht ausdehnen

kann«

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1-2017

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