SCHWEIZER GEMEINDE 4 l 2016
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GEMEINDEPORTRÄT
Mendrisio
Politische Gemeinde Tessin, Hauptort
des gleichnamigen Kreises und Be-
zirks, amAbhang des Monte Generoso
gelegen. Rund dreissig Gräber, Sarko-
phage und Grabsteine, Münzen aus
der Republiks- und Kaiserzeit sowie
Überreste einer Villa bei der Kirche
Santa Maria zeugen von einer Besied-
lung des Ortes in römischer Zeit. 1140
wurde Mendrisio selbstständige Ge-
meinde in der Grafschaft Seprio. Unter
der (ab 1521 anerkannten) Herrschaft
der Eidgenossen wurde Mendrisio
Hauptort der gleichnamigenVogtei; ab
dem 17. Jh. residierte der Landvogt im
Palazzo Rusca.
In der Neuzeit wuchs der Ortskern
über die Moreebrücke hinaus in die
Gebiete um bedeutende Gebäude
wie den Palazzo Pollini sowie einige
Bauernhöfe wie den sogenannten
Matagh. Dem Fluss entlang entstan-
den Papierfabriken, Mühlen, Bier-
brauereien und 1873 die grosse Spin-
nerei Torriani-Bolzani. Die grössten
demografischen und baulichen Ver
änderungen brachte die 2. Hälfte des
19. Jh. Der Ort wuchs in derVerlänge-
rung seiner Hauptachse.Während die
in Halbpacht betriebene Landwirt-
schaft in eine Krise geriet, führte der
Bau der Eisenbahn zur Entstehung
eines zweiten diversifizierten Indust-
riezentrums unterhalb der Bahnlinie.
Nach dem 2. Weltkrieg dehnte sich
diese Industriezone, in der v.a. Grenz-
gänger beschäftigt wurden, über die
Prati di Santo Martino aus. Im Süden
Mendrisios baute der Kanton wich-
tige öffentliche Gebäude: 1898 die
neuropsychiatrische Klinik, 1944 die
Markthalle sowie Schulen, darunter
1996 die Architekturfakultät der Uni-
versità della Svizzera italiana. Zwi-
schen dem Bahnhof und dem alten
Ortskern entstanden neben Wohn-
bauten zahlreiche Betriebe des
Dienstleistungssektors, der 2000
mehr als dreiViertel der Arbeitsplätze
anbot. Im selben Jahr war mehr als
die Hälfte der in MendrisioWohnhaf-
ten Wegpendler, während die Zu-
pendler zwei Drittel der Erwerbstäti-
gen in Mendrisio ausmachten; zwei
Fünftel der Beschäftigten waren
Grenzgänger.
Renato Simoni, Historisches Lexikon
der Schweiz, Version vom 24.11.2009,
www.hls-dhs-dss.chDie Gemeinde im HLS
in der Grundausbildung sowie 700 Stu-
dierenden in der Weiterbildung. Der
Standort wurde bewusst gewählt, um
Synergien mit der Architekturakademie
zu schaffen. «In Mendrisio wird es ein
Kompetenzzentrum geben, das alle As-
pekte rund um die Themen Umwelt und
Bau umfasst», sagt SUPSI-Sprecherin
Rina Corti.
Dank diesen Initiativen entwickelt sich
Mendrisio zusehends von einem klei-
nen Bezirkshauptort zu einem urbanen
Pol. Mit dem Zusammenschluss der
Gemeinden hat Mendrisio zudem kul-
turell an Kontur gewonnen, ist sogar zu
einem wichtigen Standort für Kunstmu-
seen geworden. Neben dem Kunstmu-
seum von Mendrisio (Museo d’arte)
beherbergt die Gemeinde auch das Mu-
seo Vela in Ligornetto, ein Landes-
museum, die Pinacoteca Züst in Ran-
cate sowie das Fossilienmuseum in
Meride.
Trotz diesem kulturellen Angebot wird
Mendrisio von Touristen wohl noch für
einige Zeit mit Shopping gleichgesetzt
werden. Das Outlet-Center Foxtown mit
Auslaufmodellen italienischer Edelmar-
ken zieht Jahr für Jahr rund drei Millio-
nen Kunden an. Auch Araber, Chinesen
und Japaner sind hier Stammgäste. Es
bleibt zu hoffen, dass diese dereinst
auch den Charme des eigentlichen Ortes
Mendrisio entdecken. Oder vielleicht
auch einmal zu den historischen Oster-
prozessionen oder herbstlichenWeinfes-
ten kommen, für die Mendrisio ebenfalls
bekannt ist.
Gerhard Lob
Informationen:
www.mendrisio.chDauerthemen in
Mendrisio: Verkehr, A2,
Outlet-Center Foxtown.
Bild: Mendrisiotto Turismo