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Kleine Seilbahnen, grosse Berge, freundliche
Bergbauern – und «Buurebähnli»: So heissen die
allgegenwärtigen und privat betriebenen
Mini-Bergbahnen.
Muuuhhhh! Die Kühe, an denen wir
vorbeigehen, beobachten uns mit einer Mi-
schung aus Scheu und Neugier. Widerwillig
weichen sie zur Seite, als wir in Skischuhen, die
Ski auf der rechten Schulter und die Stöcke in
der linken Hand, den Stall betreten. Hier riecht
es nach Land: eine Mischung aus Kuhfladen
und Heu. Für die Rinder sind wir mit unseren
knallbunten Freerider-
Outfits offensichtlich ein
seltener Anblick. Als wir die
Stalltür aufstossen, blendet
uns das Licht einen Moment
lang. Doch dann sehen wir
die schneebedeckten Gipfel
vor uns liegen. Ich lasse den Kuhstall Oberalp-
Bauernhofs mit dem deutlichen Gefühl hin-
ter mir, einer Gefahr entronnen zu sein. Weit
unter uns liegen das Engelbergertal und die
Seilbahnstation Diegisbalm, von der aus die
kleine Vierpersonen-Kabine in die Höhe steigt.
Die Sache ist die: Ich mag Tiere nicht
besonders. Ich streichle sie nicht. Ich esse sie
nicht. Katzen, die mir um die Beine streichen,
schubse ich freundlich, aber bestimmt, weg.
Hunde, die mit mir spielen wollen, strafe ich mit
Nichtachtung. Alles, was ich von Tieren will, ist:
in Ruhe gelassen werden. Als mein guter Freund
und langjähriger Kollege Fredrik Schenholm
vorschlug, eine Skitour mit Schweizer «Kuhlif-
ten» zu machen, war ich daher skeptisch. Leider
hatte ich wohl auch nur sehr selektiv hingehört,
denn als er mir zum ersten Mal davon erzähl-
te, drangen nur die folgenden Informationen
zu mir durch: «Das wird ein Abenteuer»; «Wir
brauchen nicht ganz vom Tal hochzulaufen,
denn die Lifte bringen uns auf eine Höhe von
fast 1500 m»; «Massenhaft unberührtes Terrain»
und «Wenige oder gar keine anderen Freerider».
Als wir von Oscar Hübinette, einem Ski-
fahrer aus Engelberg, die Nachricht erhielten,
dass in den Bergen ums Tal Schnee gefallen sei,
machten wir uns auf, das Gebiet zu erkunden. In
den folgenden Tagen fuhren wir mit dem Auto
los und parkten nahe den winzigen Seilbahnsta-
tionen. Wir fuhren Ski und tranken Kaffee und
selbstgebrannten Schnaps mit den Bergbauern,
von denen uns viele zu sich nach Hause einlu-
den. Wir unternahmen mehrere Skiausflüge und
konnten dabei oft ganz alleine
die herrlichsten Pulverschnee-
pisten geniessen. Doch zurück
zu den Kühen auf der Oberalp.
Nachdem wir den Stall
verlassen und sich unsere Au-
gen an das helle Sonnenlicht
gewöhnt haben, spüre ich eine gewisse Panik in
mir aufsteigen. Vor mir stehen neun Kühe. Frei
und nicht angebunden. Sie glotzen mich an und
machen Lärm. Damit und mit ihren Hörnern ma-
chen sie mir mehr Angst, als ich hier wiederge-
ben kann. Ich bewege mich so weit wie möglich
von ihnen weg und gehe so nah wie möglich am
Elektrozaun entlang – immer noch besser, einen
Stromschlag zu riskieren, als von einer dieser
schleimigen Zungen abgeschleckt zu werden.
Als wir die Rinder in sicherer Entfernung hinter
uns gelassen haben, schnallen wir unsere Skier
an und gehen los. Meine Reisebegleiter kichern,
erheitert durch meine Panik. Wir folgen einem
schneebedeckten Pfad hinauf zur Lochhütte-Alp.
Etwas weiter im Tal stossen wir auf ein vielver-
sprechendes Skigebiet, das vom Gräfimattstand
(2050 m.ü.M.) zur Rechten und der Kernalp sowie
dem steilen Arvigrat zur Linken eingekesselt
liegt. Der Ski-Spielplatz bietet vielfältige Ter-
rains und einen Höhenunterschied von 400 m.
Und mir wird plötzlich klar, warum ich hier bin!
Kuhlifte inder Schweiz
The “cow lifts” of Switzerland
Text: Anders Wingqvist, Fotos: Fredrik Schenholm*
«Endlich liegt Schnee! Zeit für
uns, die Berge zu erkunden.»
*Fredrik Schenholm ist Aben-
teuerfotograf und Geologe
mit Vorliebe für Vulkane.
Anders Wingqvist ist
Ski-Journalist.
*Fredrik Schenholm: Adventure
photographer and geologist with
a passion for volcanoes Anders
Wingqvist: Ski journalist
Die Bahn hat Platz für
vier Personen.
The cable car can hold
four people.