SCHWEIZER GEMEINDE 1 l 2016
36
Abfälle: Systemwechsel aus
Bequemlichkeit?
«Trennen an der Quelle», heisst das Schweizer Abfallkonzept, dem seit zwei
Generationen nachgelebt wird. Säcke für gemischte Kunststoffe sind zwar
bequem, aber sie stellen das System auf den Kopf. Mit Folgen.
Aktuell werden nur etwa 90000 der jähr-
lich anfallenden rund 780000 Tonnen
Kunststoffabfälle wiederverwertet. Die
existierenden Sammelsysteme (etwa für
PET-Flaschen und das im Volksmund
«Sagex» genannte EPS) sind so ausge-
legt, dass Recycling ohne spätere Sortie-
rung möglich ist. Dies verlangt, dass die
Abfälle von den Konsumenten sorten-
rein getrennt werden. «Hier haben wir
enorm viel erreicht», sagt Hans Ulrich
Schwarzenbach, Vorsitzender der Fach-
gruppe Abfallwirtschaft der Organisa-
tion Kommunale Infrastruktur (OKI), «in
Deutschland und Frankreich werden wir
darum benieden.»
Beliebte Sammelsäcke
In mehreren Regionen werden neu auch
gemischte Kunststoffe aus Haushalten
eingesammelt. Das Angebot kommt von
der öffentlichen Hand, aber auch private
Anbieter drängen auf den Markt. Und
die Säcke erfreuen sich zunehmender
Beliebtheit, wie jüngst im «St. Galler
Tagblatt» zu lesen war. Kein Wunder,
statt den Müll aufwendig zu sortieren,
steckt man alles in einen Sack. Sortiert
wird später. In den Kehrichtsäcken sam-
meln sich Berge von Verpackungsmate-
rial, aus verschiedensten Plastiksorten.
Entsprechend fordern viele, dass dieses
Material zu rezyklieren, statt zu verbren-
nen sei. Ziel ist, die wertvollen Polymere
wieder zu verwerten.
In Zug wird die Bringsammlung ge-
mischter Kunststoffe Ende Jahr einge-
stellt. Die grünliberale Gemeinderätin
Michèle Kottelat wehrt sich dagegen.
Sie hat eine Interpellation eingereicht
und kritisiert, dass im Stadtzuger Ökihof
nur noch PET-Flaschen und Behälter aus
PE separat angenommen und rezykliert
werden. «Die wertvollen Plastikabfälle
werden verbrannt und vernichtet»,
schreibt sie und spricht vom «Dikat» des
Zweckverbands der Zuger Einwohnerge-
meinden für die Bewirtschaftung von
Abfällen (Zeba).
Ökologie vs. Ökonomie
Der einzige Player am Markt, der ge-
mischte Kunststoffe nach der Sammlung
sortiert, reinigt und danach wiederver-
wertet, ist die Firma Innorecycling. Das
Unternehmen mit Sitz in Eschlikon und
einemWerkhof in Winterthur ist auf den
Handel und die Entsorgung von Rohstof-
fen spezialisiert. «Etwa 50 Prozent der
gesammelten Kunststoffe lassen sich
wiederverwerten, der Rest wird der ther-
mischen Verwertung zugeführt», sagt
Geschäftsführer Markus Tonner gegen-
über der «Berner Zeitung». Aus der wie-
derverwertbaren Ware werden neue
Produkte wie Kabelrohre oder Kleider-
bügel hergestellt. Der Rest wird ver-
brannt. Das Konzept zeigt, «dass sich
Ökologie und Wirtschaftlichkeit prob-
lemlos miteinander verbinden lassen»,
sagt der Geschäftsführer.
Subvention der Privatwirtschaft
Hans Ulrich Schwarzenbach, Geschäfts-
führer des Zeba, erklärt: «Eine Analyse
von Kunststoffabfällen in der Zentral-
schweiz hat verschiedene Faktoren ver-
glichen und kommt zum Schluss, dass
der Umweltnutzen von separat gesam-
melten Kunststoffabfällen steigt, je grös
ser die Menge ist.» So weit macht das
ABFALL
Die Schweizer sortieren den Abfall, bevor sie ihn entsorgen.
Bild: czd
Fehlwürfe sind selten, die Qualität der Fraktionen ist deshalb hoch.