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GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN
Autor des essenziellen Leitfadens
durch die Welt des Golfwahn-
sinns in Buchform: „Golf oder gar
nichts!“ Traf Rory McIlroy erstmals
2004 während eines Jugend-
Turniers. Damals war Rory ein
kleiner, pummeliger Junge mit
einer surrealen Frisur. Auf die
Frage: „Wo siehst du dich in zehn
Jahren“, antwortete der 15-jährige
Knabe: „Als Nummer 1 der Welt“.
Heute ist McIlroy an der Weltspitze
angekommen, hat nun aber
mindestens einen Fan der ersten
Stunde weniger
Liebe kommt,
Liebe geht
I
ch gebe offen zu, Cristiano Ronaldo
konnte ich noch nie leiden. Er ist ein eitler
Selbstdarsteller, der keine Gelegenheit
auslässt, beim Jubeln seinen Astralkörper
zu präsentieren. Sein makelloses Sixpack schreit
mich dabei lautstark an, sofort alles stehen und
liegen zu lassen und ins nächste Fitnessstudio
zu rennen.
Doch im Verlauf des EM-Finales erwischte ich
mich dabei, dass mir dieser CR7 plötzlich richtig
sympathisch wurde. Schuld daran war die un-
sportliche Aktion von Dimitri Payet, der einzig
darauf abzielte, den portugiesischen Superstar
zu verletzen. Trotz starker Schmerzen versuchte
Ronaldo immer wieder, mit Bandagen und stark
humpelnd weiterzumachen. Schließlich musste
er sich unter Tränen auswechseln lassen. An der
Außenlinie versuchte Cristiano dann, sein Team
zumindest als Motivator zu unterstützen – mit
Erfolg. Portugal gewann die Europameisterschaft
und alle liebten Ronaldo – sogar ich.
Später erfuhr ich, dass in Cristianos Oberkörper
Marke „Photoshop“ sogar ein richtig gutes Herz
schlägt. So lässt er sich bspw. nicht tätowieren,
um Blut spenden zu können, und er teilt seinen
Reichtum gerne und reichlich mit weniger privi-
legierten Mitmenschen, jedoch ohne dies immer
an die große Glocke hängen zu müssen.
Dass es in puncto „kleine Ursache, große Wir-
kung“ auch ganz fix in die entgegengesetzte
Richtung gehen kann, zeigt das Beispiel Rory
McIlroy. Während einer Pressekonferenz er-
klärte der Nordire, dass er Golf spiele, um
Majors zu gewinnen, nicht um die Entwicklung
des Spiels zu fördern.
Zwar muss man die ungefilterte Ehrlichkeit
des jungen Mannes anerkennen, doch in seiner
Position als Aushängeschild des Golfsports,
Werbe-Ikone und Publikumsmagnet hätte er sich
kaum ungeschickter ausdrücken können. Bei
einem Versuch, seine Worte einige Tage später
mit etwas Abstand zu relativieren, sprang er
nochmals beidfüßig ins gleiche Fettnäpfchen:
„Die nächste Generation kann Golf spielen oder
es sein lassen. Das wird mich nicht mehr oder
weniger glücklich machen.“
Offenbar hat McIlroy überhaupt nicht begriffen,
worum es im Profigolf geht, einer Sportart, für
die sich – anders als bspw. beim Fußball, Boxen
oder Skifliegen – fast ausschließlich Menschen
begeistern, die diesen Sport auch selbst aktiv aus-
üben. Als Tiger Woods sukzessive von der Golf-
bühne verschwand, sanken die Einschaltquoten,
es gab weniger Preisgeld zu gewinnen und diverse
Events mussten komplett aus dem Turnierkalen-
der gestrichen werden. Damals glaubte man, mit
dem „Celtic Tiger“ ein neues Zugpferd entdeckt
zu haben, das die Menschen ähnlich wie Woods
für Golf und damit auch für die Übertragungen
der Turniere begeistern könne. Umso erstaun-
licher ist es, dass ausgerechnet der Nordire heute
glaubt, sich aus dem „Circle of Life“ im Golfsport
einfach so herausnehmen zu können.
Besucht man heute Golfanlagen in Nordirland,
findet man in jedem Clubhaus gerahmte Foto-
grafien und Pappaufsteller des berühmten Lands-
mannes. Für die Betreiber ist er schlicht Synonym
für die positive Entwicklung des Spiels, von der
nicht weniger als ihre gesamte Existenz abhängt.
Viel Applaus wird Rory dort für seine Meinung
wohl kaum ernten. Zudem scheint McIlroy ver-
gessen zu haben, dass jeder neue Golfer natürlich
auch ein potenzieller Kunde ist, der sich für die
von McIlroy beworbenen Produkte entscheidet.
Insofern war Rorys Aussage nicht nur enorm
egoistisch, sie war zudem auch selbstschädigend.
Es wird nicht leicht werden für den nordirischen
Weltstar, die vergraulten Fans wieder zurückzu-
gewinnen. Dazu gibt es zu viele echte Sympathie-
träger im Sport, deren wahres Gesicht manchmal
viel schöner ist als ihr Image.
GT
»Die nächste
Generation kann
Golf spielen oder
es sein lassen.
Das wird mich
nicht mehr oder
weniger glücklich
machen «
Rory McIlroy
GÖTZ
ZITAT
www.golftime.deGOLF TIME
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5-2016
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