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JURISPRUDENCE

102

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poenale

2/2008

Art. 51 Abs. 1 und 3, 91 Abs. 1, 91a Abs. 1, 92 Abs. 1 SVG, Art. 54

Abs. 1 und 2VRV: Vereitelung vonMassnahmen zur Feststellung

der Fahrunfähigkeit, Nachtrunk.

Ist infolge eines (behaupteten) Nachtrunks die zuverlässige Er­

mittlung der Blutalkoholkonzentration für einen massgebenden

Zeitpunkt nicht möglich, kann dem Fahrzeugführer ein Fahren in

angetrunkenem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG nicht zur Last

gelegt werden. Den Fahrzeugführer trifft aber eine Strafbarkeit

nach Art. 91a Abs. 1 SVG, sofern die Anordnung einer Blutprobe

objektiv sehr wahrscheinlich war, er dies subjektiv erkannte und

in Kauf nahm, den Zweck dieser Massnahme zu vereiteln. (Reges­

te der Schriftleitung)

Art. 51 al. 1 et 3, 91 al. 1, 91a al. 1, 92 al. 1 LCR, Art. 54 al. 1 et 2

OCR: dérobade aux mesures visant à déterminer l‘incapacité de

conduire, coup de l‘étrier.

Un conducteur ne peut pas être condamné pour ivresse au volant

selon l’art. 91 al. 1 LCR si, du fait d’un (prétendu) coup de l’étrier,

il n’est pas possible d’établir de manière fiable la concentration

d’alcool dans le sang à un moment déterminant. Le conducteur

est toutefois punissable conformément à l’art. 91a al. 1 LCR dès

lors que la prescription d’une prise de sang était objectivement

très vraisemblable, que l’intéressé a subjectivement reconnu cette

circonstance et qu’il a accepté de faire échouer la mesure. (Résu­

mé de la rédaction)

Art. 51 cpv. 1 e 3, 91 cpv. 1, 91a cpv. 1, 92 cpv. 1 LCStr, art. 54 cpv.

1 e 2 ONC: Elusione di provvedimenti per accertare l’incapacità

alla guida, ingestione successiva di alcol.

Qualora, a causa di una (asserita) ingestione successiva di alcol,

non fosse possibile accertare in maniera attendibile il tasso di al­

colemia al momento determinante, al conducente del veicolo non

può essere addebitata la guida in stato di ebrietà ai sensi dell’art.

91 cpv. 1 LCStr. Il conducente del veicolo è tuttavia punibile ai

sensi dell’art. 91a cpv. 1 LCStr se era oggettivamente molto pro­

babile che una prova del sangue sarebbe stata ordinata, costui,

dal punto di vista soggettivo, lo riconobbe ed accettò l’eventuali­

tà di eludere lo scopo di questo provvedimento. (Regesto a cura

della Direzione della rivista)

Sachverhalt:

Im Winter 2005 fuhr X. des nachts mit seinem Wagen in eine

Schneemade und kollidierte mit dem dortigen Zaun. Nachdem er

festgestellt hatte, dass er nicht mehr weiterfahren konnte, verliess

X. das Fahrzeug und begab sich nach Hause, ohne den Unfall zu

melden. Am nächsten Morgen wurde er von der Kantonspolizei

aufgesucht und nach positivem Atemlufttest einer Blutprobe zuge­

führt. X. machte geltend, in der vergangenen Nacht in einem

Restaurant zwei Gläser Wein und nach dem fraglichen Unfall zu

Hause eine halbe Flasche Wodka (3.5 dl) getrunken zu haben.

Unter Berücksichtigung des behaupteten Nachtrunks wurde eine

Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt von 0.2 bis 1.14

Gewichtspromille errechnet. ImMärz 2007 wurde X. vom Bezirks­

gerichtsausschuss Hinterrhein unter anderem wegen Vereitelung

von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss

SVG 91a Abs. 1 verurteilt. Das Kantonsgericht Graubünden hat

die von X. eingereichte Berufung abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

[…]

5. c. Unwesentlich ist im vorliegenden Fall die Blutalko­

holkonzentration von X. während der Fahrt. Dem Beru­

fungskläger kann ein Fahren in angetrunkenem bzw. fahr­

unfähigem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG nicht zur

Last gelegt werden. Zu prüfen bleibt daher, ob X. gegen Art.

91a Abs. 1 SVG verstossen hat.

d. […] Seit dem 1. Januar 2005 sind die Tatbestände des

Fahrens in fahrunfähigem Zustand (Art. 91 SVG) bzw. der

Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrun­

fähigkeit (Art. 91a SVG; bisher Art. 91 Abs. 3 aSVG) in

Kraft. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art.

91 Abs. 3 aSVG erfüllt die Unterlassung der Meldung eines

Unfalls an die Polizei dann den objektiven Tatbestand von

Art. 91 Abs. 3 aSVG, wenn der Fahrzeuglenker gemäss Art.

51 SVG zur Meldung verpflichtet und die Benachrichtigung

der Polizei möglich war und wenn bei objektiver Betrach­

tung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls sehr

wahrscheinlich eine Blutprobe angeordnet hätte. Ob die An­

ordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war, hängt von

den Umständen des konkreten Falles ab. Dazu gehören ei­

nerseits der Unfall als solcher (Art, Schwere, Hergang) und

anderseits der Zustand sowie das Verhalten des Fahrzeug­

lenkers vor und nach dem Unfall bis zum Zeitpunkt, an dem

die Meldung spätestens hätte erfolgen müssen (BGE 109 IV

137 E. 2a, 114 IV 148 E. 2). Der Fahrzeuglenker musste

dann im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG mit einer Blutpro­

be rechnen, wenn diese sehr wahrscheinlich war und er die

die hoheWahrscheinlichkeit begründenden Umstände kann­

te. Das Erfordernis der hohen Wahrscheinlichkeit gilt mit­

hin auch unter der Herrschaft des neuen Rechts, durch das

der Gesetzgeber der langjährigen bundesgerichtlichen Recht­

sprechung Rechnung getragen hat (BGE 120 IV 73 E. 1 b

und E. 2). Unabhängig von den gesetzlichen Verhaltens­

pflichten bei Unfall kann auch die Einnahme von Alkohol

nach einem Ereignis, das Anlass zur Anordnung einer Blut­

probe bilden kann, beziehungsweise die Behauptung eines

solchen Nachtrunks den Tatbestand von Art. 91a Abs. 1

SVG erfüllen. Voraussetzung ist objektiv, dass die Anord­

nung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war und durch

den behaupteten Nachtrunk die zuverlässige Ermittlung der

Blutalkoholkonzentration für den massgebenden Zeitpunkt

verunmöglicht wurde, und subjektiv, dass der Fahrzeuglen­

ker die Anordnung einer Blutprobe als sehr wahrscheinlich

erkannte und in Kauf nahm, den Zweck dieser Massnahme

zu vereiteln (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts

vom 22. Dezember 2006, 6S.359/2005, E. 2.4).

e. Der Selbstunfall ereignete sich nachts gegen 01.30 Uhr.

X. gab sowohl vor der Polizei wie auch vor dem Untersu­

chungsrichter zu Protokoll, zuvor zwei Gläser Wein getrun­

ken zu haben. Trotz schneebedeckter Fahrbahn war die Kan­

tonsstrasse zum Unfallzeitpunkt problemlos befahrbar,

zumal X. die örtlichen Verhältnisse bestens kannte. Der Be