Blickpunkt Schule 3/2020

?? Welchen Gewinn sehen Sie hier für Ihre Personalplanung? Hartung: Hier kann ich guten LiVs oder Personen im unteren Bereich der Ranglisten eine Perspektive an meiner Schule bieten, wenn ich deren Fächer jetzt im Umfang von neun oder zehn Unterrichtsstunden gebrauchen kann. Für in vier Jahren kann ich dann die Planungen so steuern, dass ich die Fä- cher mit voller Stelle benötige. Dieses klappt allerdings nur, wenn ich nicht überbesetzt bin. Und es gibt derzeit einige überbesetzte Gymnasien! Ganß: Bislang keinen. Hierfür wären verlässliche Planungsgrößen über längere Zeiträume nötig. Solange Schulträger von Jahr zu Jahr über die Zügigkeiten der Schulen entscheiden, sind die Planungsmöglichkeiten ein- geschränkt. Wirth: Ich möchte diese Maßnahme als Instrument der längerfristigen Personalgewinnung nutzen und ge- zielt Kolleginnen und Kollegen für meine Schule gewinnen. Ich möchte interessante Lehrerpersönlichkeiten mit Rangplätzen zwischen fünf und zehn für meine Schule gewinnen. ? Sind Ihnen die Fächer benannt worden, die vorrangig an Grund- schulen benötigt werden und könn- ten Sie Lehrkräfte dieser Fächer in ausreichendemMaß zur Verfügung stellen? Hartung: Es wird nicht überraschen, dass vermutlich Deutsch und Mathe- matik gewünscht sein wird. Hier habe ich keine Überhänge. Vielleicht wird auch Sport und Musik angefordert. Musik ist Mangelfach am Gymnasium und ich persönlich habe an meiner Schule auch keinen Überhang in Sport. Ganß: Es wurde meines Wissens noch keine entsprechende Abfrage an Grundschulen des Schulamtsbezirks durchgeführt. Hätte man dies getan, wäre es sehr viel leichter gewesen, Kolleginnen und Kollegen gezielt an- zusprechen, ob sie zu einer Abord- nung bereit wären.

Kollegium nur eine Lehrkraft, die sich eine Teilabordnung vorstellen kann. Der Personalrat war irritiert, weil wohl der Hauptpersonalrat in Wiesbaden von der Maßnahme nichts wusste und nicht beteiligt wurde. Ganß: Gelächter, Irritation und Ent- setzen. Nicht einmal zehn Prozent des Kollegiums sind grundsätzlich zu einer freiwilligen Abordnung bereit. Die Be- denken überwiegen. Wirth: Mein Kollegium hat zurück- haltend reagiert. ?? Die geplante Maßnahme setzt ja implizit voraus, dass die Gym- nasien tendenziell überbesetzt sind oder zumindest noch viele Rang- listenbewerber zur Verfügung stehen. Können damit durch die geplante Maßnahme an Ihrer Schule Lehrkräfte für sogenannte Mangel- fächer gewonnen werden? Hartung: In den Ranglisten gibt es Bewerberinnen und Bewerber, das kann man nicht abstreiten. Die Be- werberinnen und Bewerber ’verweilen’ aber nur dann lange in den Ranglis- ten, wenn die Fächerkombination un- günstig ist. Das ist sie dann aber für die Grundschule erst recht! Sinn macht meines Erachtens die zweite angedachte Maßnahme, näm- lich die Vorrangeinstellung von Gym- nasiallehrkräften, die bereit sind, mit einem deutlichen Stundenanteil für vier Jahre an die Grundschule abge- ordnet zu werden. Ganß: Mangelfächer sind nicht um- sonst Mangelfächer. Ich sehe hier gar keine bis sehr geringe Möglichkeiten. Für eine langfristige Planung hätten schon in den vergangenen Jahren ge- rade in Mangelfächern Einstellungen über den Bedarf hinaus vorgenom- men werden müssen, um auch kurz- fristig auf Bedarfe reagieren zu kön- nen. Dies ist trotz massiver Forderun- gen der Gewerkschaften nicht ge- schehen. Wo jetzt plötzlich entspre- chende Bewerberinnen und Bewerber herkommen sollen, erschließt sich mir nicht.

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BLICKPUNKT Schule Klartext

Bild: maroke/AdobeStock

amtsangemessenen Alimentierung erhielte eine neue Brisanz. Organisatorisch sind die Abordnun- gen nur bei kurzen Wegen denkbar. Fraglich ist auch, welche Fächer denn abgeordnet werden sollen. Deutsch, Englisch, Mathematik, Kunst, Musik und Sport, die wenigstens noch vom Fächernamen kompatibel wären, ste- hen nicht in großer Zahl zur Verfü- gung. Viele Gymnasien haben selbst einen Mangel an Lehrkräften. Formal sehe ich schwerwiegende Be- denken, ob denn Zwangsabordnungen von der Sekundar- in die Primarstufe vor Gericht Bestand hätten. Lehrkräfte haben schließlich einen Anspruch auf einen amtsangemessenen Einsatz. Meines Wissens wurden auch die Gremien der Personalvertretungen noch nicht in das Verfahren eingebun- den. Damit steht die Maßnahme auf juristisch tönernen Füßen. Wirth: Eventuell pädagogische Pro- bleme in der Anfangsphase, diese sind aber mittelfristig behebbar. Die Kolle- ginnen und Kollegen mit gymnasia- lem Lehramt sind sehr gut ausgebil- det, daher wird es langfristig zu kei- nen pädagogischen, organisatori- schen oder formalen Problemen kom- men. Die Maßnahme kann positiv zum besseren Verständnis zwischen Gym- nasien und Grundschulen beitragen. ?? Welche Reaktionen gibt es auf dieses Vorhaben in Ihrem Kollegium? Hartung: Das Entsetzen des Kollegi- ums war groß. Es gibt in meinem

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