Previous Page  93 / 100 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 93 / 100 Next Page
Page Background

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN

Autor des essenziellen Leitfadens

durch die Welt des Golfwahn-

sinns in Buchform: „Golf oder gar

nichts!“ Traf Rory McIlroy erstmals

2004 während eines Jugend-

Turniers. Damals war Rory ein

kleiner, pummeliger Junge mit

einer surrealen Frisur. Auf die

Frage: „Wo siehst du dich in zehn

Jahren“, antwortete der 15-jährige

Knabe: „Als Nummer 1 der Welt“.

Heute ist McIlroy an der Weltspitze

angekommen, hat nun aber

mindestens einen Fan der ersten

Stunde weniger

Liebe kommt,

Liebe geht

I

ch gebe offen zu, Cristiano Ronaldo

konnte ich noch nie leiden. Er ist ein eitler

Selbstdarsteller, der keine Gelegenheit

auslässt, beim Jubeln seinen Astralkörper

zu präsentieren. Sein makelloses Sixpack schreit

mich dabei lautstark an, sofort alles stehen und

liegen zu lassen und ins nächste Fitnessstudio

zu rennen.

Doch im Verlauf des EM-Finales erwischte ich

mich dabei, dass mir dieser CR7 plötzlich richtig

sympathisch wurde. Schuld daran war die un-

sportliche Aktion von Dimitri Payet, der einzig

darauf abzielte, den portugiesischen Superstar

zu verletzen. Trotz starker Schmerzen versuchte

Ronaldo immer wieder, mit Bandagen und stark

humpelnd weiterzumachen. Schließlich musste

er sich unter Tränen auswechseln lassen. An der

Außenlinie versuchte Cristiano dann, sein Team

zumindest als Motivator zu unterstützen – mit

Erfolg. Portugal gewann die Europameisterschaft

und alle liebten Ronaldo – sogar ich.

Später erfuhr ich, dass in Cristianos Oberkörper

Marke „Photoshop“ sogar ein richtig gutes Herz

schlägt. So lässt er sich bspw. nicht tätowieren,

um Blut spenden zu können, und er teilt seinen

Reichtum gerne und reichlich mit weniger privi-

legierten Mitmenschen, jedoch ohne dies immer

an die große Glocke hängen zu müssen.

Dass es in puncto „kleine Ursache, große Wir-

kung“ auch ganz fix in die entgegengesetzte

Richtung gehen kann, zeigt das Beispiel Rory

McIlroy. Während einer Pressekonferenz er-

klärte der Nordire, dass er Golf spiele, um

Majors zu gewinnen, nicht um die Entwicklung

des Spiels zu fördern.

Zwar muss man die ungefilterte Ehrlichkeit

des jungen Mannes anerkennen, doch in seiner

Position als Aushängeschild des Golfsports,

Werbe-Ikone und Publikumsmagnet hätte er sich

kaum ungeschickter ausdrücken können. Bei

einem Versuch, seine Worte einige Tage später

mit etwas Abstand zu relativieren, sprang er

nochmals beidfüßig ins gleiche Fettnäpfchen:

„Die nächste Generation kann Golf spielen oder

es sein lassen. Das wird mich nicht mehr oder

weniger glücklich machen.“

Offenbar hat McIlroy überhaupt nicht begriffen,

worum es im Profigolf geht, einer Sportart, für

die sich – anders als bspw. beim Fußball, Boxen

oder Skifliegen – fast ausschließlich Menschen

begeistern, die diesen Sport auch selbst aktiv aus-

üben. Als Tiger Woods sukzessive von der Golf-

bühne verschwand, sanken die Einschaltquoten,

es gab weniger Preisgeld zu gewinnen und diverse

Events mussten komplett aus dem Turnierkalen-

der gestrichen werden. Damals glaubte man, mit

dem „Celtic Tiger“ ein neues Zugpferd entdeckt

zu haben, das die Menschen ähnlich wie Woods

für Golf und damit auch für die Übertragungen

der Turniere begeistern könne. Umso erstaun-

licher ist es, dass ausgerechnet der Nordire heute

glaubt, sich aus dem „Circle of Life“ im Golfsport

einfach so herausnehmen zu können.

Besucht man heute Golfanlagen in Nordirland,

findet man in jedem Clubhaus gerahmte Foto-

grafien und Pappaufsteller des berühmten Lands-

mannes. Für die Betreiber ist er schlicht Synonym

für die positive Entwicklung des Spiels, von der

nicht weniger als ihre gesamte Existenz abhängt.

Viel Applaus wird Rory dort für seine Meinung

wohl kaum ernten. Zudem scheint McIlroy ver-

gessen zu haben, dass jeder neue Golfer natürlich

auch ein potenzieller Kunde ist, der sich für die

von McIlroy beworbenen Produkte entscheidet.

Insofern war Rorys Aussage nicht nur enorm

egoistisch, sie war zudem auch selbstschädigend.

Es wird nicht leicht werden für den nordirischen

Weltstar, die vergraulten Fans wieder zurückzu-

gewinnen. Dazu gibt es zu viele echte Sympathie-

träger im Sport, deren wahres Gesicht manchmal

viel schöner ist als ihr Image.

GT

»Die nächste

Generation kann

Golf spielen oder

es sein lassen.

Das wird mich

nicht mehr oder

weniger glücklich

machen «

Rory McIlroy

GÖTZ

ZITAT

www.golftime.de

GOLF TIME

|

5-2016

93