TRAINING |
SPORTPHYSIO
84
GOLF TIME
|
5-2016
www.golftime.deEINFACH ZUM
NACHDENKEN
KREUZ WORT RÄTSEL
Bei vorgebeugtem Oberkörper im
Durchschwung entstehen gefährlich hohe Belastungen für die
Wirbelsäule. Das muss nicht sein.
D
a man von fast allen Spitzensportlern
hört, dass sich ihre guten Leistungen
leicht angefühlt haben, ist dieser
Grundsatz wohl auch für den Golf-
sport gültig. Was sind nun die Voraussetzun-
gen, damit sich ein Golfschwung leicht anfühlt?
Wir können an dieser Stelle rein mechanisch
denken und uns überlegen, wann Bauteile
stark belastet werden. Bei dieser Analyse fällt
auf, dass besonders Biegemomente zu hohen
Belastungen führen. Stellen wir uns als Bei-
spiel eine Säule vor. Wird diese genau entlang
ihrer Achse belastet, dann kann sie große Kräfte
übertragen. Ist sie geknickt oder gebogen, dann
treten in der Säule hohe Spannun-
gen auf, die frühzeitig zum Versagen
führen.
Bedenken wir nun, dass während
des Golfschwunges der Schläger auf-
grund der Zentrifugalkraft kräftig an
den Armen zieht, dann ist eine stark
vorgebeugte Haltung ungünstig.
Somit ergibt sich, dass bei der Ver-
wendung kurzer Schaftlängen und
dadurch entstehender deutlichen
Vorneigung des Oberkörpers erhöh-
te Kräfte in der Wirbelsäule entste-
hen. Daran ändert es auch nichts, wenn Ihr
Schläger für Sie gefittet wurde. Somit wäre
die erste Schlussfolgerung, dass man bei
genügend stabilen Handgelenken eher längere
Schäfte verwenden sollte.
WARUM WIRD DIESE TATSACHE OFT NICHT
BERÜCKSICHTIGT?
Schaut man sich unterschiedlich große Per-
sonen an, dann fällt auf, dass alle ähnlich lange
Schläger verwenden. Es wird behauptet, dass
größere Personen auch längere Arme haben
und deshalb keine deutlich längeren Schläger
brauchen. Stellen wir aber verschieden große
Golfer mit denselben Gelenkswinkeln neben-
einander, dann ergibt sich bei den Größeren
eine deutlich erhöhte Distanz entlang des
Schaftes zum Boden. Um diesen Unterschied
klein zu halten, wird bei größeren Spielern oft
der Leiwinkel verändert. Der Spieler muss dann
im Handgelenk überstrecken und die Gefahr für
einen Golfellbogen steigt. Als nächsten Schritt
gibt es, so viel ich gelesen habe, eine Korrektur-
tabelle, in der für große Golfer die Schaftlänge
nach unten korrigiert wird. Das können wir uns,
auf einen anderen Fall übertragen, folgender-
maßen vorstellen.
Sie gehen in ein Schuhgeschäft und der
Verkäufer misst bei Ihnen Schuhgröße 44.
Anschließend wird Ihnen gesagt, dass große
Personen die Zehen mehr krümmen müssen,
und aufgrund der Korrekturtabelle
bekommen Sie Schuhgröße 42.
Wahrscheinlich werden Sie mit
diesem Schuh nicht glücklich. Der
Vorteil für das Schuhgeschäft, die
Lagerhaltung für Schuhgrößen 39
bis 42 ist einfacher als die von 36
bis 47. Für mich als Physiker liegt
die Vermutung nahe, dass ähnliche
Überlegungen zu Berechnungs-
methoden beim Fitten führen.
Je länger der Schaft des Golf-
schlägers ist, umso leichter muss
der Schlägerkopf werden. In kleinem Rahmen
lassen sich diese Unterschiede gut verkraften,
bei deutlich erhöhten Schaftlängen müssten
jedoch leichtere Schlägerköpfe produziert wer-
den. Falls dem so ist, wäre das für die Fertigung
und für die Lagerhaltung von Nachteil.
Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen,
dass es auch Gründe gibt, aus denen kürzere
Schäfte tatsächlich von Vorteil sind. Vielleicht ist
es leichter, den Ball gut zu treffen, oder es las-
sen sich die Schlagweiten besser steuern. Aber
wurde Ihnen schon einmal angeboten, tatsäch-
lich einen Schläger mit 3,5 Inch Überlänge zu
probieren? Einfach einmal zu spüren, wie sich
der Golfschwung mit einer etwas aufrechteren
Körperhaltung anfühlt. Ein riesen Fortschritt ist
Die unterschiedliche Rumpfkrümmung und
Neigung ist bei diesen Spielern gut zu erkennen.
Die Bewegung von Ian Woosnam (1) ist rücken-
schonender als die von Dustin Johnson (2)
DR. CHRISTIAN
HAID
Biomechaniker,
Universitätsklinik
Innsbruck
es ja schon, dass es wesentlich mehr Fairway-
hölzer gibt als früher, da diese ja meistens auch
längere Schäfte haben als die entsprechenden
Eisen. Aber in mir keimt der Verdacht auf, dass
das Geschäftsmodell, zusätzliche Hölzer zu
verkaufen, der Lösung, Eisen mit längeren
Schäften zu vertreiben, vorzuziehen ist.
So habe ich als Physiker und Biomechaniker
einfach nur einmal laut gedacht. Vieles blieb
unberücksichtigt und ich bin mir sicher, dass
diejenigen, die seit Jahren mit voller Über-
zeugung und in hoher Qualität fitten, mir einige
Gegenargumente bringen können.
Für den Golfer bleibt jedoch der Belastungs-
effekt für die Wirbelsäule. Je stärker ich im
Schwung vorgeneigt bin, umso größer ist in
den meisten Fällen die Belastung der Wirbel-
säule. Um die Leichtigkeit im Golfschwung zu
fühlen, ist das kontraproduktiv.
GT
1
2