Blickpunkt Schule 2/2024

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes

Ausgabe 2/2024 · D 30462

SCHULE

Hessischer Philologenverband

• Pädagogische

•Personalrats-

•Tarif-

Tagung

wahlen

verhandlungen

Foto: DragonImages/AdobeStock

SCHULE Inhalt | In eigener Sache 2

Editorial

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Titelthema » Begabungs- und Begabten- förderung in Hessen » InnoLabSchool – Innovation Laboratorium School » Wer, wie, was – ist QuaMath? » Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten » Kulturdenkmäler und Denk- malschutz für die Begabten- förderung nutzbar machen Bericht » Digitalisierung und KI – den Schulalltag effektiv meistern 16 Vorankündigung » Einladung zur Vertreterversammlung 23 hphv intern » Mitglieder werben (Neu-)Mitglieder 24 » Neue Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle 24 » Pensionsberechnung 24 » »Ich dachte, ich sei im Alter gut versorgt.« 25 » ‘Neue Wege in der Lehrkräftebildung’ 26 » ‘Fit und innovativ in der Schule. Gesund im Gymnasium’ 27 » Die Ausschüsse des hphv stellen sich vor 28 Personalratswahlen » Die Forderungen des dlh für die Personalratswahlen 2024 30 » dlh-Wahlvorschlag 2024 30 » 3 x 3 Fragen an … 32 4 8 9 13 15

Zudem kommen die drei Spitzenkandidaten des hphv auf der dlh-Wahlliste mit ihren Einstellungen und Plänen zu Wort. An die ser Stelle möchte ich Sie in meiner Funktion als dlh-Landesvorsitzender eindringlich darum bitten, wählen zu gehen und dem dlh Ihre Stimme zu geben. Motivieren Sie auch Ihre Kolleginnen und Kollegen dazu und verweisen Sie auf die Erfolge des dlh unter dem Dach des dbb Hessen gerade in finanzieller Hinsicht: erfolgreiche Klage ge gen die verfassungswidrige Besoldung, zwei Besoldungserhöhungen um jeweils drei Prozent, Tarifabschluss 2024 (s.u.) , Fortführung des Landestickets usw. Schließlich geht es um das liebe Geld: Am 15. März 2024 konnte bei den Tarif- verhandlungen eine Einigung zwischen den Tarifparteien erzielt werden, die auch auf die Beamtinnen, Beamten und Versor gungsempfänger übertragen werden soll. Welche Inhalte sie umfasst und wie die Forderungen der Beschäftigten vom dbb Hessen durchgesetzt werden konnten, darum geht es am Ende des Heftes. Ich wünsche Ihnen wie immer eine anre gende Lektüre, vielleicht ja während einer Abituraufsicht. Starten Sie gut ins Frühjahr und bleiben Sie gesund! Ihr

von BORIS KRÜGER

K urz nach den Osterferien erreicht Sie eine sehr umfangreiche Ausgabe von Blickpunkt Schule . Das liegt daran, dass wir dieses Mal nicht bloß ein Schwerpunkt thema haben, sondern gleich vier. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt in dieser Ausgabe auf der Begabtenförderung. Namhafte Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen (HMKB) informieren über die laufenden Aktivitäten ihrer Behör de. Ergänzt werden diese eher theoreti schen Ausführungen durch zwei Beispiele aus der Praxis von hphv-Mitgliedern. Ebenfalls einen großen Teil des Heftes nimmt die reichlich bebilderte Bericht- erstattung über die Pädagogische Tagung in Weilburg am 22. und 23. Februar 2024 ein. Sie stand unter dem Motto ‘Digitali sierung und KI – den Schulalltag effektiv meistern’. Die Ergebnisse sämtlicher Work shops finden sich in dieser Ausgabe. In die Zukunft blicken wir mit dem Thema Personalratswahlen. Diese finden am 14. und 15. Mai 2024 statt. Blickpunkt Schule stellt die Forderungen sowie die Kandidatinnen und Kandidaten des dlh vor.

» Boris Krüger ist neuer dlh-Landesvorsitzender

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» Von Süd nach Nord

Tarifverhandlungen » Den öffentlichen Dienst nicht kaputtsparen » Das Tarifergebnis im Detail Senioren » Gesund und resilient in den und im Ruhestand Teil 2

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Boris Krüger

Werben in

Anzeigenannahme: Caroline Dassow dassow@dphv-verlag.de Telefon: 0211 3558104

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» KI und Enkeltrick 2.0

Personalien » Geburtstage » Wir trauern um

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Mediadaten: https://www.dphv-verlag.de/mediadaten/

Impressum

74. Jahrgang | ISSN 0723-6182 Verleger: Hessischer Philologen- verband e.V. Die Zeitschrift »BLICKPUNKT SCHULE« des Hessischen Philologenverbandes erscheint fünfmal im Jahr 2024. Der Hessische Philologenverband ist der Gesamtverband der Lehre rinnen und Lehrer an den Gymna sien in Hessen sowie an Schulen mit gymnasialem Bildungsange bot. Er ist der Fachverband im Deutschen Beamtenbund, Lan desbund Hessen (dbb), er ist dem Deutschen Lehrerverband Hessen (dlh) und durch den Deutschen Philologenverband (DPhV) dem Deutschen Lehrerverband (DL) angeschlossen. Für den Inhalt verantwortlich: Der Vorstand des Hessischen Philologenverbandes. Chefredaktion: Boris Krüger (V.i.S.d.P.) Mail: blickpunkt-schule@hphv.de Mit dem Namen der Verfasser gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hessischer Philologenverband e.V. Geschäftsstelle: Schlichterstraße 18 Mail: hphv@hphv.de Web: www.hphv.de Bank: Volksbank Odenwaldkreis BIC: GENODE51MIC IBAN: DE30 5086 3513 0004 3579 73 Der Verkaufspreis ist durch die Mitgliedsbeiträge abgegolten. Verlag und Anzeigenverwaltung: Pädagogik & Hochschul Verlag Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf Tel.: 0211 3558104 Fax: 0211 3558095 Mail: dassow@dphv-verlag.de Satz und Layout: Tel.: 0211 1795965 Fax: 0211 1795945 Mail: heinemann@dphv-verlag.de 65185 Wiesbaden Tel.: 0611 307445 Fax: 0611 376905 www.dphv-verlag.de Anzeigenverwaltung:

Editorial

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schuljahr ist in seine letzte Phase eingetreten und somit ist es Zeit für eine kurze Bilanz: Vor den Osterferien hat die Einkom mensrunde 2024 für Hessen einen guten Abschluss gefunden: Die dbb Tarifkommission unter der Leitung von Heinrich Roßkopf hat zusammen mit Heini Schmitt und Volker Geyer (Fachvorstand Tarifpolitik dbb Bund) nach intensiven Verhandlungen ein Ergebnis für uns erreicht, welches den hessischen Landesbeschäftigten bis Anfang Januar 2026 ein ordentliches Lohnplus beschert. Sicher, man kann sich immer mehr wünschen und ver dient wäre es aufgrund der weitaus stärker gestiegenen Inflation seit der letzten Runde im Herbst 2021 allemal. Wichtig ist jetzt, dass seitens der Lan desregierung wie angekündigt weitere Schritte angegangen werden, welche die Besoldungstabellen für Hessen auf ein verfassungskonformes Niveau anheben. Natürlich wird es von den politisch Verantwortlichen heißen, es sei kein Geld mehr da, die Kassen sei en leer. Hier müssen wir hartnäckig bleiben, damit das Urteil aus dem November 2021 endlich zeitnah um gesetzt wird. Das Hessische Ministerium für Kul tus, Bildung und Chancen hat mit der Anpassung der Kerncurricula gymna siale Oberstufe (KCGO) und der Kern curricula berufliches Gymnasium (KCBG) im informellen Beteiligungs verfahren sowie der Ankündigung der verstärkten Deutschförderung an Grundschulen mit ersten konkreten Umsetzungen begonnen. Jetzt gilt es, auch die Belastungen der Kolleginnen und Kollegen in den Blick zu nehmen, die sich gerade in den Monaten der Abiturprüfungen von April bis Juni

von VOLKER WEIGAND Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes

enorm verdichtet. Hessens Gymnasi allehrkräfte leisten hier wie jedes Jahr sehr gute Arbeit, benötigen aber drin gend spürbare Verbesserungen. Trotz der Neigung vieler Kolleginnen und Kollegen zur ‘Selbstoptimierung’ in schwierigen Situationen und zu krea tiven Lösungen vor Ort sollte hier ein klares Zeichen erfolgen. Gespannt warten auch unsere Mitglieder zudem auf die Weiterentwicklung des Faches Digitale Welt und die Fortsetzung des Digitalpakts. Verbandsintern gehen wir weitere Schritte: Der Bereich Social Media wird mit dem Start des abonnierbaren WhatsApp-Kanals und der Vorberei tung eines weiteren Instagram-Auf tritts neben dem der Jungen Philolo gen in den kommenden Monaten aus gebaut. Auch wollen wir die Anerken nung der aktiven Mitarbeit im hphv stärker als bisher würdigen. Ein herzliches Willkommen gilt unserer neuen Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle, Sabrina Bröker. Sie verstärkt dort das Team um Dr. Iris Schröder-Maiwald, Katja Gontermann und Stephan F. Dietz. Jetzt gilt es, am 14. und 15. Mai die Personalratswahlen auf allen Ebenen erfolgreich zu bestreiten. Gehen Sie zur Wahl, wählen Sie den dlh – für eine starke Personalratsarbeit!

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Ihr

SCHULE

Volker Weigand

Titelthema

Begabungs- und Begabtenförderung in Hessen D ie individuelle Förderung ist Kernaufgabe aller Schulen. Die Förderung von begabten zung unserer Schulen und für die Beratung von Eltern: Die bega bungsdiagnostische Beratungsstelle BRAIN wurde an der Philipps-Univer

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Handeln über alle Parteigrenzen hin weg selbst verpflichtet haben und Le maS für eine Laufzeit von zehn Jahren geplant wurde – einen Zeitraum, der dem Zeitbedarf von schulischen Ent wicklungsprozessen Rechnung trägt. Damit ist ein Modell initiiert worden, an dem sich inzwischen weitere ge meinsame Programme von Bund und Ländern ein Beispiel genommen ha ben. Die Bund-Länder- Initiative ‘Leistung macht Schule’ (LemaS) Die LemaS-Initiative ‘Leistung macht Schule’ (LemaS) startete im Januar 2018 bundesweit mit 300 Schulen überwiegend der Primarstufe und Se kundarstufe I, darunter 21 hessische Schulen. Das Ziel ist die Entwicklung von Instrumenten, Maßnahmen und Konzepten zur Förderung leistungs starker und potenziell besonders leis tungsfähiger Schülerinnen und Schü ler mit Fokus auf dem Regelunterricht. Eine Besonderheit ist die Unterstüt zung durch einen Forschungsverbund aus Wissenschaftlerinnen und Wis senschaftlern, die in den ersten fünf Jahren unmittelbar mit Lehrkräften und Schulleitungen zusammengear beitet haben. In der zweiten Phase (LemaS-Transferphase) werden seit 2023 die Erkenntnisse und erprobten Produkte der ersten Phase an neu hinzugekommene Schulen weiterge geben. In Hessen arbeiten derzeit ins gesamt 66 Schulen der ersten Phase mit Schulen, die neu an LemaS teil

Schülerinnen und Schülern ist Teil die ser Kernaufgabe. Ob und wie die indi viduelle Förderung gelingt, entschei det sich mit den und durch die Men schen, die mit unseren Kindern und Jugendlichen unmittelbar in Bezie hung stehen, mit ihnen arbeiten, sie in ihrer Entwicklung begleiten und un terstützen: unsere Lehrkräfte und Schulleitungen sowie alle Menschen weiterer Professionen in unseren Schulen. Um bei ihrer Arbeit in der Be gabungs- und Begabtenförderung die größtmögliche Wirkung zu entfalten, sind unter anderem bedarfsgerechte Strukturen und weitere Expertinnen und Experten notwendig, die bei Be darf unterstützen und beraten. Dies zu gewährleisten und die landeswei ten Strukturen entsprechend aktuel ler Entwicklungen auf- bzw. auszu bauen, verstehen wir als unsere zentrale Aufgabe. In diesem Beitrag möchten wir den aktuellen Stand vorstellen. Der Anfang Das Hessische Kultusministerium startete 1999 seine ersten Maßnah men zur Hochbegabtenförderung. Abgesehen von Schülerwettbewer ben gab es kaum schulische Maß nahmen zur Förderung Hochbegab ter. Nicht zuletzt auf immer dringli chere Wünsche betroffener Eltern begann eine Veränderung. Es ent standen Strukturen zur Unterstüt

sität Marburg gegründet. Jedes Staatliche Schulamt erhielt eine Schulpsychologin oder einen Schul psychologen als zentrale Ansprech person für Fragen der Hochbegab tenförderung. Das Gütesiegelpro gramm für Schulen, die hochbegab te Schülerinnen und Schüler fördern, wurde etabliert. Der Fokus lag auf kognitiv Hochbegabten, insbesonde re auf den sogenannten ‘Minderleis tenden’ oder ‘Underachievern’. Schulterschluss aller Bundesländer und des Bundes Basierend auf den PISA-Ergebnissen, die einen geringen Anteil an Schüle rinnen und Schülern auf den oberen Kompetenzstufen zeigen, hat die Kul tusministerkonferenz (KMK) 2015 die Förderung leistungsstarker Schüle rinnen und Schüler als zentrale bil dungspolitische Herausforderung angenommen. Dies führte zum Be schluss einer Förderstrategie und zu einer gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern zur Förderung leis tungsstarker und potenziell beson ders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler. Diese Initiative ist unter dem Titel ‘Leistung macht Schule’ (LemaS) gestartet. Bei diesen Entscheidungen ist be sonders bemerkenswert, dass sich alle Länder zum konkreten, gemeinsamen

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SCHULE

nehmen, in sieben Schulnetzwerken zusammen und lernen mit und von einander auf ihrem Weg zu einer be gabungs- und leistungsfördernden Schul- und Unterrichtskultur. Auch die LemaS-Transferphase wird bun desweit durch einen interdisziplinären Forschungsverbund begleitet und unterstützt. Die genannten KMK-Beschlüsse so wie die LemaS-Initiative haben die Ausrichtung der landesweiten Strate gie in der Begabungs- und Begabten förderung in folgenden Punkte verän dert: 1. Fokussierung auf die Begabungs- und Begabtenförderung innerhalb des Regelunterrichts, diagnoseba siert und systematisch in eine schu lische Beratungskonzeption einge bunden, ergänzt durch außerunter richtliche und außerschulische An gebote der Förderung, Diagnose und Beratung, 2.Erweiterung der Gruppe von Schü lerinnen und Schülern, die in den Blick genommen wird. Begabung wird als die Voraussetzung von Leis tung verstanden. Deshalb geht es immer um die Begabungs- und Be gabtenförderung: Begabungsförderung bezieht sich zum einen auf das Erkennen von leistungsbezogenen Entwicklungs potenzialen bei allen Kindern. Zum anderen bezeichnet Begabungsför derung die prinzipielle Förderung der Begabungen aller Kinder und Jugendlichen in unterschiedlichen Domänen. Begabtenförderung bezieht sich auf das Erkennen und die Förde rung besonders begabter Kinder und Jugendlicher. Das umfasst fol gende Teilgruppen: • Leistungsstarke: Schülerinnen und Schüler, deren herausragen de Leistungen auf besondere Potenziale hindeuten, • potenziell Leistungsstarke: unauffällige Schülerinnen und Schüler mit erkennbar günstigen Die LemaS-Initiative setzt neue Impulse

Das Autorenteam …

Titelthema

… des Referats I.6 ‘Qualitätsentwicklung, Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler’ des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen: Oben von links nach rechts: Dr. Claudia Lack (Referentin), Silke Appel (Landeskoordinatorin Digitale Drehtür) Unten von links nach rechts: Stephanie Wolf (Landeskoordinatorin Hector Kinderakademien), Anja Schöpe (Referatsleiterin), Dr. Jürgen Flender (HIBB-Landeskoordinator Beratung und Schulpsychologe der Internats schule Schloss Hansenberg)

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Das HIBB: das Hessische Innovations- und Beratungs netzwerk für Begabungs- förderung Bis zum Fassen der genannten KMK Beschlüsse und dem Start der LemaS Initiative war die landesweite Strate gie auf die Förderung Hochbegabter und die Schulen mit dem Gütesiegel Hochbegabtenförderung fokussiert. In dieser Zeit sind mit BRAIN, in der Schulpsychologie der Staatlichen Schulämter und den regionalen Schulnetzwerken der Gütesiegelschu len äußerst wertvolle Unterstützungs strukturen entstanden. Auf dieser Ba sis konnten wir sehr gut bestehende Angebote aus- und neue aufbauen und auf die veränderte Zielsetzung ausrichten: Ziel ist es – wie beschrie ben –, die individuelle Förderung einer größeren Schülergruppe an perspek tivisch allen Schulen zur Normalität und Teil der Kernaufgabe der individu ellen Förderung im und außerhalb des Unterrichts werden zu lassen. Größere Ziele brauchen neu ausgerichtete Strukturen. >>

(zum Beispiel motivationalen) Voraussetzungen für heraus- ragende Leistungen, • (potenziell) Leistungsstarke mit ggf. besonderem Beratungsbe darf: zum Beispiel Schülerinnen und Schüler mit Migrationshin tergrund, Teilleistungsschwä chen, psychischen Beeinträchti gungen oder Sonderbegabungen, • hochbegabte Leistungsstarke: als hochbegabt getestete Schü lerinnen und Schüler mit heraus ragenden Leistungen sowie • kognitiv hochbegabte Minderleis tende (sogenannte Underachie ver): als hochbegabt getestete Schülerinnen und Schüler mit er wartungswidrig niedrigem Leis tungsniveau. 3.Begabungs- und Begabtenförde rung wird als unverzichtbarer Teil der individuellen Förderung ver standen und gehört somit zur Kern aufgabe jeder Lehrkraft und Schule. Ziel der Gesamtstrategie ist, die Begabungs- und Begabtenförde rung zur Selbstverständlichkeit an Schulen werden zu lassen.

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Beratungsstelle Informationen zu vie len Fragen, die das Thema ‘Hochbe gabung’ berühren, zur Verfügung und bietet eine telefonische Erstberatung an. Wenn erforderlich, kann sich eine Folgeberatung mit einer umfassenden individuellen psychologischen Bega bungsdiagnostik anschließen. Darü ber hinaus ist BRAIN einer unserer Ko operationspartner im Projekt ‘Digitale Drehtür’. Wir unterstützen unsere Lehrkräfte und Schulleitungen durch ein breites Angebot an Fortbildungen zur Bega bungs- und Leistungsförderung. Im Rahmen der HIBB-Akademie bieten Expertinnen und Experten aus Wissen schaft und Praxis eine Vielzahl an digi talen Vorträgen und Workshops an (Informationen unter: Fortbildungsan gebot zur Begabungs- und Leistungs förderung | Lehrkräfteakademie. hessen.de). Im jährlichen Wechsel finden er gänzend zur HIBB-Akademie der HIBB-Fachtag und das HIBB-Sympo sium zu jeweils einem Schwerpunkt thema der Begabungs- und Leis tungsförderung statt. Während sich der HIBB-Fachtag insbesondere an in teressierte Lehrkräfte richtet, dient das HIBB-Symposium dem Austausch und der Vernetzung der Akteure aus Schulen und Bildungsverwaltung, die steuernde Aufgaben wahrnehmen, mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft sowie Akteuren anderer Bundesländer. Internatsschule Schloss Hansenberg: HIBB- Innovationsschule Als Schule mit besonderer Aufgaben stellung in der Begabtenförderung ver fügt die Internatsschule Schloss Han senberg über umfassende Erfahrungen und bewährte Konzepte, die wir allen interessierten Schulen als Impulse für die eigene Schul- und Unterrichtsent wicklung bereitstellen. Dies zeigt sich unter anderem in Fortbildungen mit Hospitationsmöglichkeiten, die die Schule landesweit anbietet. → → Landesweite digitale Fortbil dung: HIBB-Akademie, HIBB Fachtag, HIBB-Symposium

Titelthema

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Deshalb sind wir auf dem Weg, das Hessische Innovations- und Bera tungsnetzwerk für Begabungsförde rung zu etablieren, in dem wir die Gruppe der Expertinnen und Experten erweitern, die unsere Schulen in unse rem Auftrag unterstützen, sowie El tern und Schülerinnen und Schüler bei Bedarf beraten, und ihre Arbeit syste misch miteinander zu verzahnen. Ziel ist, dass das HIBB: • unsere Schulen bei der individuellen Förderung begabter Schülerinnen und Schüler unterstützt sowie Lehr kräfte und Schulleitungen in Fragen der Begabungs- und Begabtenför derung berät, • Schülerinnen und Schüler sowie Eltern bei Bedarf ergänzend zur Begleitung in der Schule berät, • Lehrkräfte und Schulleitungen im Bereich der Begabungs- und Leis tungsförderung qualifiziert und • unsere Schulen in ihrer Entwicklung einer begabungs- und leistungsför dernden Schulkultur berät und in novative Konzepte als Impulse für die Schul- und Unterrichtsentwick lung zur Verfügung stellt. HIBB-Regionaltandems In der Begabungs- und Begabtenför derung ist ein Hand-in-Hand von Schulpsychologie und Pädagogik von besonderer Bedeutung. Nachdem be reits seit rund zwanzig Jahren in allen Staatlichen Schulämtern je eine Schulpsychologin oder ein Schulpsy- → Zum HIBB gehören derzeit:

chologe als zentrale Ansprechperson in Fragen der Hochbegabtenförde rung zur Verfügung steht, haben wir in jedem Schulamtsbezirk eine beson ders qualifizierte Lehrkraft als HIBB Regionalkoordinatorin oder HIBB-Re gionalkoordinator etabliert. Beide zu sammen bilden jeweils ein HIBB-Re gionaltandem aus schulpsychologi scher und pädagogischer Expertise und unterstützen unsere Schulen bei Bedarf in der Beratung in Einzelfällen sowie in Fragen der Schul- und Unter richtsentwicklung im Bereich der Be gabungs- und Leistungsförderung. Regionale HIBB-Schulnetzwerke Bereits zur Zeit des Gütesiegelpro gramms, für Schulen, die hochbegab te Schülerinnen und Schüler beson ders fördern, war die regionale Ver netzung von Schulen von besonderer Bedeutung. Diese regionalen Netz werke bestehen weiterhin, werden von den HIBB-Regionaltandems geleitet und sind für alle an der Thematik in teressierten Schulen geöffnet. Im Zentrum stehen der Austausch zwi schen den Schulen, die Information über aktuelle Entwicklungen sowie die anlassbezogene Fortbildung. Begabungsdiagnostische Beratungsstelle BRAIN BRAIN ist Anlaufstelle für Eltern, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzie her, Schulleitungen sowie Psycholo ginnen und Psychologen, die spezielle Fragen im Zusammenhang mit ‘intel lektueller Hochbegabung’ haben. BRAIN stellt als einschlägige neutrale → →

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senschaftlich begleitete Förderan- gebote für besonders begabte und hochbegabte Schülerinnen und Schü ler der Jahrgangsstufen zwei bis vier. In Kooperation mit der Hector Stif tung II erhalten in den kommenden Jahren schrittweise bis zu rund 100 ganztägig arbeitende Grundschulen die Möglichkeit, Standort einer Hector Kinderakademie zu werden. Durch die Kursangebote können die Interessen und Potenziale der Kinder gezielt ge fördert sowie intellektuelle und sozia le Herausforderungen geschaffen werden. Die Kinder können in den Kursen ihre bereichsspezifischen Kenntnisse vertiefen, neue Kompe tenzen entwickeln und ihre Kreativität entfalten. Der Schwerpunkt der Kurs themen der Hector Kinderakademien liegt im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Kursangebote anderer The menfelder können ebenfalls eröffnet werden. Ausblick Wir sind ein ganzes Stück auf dem Weg zur Erweiterung der landeswei ten Unterstützungs- und Beratungs strukturen im Bereich der Begabungs- und Begabtenförderung vorangekom men. Neben der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der bestehen den Angebote stehen weitere Schritte bevor. Dies sind unter anderem: • Implementierung von HIBB-Impulsschulen Von den Erfahrungen und Konzep ten besonders profilierter Schulen zu lernen, kann ein wichtiger Bei trag für die Schul- und Unter richtsentwicklung der eigenen Schulen sein. Solche ‘Impulsschu len’ möchten wir auch im HIBB Netzwerk etablieren. Derzeit ent wickeln und erproben wir länder übergreifend im Rahmen der Le maS-Initiative, wie der Transfer von Instrumenten, Maßnahmen und Konzepten für die Begabungs- und Begabtenförderung zwischen Schulen am besten gelingen kann. Unser Wunsch ist es, die Schulen, die sich als LemaS-Multiplikator

Zentral gesteuerte, landesweite Enrichmentprojekte: Digitale Drehtür und Hector Kinderakademien Für die individuelle Förderung beson ders begabter und hochbegabter Schülerinnen und Schüler können zu sätzliche Förderangebote sehr hilf reich sein. Hier wollen wir unsere Schulen unterstützen und entlasten, indem wir in zwei Projekten solche zu sätzlichen Förderangebote landesweit anbieten. Die Digitale Drehtür ist eine län derübergreifende Bildungsinitiative, die unter der Perspektive der Bega bungsentfaltung aller Schülerinnen und Schüler auch die Förderung hoher Leistungspotenziale besonders in den Blick nimmt. Unsere Kooperations partner in Hessen sind die bega bungsdiagnostische Beratungsstelle BRAIN an der Philipps-Universität Marburg und die Justus-Liebig-Uni versität Gießen. Auf einem Online Campus werden vielfältige Lernange bote (Livekurse, Selbstlernkurse, Pro jekträume) zu einem breiten Themen spektrum für Schülerinnen und Schü ler aller Klassenstufen präsentiert. Ergänzend zum regulären Unterricht können diese Lernangebote flexibel und individuell genutzt werden. Das Bild der Drehtür bedeutet dabei, dass die Lernenden den regulären Unter richt verlassen und einen digitalen Raum mit vielfältigen Angeboten für individualisiertes Lernen betreten. Später kehren sie durch die Drehtür in den regulären Unterricht zurück. Schulen und Lehrkräfte werden durch den Campus Digitale Drehtür und weitere Begleit- und Informationsan gebote des Landes Hessen bei der Umsetzung der Digitalen Drehtür im Schulalltag unterstützt. Die Teilnah me erfolgt über die Registrierung als Partnerschule. In Hessen sind alle Schulen eingeladen, sich als Partner schule zu registrieren und die kosten losen Lernangebote des Campus zu nutzen (Kontakt zum zuständigen Fachreferat des HMKB: digitale- drehtuer@kultus.hessen.de). Die Hector Kinderakademien schaffen qualitativ hochwertige, wis- →

Hilfreiche Links

Lehrkräfteakademie

Titelthema

https://lehrkraefteakademie.hessen.de/

Digitale Drehtür

https://digitale-drehtuer.de/

Hector Kinderakademien

https://hector-kinderakademie.de/

schulen bereits in dieser Rolle be sonders profilieren, ab 2028, also nach Ende der LemaS-Initiative, als HIBB-Impulsschulen für die landesweite Fortbildung und Bera tung zu gewinnen. • Aufbau einer digitalen Plattform mit allen in LemaS entwickelten und erprobten Produkten in der landesweiten Fortbildung, Beratung und Unterstützung aller Schulen, die nach dem Ende der LemaS Laufzeit allen Ländern zur Verfü gung stehen soll. • Start eines neuen Programms zur Zertifizierung besonders profilierter Schulen auf der Basis der Ergebnis se der LemaS-Initiative • Aufbau eines landesweiten Netz werks für Schülerinnen und Schüler Unter der Prämisse »Bewährtes be wahren, Neues ergänzen, Akteure ver netzen« wollen wir das HIBB zu einem festen Bestandteil der landesweiten Struktur wachsen lassen, sodass sich die Begabungs- und Begabtenförde rung flexibel und nachhaltig im Ge samtsystem verankern kann. Die Visi on ist, die individuelle Förderung be gabter Schülerinnen und Schüler zu einer Selbstverständlichkeit an allen Schulen werden zu lassen. n

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SCHULE

InnoLabSchool – Innovation Laboratorium School Ein Forschungs-, Experimentier- und Entwicklungsfeld der Kulturellen Bildung K ulturelle Schulentwicklung ist ein Thema, das immer mehr in den Fokus rückt. So haben in Universität Marburg und dem Hessi schen Kultusministerium. Ziel dieser Vereinbarung ist die Entwicklung neu er Formate für Schulentwicklung und Lehrkräfteausbildung. Der Autor

Titelthema

strument in der Anlage und Durchfüh rung von Lernprozessen kennen. Die gewonnenen Erkenntnisse für die kulturelle Schulentwicklung aus der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen Schule und Universität stoßen bereits in anderen Schulent wicklungsprogrammen des Referats I.7 Kulturelle Bildung auf großes Inte resse. InnoLabSchool und InnoLabMuseum Im Jahr 2022 erweiterte die ‘Arbeits stelle Kulturelle Bildung an Schulen’ ihr InnoLab-Netzwerk um eine weitere Institution und schloss eine Koopera tionsvereinbarung mit dem Hessi schen Landesmuseum für Kunst und Natur in Wiesbaden. Auch diese Ko operation dient der Förderung der Kulturellen Bildung im Kontext Schu le, hier jedoch mit dem Schwerpunkt auf den außerschulischen Lernort Museum. Die Richtsberg-Gesamtschule als InnoLabSchool und das Landesmu Cedric Lütgert ist Lehrkraft an einer hessischen KulturSchule. Seit dem Jahr 2020 ist er an das Büro Kulturelle Bildung des Hes sischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen (Referat I.7 Kulturelle Bildung/Büro Kul turelle Bildung) abgeordnet. Neben der Begleitung und Bera tung der Schulentwicklungspro gramme KulturSchule Hessen und Profilschulen Kulturelle Bildung, liegt sein weiterer Arbeitsschwerpunkt auf der InnoLabSchool.

zwischen verschiedene Bundesländer eigene Schulentwicklungsprogramme der kulturellen Bildung aufgelegt, Strukturen zur Umsetzung etabliert und bundesweit Formen des Aus tauschs geschaffen. In Hessen sind die kulturelle Schul entwicklung und Förderung der Kultu rellen Bildung in einem eigenen Refe rat im Hessischen Ministerium für Kul tus, Bildung und Chancen verankert. Neben vielen spartenbezogenen und - übergreifenden Entwicklungspro grammen (unter anderem Kultur Schule Hessen) unterstützt das Refe rat I.7 Kulturelle Bildung in Zusam menarbeit mit der Arbeitsstelle ‘Kul

Als KulturSchule Hessen der zwei ten Staffel ist die Richtsberg-Ge samtschule bereits seit 2012 in den Schulentwicklungsprogrammen der Kulturellen Bildung in Hessen aktiv. Bereits im Jahr 2013 begannen erste Kooperationsprojekte mit den Institu ten für Schulpädagogik sowie Sport wissenschaft und Motologie der Philipps-Universität Marburg, indem die Schule sich für Projektdurchfüh rungen der Seminare ‘Darstellendes Spiel’, ‘Forschendes Lernen’ und ‘Tanzperformance’ öffnete und Stu dierenden des grundständigen Lehr amtsstudiums einen praxisnahen Ein blick in eine KulturSchule gewährte. Im Laufe der Zeit verstetigten sich die Projektdurchführungen und fanden ihren festen Platz im Jahrestermin plan der Schule. Darüber hinaus etablierte sich eine enge Kooperation mit der Arbeitsstel le ‘Kulturelle Bildung an Schulen’ und dem Weiterbildungsmaster ‘Kulturelle Bildung an Schulen’. So stellt die Schule ihre Räumlichkeiten für Semi nare zur Verfügung und bietet Studie renden ein Forschungsfeld für wissen schaftliches Arbeiten. Die Schule selbst profitiert von den Beobachtun gen, Studien und Masterarbeiten der Studierenden und kann daraus Er kenntnisse für den eigenen Schulent wicklungsprozess ziehen. Aktuell erweitert die InnoLabSchool die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen der Philipps-Universi tät Marburg. So wird noch mehr Stu dierenden Einblick in die kulturelle Schulpraxis ermöglicht und sie lernen Kulturelle Bildung als wichtiges In

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turelle Bildung an Schulen’ die sogenannte InnoLabSchool. Die InnoLabSchool

Die Richtsberg-Gesamtschule in Mar burg schloss im Jahr 2019 einen Ko operationsvertrag mit der Philipps

Foto: ArLawKa/AdobeStock

SCHULE

seum für Kunst und Natur als Inno LabMuseum sind als Teil dieses Netzwerkes miteinander in eine Kooperation eingestiegen, um Kulturelle Bildung im Kontext Schule mit der sinnlich-ästheti schen Erfahrung des Museums zu verknüpfen. Hier profitieren beide Institutionen von der Expertise der jeweils anderen: die InnoLab School ermöglicht den Einblick in das System einer Schule mit stark ausgeprägtem kulturellen Profil und auf die Lehrkräfte mit ihren Herausforderungen und Bedarfen. Das InnoLabMuseum öffnet sich als neuer Lern- und Erfahrungs raum nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern ganz explizit für Lehrkräfte der InnoLabSchool. So entwickelten die beiden Koordinatoren aus Schule und Mu seum ein Fortbildungsformat für Lehrkräfte der InnoLabSchool, das im Herbst 2023 erstmals erprobt wurde. Unter dem Titel ‘InnoLab School meets InnoLabMuseum – Ästhetische Forschung im Hessi schen Landesmuseum Kunst und Natur’ wurde fünfzehn Lehrkräften der Richtsberg-Gesamtschule eine zweitägige Fortbildung im Museum ermöglicht. Im Fokus dieser Fort bildung stand das eigene ästheti sche Erleben. Diese Erfahrung för dert eine Haltung, die Lehrkräfte in Schulen mit ausgeprägtem kultu rellen Profil benötigen, um Lern prozesse mit ästhetisch-künstleri schen Herangehensweisen anbie ten und anleiten zu können. Dabei geht es um die Befähigung von Schülerinnen und Schülern, eigene ästhetisch-forschende Erfahrun gen zu machen, sich selbst auszu probieren und von Lehrkräften im Prozess begleitet zu werden. Ausgehend von den positiven Erfahrungen und der Rückmel dung der Teilnehmenden ist eine Fortführung und Ausweitung eines solchen Fortbildungsformats be reits in Planung – ganz im Sinne des InnoLab-Gedankens: for schend, experimentierend und entwickelnd.

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Wer, wie, was – ist QuaMath? Wieso, weshalb, warum ein neues Fortbildungs- konzept für den Mathematikunterricht? » Grafik entnommen aus: QuaMath-Logo-Koffer (DZLM o.D.) © DZLM

Wer oder was ist QuaMath?

geordnete Projektziel von QuaMath ist, die mathematische Bildung in Deutschland von der Kita bis zum Abitur durchgängig und kohärent zu stärken (vgl. ebd.). Wie ist QuaMath inhaltlich konzipiert? Zur Weiterentwicklung der Unter richtsqualität ist eine gemeinsame Verständigung auf die Fragen »Was soll gelernt werden?« (Content) und »Wie soll gelernt werden« (Fachdi daktik) unabdingbar (vgl. KMK 2023, S. 2) . Zwar existieren bereits Kriterien und Qualitätsmerkmale für guten (Mathematik-)Unterricht, allerdings sind manche »sehr umfassend, aber nicht fachspezifisch« (Holzäpfel et al. 2024, S. 2) und »andere zu abstrakt, um sie unmittelbar in der täglichen Unterrichtspraxis nutzen zu können« (ebd.) . Auf Grundlage von mathema tikdidaktischer und bildungswissen schaftlicher Forschungsliteratur und Diskursen mit erfahrenen Lehrkräften und Personen aus der Aus- und Fort bildung wurden im DZLM fünf Prinzi pien herausgearbeitet, die von der ersten Klasse bis zum Abitur helfen, gute fachdidaktische Entscheidungen im Sinne eines qualitätsvollen Mathe matikunterrichts zu treffen (vgl. ebd.,

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» QuaMath steht für Unterrichts- und Fortbildungs- Qua lität im Math ema tikunterricht entwickeln« (KMK 2023, S. 1) und ist ein Programm, welches vom Deutschen Zentrum für Lehrkräf tebildung Mathematik (DZLM) am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) forschungsbasiert entwickelt und gemeinsam mit fünfzehn Bundes ländern deutschlandweit umgesetzt wird (vgl. Prediger et al. 2024, S. 49; DZLM o. D.) . Gefördert wird das Zehn jahres-Programm durch die Kultusmi nisterkonferenz, wobei bundesweit Mathematiklehrkräfte an 10000 Schulen erreicht werden sollen (vgl. Holzäpfel et al. 2024, S. 9; Prediger et al. 2024, S. 49) . Dazu werden ab dem kommenden Schuljahr 2024/2025 QuaMath-Fortbildungen für Schulen angeboten. In Hessen laufen aktuell Vorbereitungen dazu, indem neun zu künftige QuaMath-Fortbildnerinnen und -Fortbildner (in QuaMath als ‘Multiplizierende’ bezeichnet) aus dem Bereich der Primarstufe und dreizehn aus dem Bereich der Sekundarstufe für die Fortbildungstätigkeit durch die Professorinnen und Professoren des DZLM qualifiziert werden. Das über

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Math-Vision von gutem Unterricht« (Prediger et al. 2024, S. 51) . Die Anwendung dieser Prinzipien auf die eigene tägliche Planung von Unterrichtseinheiten und Unterrichts stunden ist Gegenstand des Fortbil dung- und Unterrichtsentwicklungs programms QuaMath. Außerdem steht die Professionalisierung von »didaktischen Anforderungssituatio nen« (Holzäpfel et al. 2024, S. 4) jeder Lehrkraft im Fokus (vgl. Ab- bildung 2 ) . Die Prinzipien und Anforderungs- situationen sind also schulformüber greifend gleich – die konkrete Umset zung wird aber naheliegenderweise nach Schulstufe, Schulform und ma thematischem Inhalt passgenau um gesetzt. Wie sind die QuaMath Fortbildungen konzipiert? Im ersten Jahr werden in der Fortbil dung die »Basismodule« (DZLM 2023a, S. 6ff.; DZLM 2023b, S. 6ff.) durchgeführt (vgl. Abbildung 3 ) . Im zweiten Jahr werden zwei In halts- oder Vertiefungsmodule aus gewählt (vgl. Abbildung 4 ) . Die Fortbildungsmodule stellen die fachdidaktischen Tiefenstrukturen von Unterrichtsqualität durch die QuaMath-Prinzipien in den Mittel punkt (vgl. Prediger et al. 2024, S. 50) und bieten »Lern- und Reflexi onsgelegenheiten für alle fünf Anfor

Prediger et al. 2024, S. 51) . Dabei handelt es sich um (vgl. Prediger et al. 2022; Holzäpfel et al. 2024, S. 2ff.) : Kognitive Aktivierung – anstatt oberflächlichen Lernens und Beschäftigung Verstehensorientierung – inhalt liches Verständnis statt der Anwendung unverstandener ‘Rechenrezepte’ Durchgängigkeit – nachhaltiges Lernen und durchgängige Verknüpfungen der Lerninhalte → → →

Lernendenorientierung und Adaptivität – Orientierung an den Lernständen Kommunikationsförderung – über Mathematik sprechen, statt still nebeneinander zu lernen In Abbildung 1 sind diese Prinzipien in Kreisform abgebildet, da es bei den Prinzipien auf ein Zusammenspiel, ei ne Kombination und ein aufeinander Beziehen ankommt (vgl. Holzäpfel et al. 2024, S. 2, 8) . Diese QuaMath Prinzipien bilden den »Kern der Qua- → →

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© DZLM

» Abbildung 1: Fünf Prinzipien für qualitätsvollen Mathematikunterricht | Abbildung entnommen aus: Holzäpfel et al. 2024, S. 2

» Abbildung 3: Aufbau der QuaMath-Basismodule für die Primar- und Sekundarstufe | Eigene Darstellung – inhaltlich entnommen aus: DZLM 2023a, S. 6ff.; DZLM 2023b, S. 6ff.

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» Abbildung 2: Didaktische Anforderungs situationen | Abbildung entnommen aus: Holzäpfel et al. 2024, S. 4

» Abbildung 4: Übersicht zu allen QuaMath-Modulen und QuaMath-Modulverantwort- lichen des DZLM | Abbildung entnommen aus: Prediger et al. 2024, S. 56

derungssituationen« (vgl. ebd. S. 56) . Nach diesen zwei Jahren werden den Schulen weitere Module digital als Selbstlernangebot zur Verfügung ge stellt (vgl. ebd) . Einen weiteren Schwerpunkt legt QuaMath auf die langfristige Unter richtsentwicklung in Schulteams (vgl. Prediger et al. 2024, S. 52) . Ein Schul team besteht aus drei bis fünf Lehr kräften einer Schule (vgl. DZLM o.D.) , »die von den QuaMath-Multiplikato rinnen und -Multiplikatoren fachdi daktisch fortgebildet und begleitet werden« (DZLM 2023a, S. 1) . Die Schulteams nehmen an den Fortbil dungen teil, übertragen die Erkennt nisse auf die eigene Unterrichtspraxis und transferieren diese in das eigene Schulkollegium. Neben den Fortbil dungsinhalten steht so auch die Lehr kräftekooperation bezogen auf die Unterrichts- und Schulentwicklung im Fokus (vgl. Prediger et al. 2024, S. 52) . Hierbei kommt der Schulleitung die besondere Rolle zu, diesen Transfer op timal zu unterstützen, zu fördern und zu forcieren. Die Fortbildungen finden in Schulnetzwerken (Zusammen schluss von etwa fünf Schulteams) in regionaler Nähe zur eigenen Schule statt. In Hessen sind drei Fortbildungs nachmittage pro Halbjahr über eine Dauer von zwei Schuljahren geplant. In Hessen werden die Multiplizieren den im kommenden Schuljahr in den

Hilfreiche Links

Die Autoren

Modulen Größen und Messen – Daten und Zufall (Inhaltsmodul) und Sprachbildung (Vertiefungsmodul) in der Primarstufe sowie Digitale Medien (Vertiefungsmodul) und Algebra und Modellieren (Inhaltsmodul) in der Se kundarstufe qualifiziert. In den kom menden Jahren werden die hessischen Multiplizierenden in weiteren Vertie fungs- und Inhaltsmodulen begleitet. Wie ist die Struktur des Zehnjahres-Programms? Das QuaMath-Programm ist sowohl für den Bereich der frühen mathema tischen Bildung an Fachschulen als auch für allgemeinbildende Schulen Debora Totaro ist Landeskoor dinatorin Primarstufe für das Projekt QuaMath und Ausbilde rin am Studienseminar GHRF Darmstadt. Dr. Bastian Knippschild ist als Landeskoordinator Sekundar stufe für das Projekt QuaMath im Referat II.5 des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen tätig. Kontakt: QuaMath@kultus.hessen.de

QuaMath

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www.quamath.de

Bewerbungsformular für Schulleitungen

https://kultus.hessen.de//QuaMath

konzipiert. In beiden Strängen ist QuaMath sowohl ein Forschung s- als auch ein Fortbildung sprojekt wobei diese Aspekte nicht getrennt ablau fen, sondern aufeinander bezogen und miteinander verzahnt werden (vgl. DZLM o.D.) . So werden in den ersten fünfeinhalb Jahren die not wendigen Strukturen aufgebaut. Hier zu zählen die Entwicklung der Fortbil dungs- und Qualifizierungsmodule, welche gleichzeitig beforscht werden, die Qualifikation der Multiplikatorin nen und Multiplikatoren sowie die Fortbildung der ersten Kohorten an Lehrkräften und Schulen (vgl. ebd.) . In den fünf Jahren der zweiten Phase »werden die Strukturen optimiert, die

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ressierten und leistungsstarken Lernen den im Rahmen einer unterrichtsintegrie renden Förderung zugute. Wieso, weshalb, warum mitmachen? Als Teilnehmerin und Teilnehmer am Qua Math-Programm erhalten Sie ‘fundierte inhaltliche Anregungen aus der aktuellen Fachdidaktik’ (KMK 2023, S. 3), unter an derem in Form von konkreten Unterrichts materialien, und werden durch qualifizierte Multiplizierende fortgebildet, begleitet und unterstützt (vgl. ebd.) . Durch die Koopera tion in Schulteams und Schulnetzwerken wird die Unterrichts- und Schulentwick lung gefördert (vgl. KMK 2023, S. 3) . Wenn Sie mehr über QuaMath erfahren möchten, können Sie sich auf der Seite: www.quamath.de informieren. In der Zeit schrift ‘ mathematik lehren ’ werden im Heft 242 (Februar 2024) die QuaMath Prinzipien und Anforderunsgssituationen vorgestellt und mit Praxisbeispielen kon kretisiert. Dieses Heft ist frei zugänglich. Der aktuelle Bewerbungsprozess für hessische Schulen ist in der Märzausgabe des hessischen Amtsblatts genauer be schrieben. Das Bewerbungsformlar für Schulleitungen finden Sie unter: https://kultus.hessen. de//QuaMath. Bei spezifischen Rückfragen wenden Sie sich an die Landeskoordination Ihrer Schulform (Autorenteam des Artikels) unter der folgenden E-Mail-Adresse: QuaMath@kultus.hessen.de n

Fortbildungs- und Qualifizierungs module nach den gewonnenen For schungserkenntnissen weiterentwi ckelt und durch weitere innovative Formate und Konzepte angerei chert und weiter beforscht« (ebd.) . Wieso, weshalb, warum QuaMath? Die Qualitätssteigerung des Ma thematikunterrichts ist essenziell und eine Antwort auf viele Fragen, wie zum Beispiel: Wie gelingt es, die basalen Kompetenzen in Ma thematik besser zu fördern? Bis lang fehlte jedoch ein einheitliches Verständnis von kohärenten Quali tätsmerkmalen als Basis zur Un terrichtsweiterentwicklung (vgl. KMK 2023, S. 1) . Genau an dieser Stelle setzt QuaMath an: Die Fort bildung »ist der zentrale Hebel, um eine breite Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität zu erreichen« (KMK 2023, S. 1) . QuaMath ist aber nicht nur ein Programm, das ausschließlich zur Stärkung der basalen Kompetenzen beiträgt, sondern es adressiert ein breites Spektrum an Kompetenzni veaus. Eine gute Diagnosefähigkeit von Lehrkräften verbunden mit der Expertise, fachdidaktisch herausfor dernde Aufgaben für forschendes und entdeckendes Lernen auszu wählen, kommt gerade auch inte

Literatur

DZLM – Deutsches Zentrum für Lehr kräftebildung Mathematik (2023a): Ein Fortbildungsprogramm für Schu len und deren Mathematik-Lehrkräf te. Info-Booklet für den Primar- bereich. Abrufbar unter: https:// quamath.de/schule/projektinfos/ ueber-quamath – abgerufen am: 23. Februar 2024 DZLM – Deutsches Zentrum für Lehr kräftebildung Mathematik (2023b): Ein Fortbildungsprogramm für Schu len und deren Mathematik-Lehrkräf te. Info-Booklet für den Sekundar bereich. Abrufbar unter: https://quamath.de/sites/quamath /files/qm_flyer_module_sek_2023 12-05_druck_cmyk_a5_2mm_an schnitt.pdf – abgerufen am: 15. März 2024 DZLM – Über das QuaMath-Projekt (o.D.) Abrufbar unter: https://qua math.de/schule/projektinfos/ueber -quamath – abgerufen am: 15. März 2024 Holzäpfel, L., Prediger, S., Götze, D., Rösken-Winter, B. & Selter, C.: (2024): Qualitätsvoll Mathematik unterrichten: Fünf Prinzipien. in: Ma thematik lehren (242), S. 2–9 KMK – Ständige Konferenz der Kultus minister in der Bundesrepublik Deutschland (2023): Fakten und Ar gumente QuaMath. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/pdf /Dokumentation/FaktenUndArgu mente/2023_12_07-Quamath Praesentation_als_pdf.pdf – abge rufen am: 23. Februar 2024 Prediger, S., Götze, D., Holzäpfel, L., Rösken-Winter, B. & Selter, C. (2022): Five principles for high-quality ma thematics teaching. in: Frontiers in Education, 7(969212), S. 1–15. Ab rufbar unter: https://www.research gate.net/publication/364702817_ Five_principles_for_high-quality_ mathematics_teaching_Combi ning_normative_epistemological_ empirical_and_pragmatic_perspec tives_for_specifying_the_content_ of_professional_development – ab gerufen am: 23. Februar 2024 Prediger, S., Selter, C., Götze, D., Halle mann, S., Holzäpfel, L., Kreuziger, A., Pant, H. A., & Rösken-Winter, B. (2024): QuaMath – Unterrichts- und Fortbildungsqualität in Mathematik entwickeln: Konzept des Zehnjahres Programms von DZLM und KMK. GDM-Mitteilungen, 116 (1), 49–61.

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Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten Wichtiger Baustein der Begabungsförderung – Einblicke aus dem Landgraf-Ludwigs-Gymnasium Gießen E ine besondere Bedeutung bei der Begabungsförderung am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium Der Autor

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immer einfach nur Sigrid oder meine Oma, aber es steckt eine riesige Ge schichte und Person hinter Sigrid. Sie ist nicht nur die Oma. Sie ist MEINE Oma, auch wenn ich sie leider nie ken nengelernt habe.« 5 Über den gesamten Wettbewerb hinweg werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angefangen von der Recherche und der Auswertung der Quellen bis hin zur Erstellung des Bei trags von (mindestens) einer Lehr kraft, die als Tutorin bzw. als Tutor fun giert, begleitet. Die Lehrkräfte rücken dabei in den Hintergrund, da die Schü lerinnen und Schüler zu den Entschei dern ihres Projektes werden. Als ‘Ini tiatoren und Motivatoren, Berater und Lernbegleiter’ 6 wird ihnen aber den noch eine wichtige und zu gleichen Teilen zeitintensive Rolle zuteil. Seit fast vierzig Jahren leistet der Wettbe werb in Gießen so einen maßgeblichen Beitrag zur lokalen bzw. regionalen Geschichtskultur, indem in den Pro jekten verdrängte oder gar vergessene Ereignisse oder Personen ins Licht ge rückt werden. Um die Ergebnisse ei nem breiten Publikum zugänglich und für weitere Forschungszwecke nutzbar zu machen, werden die Projekte der Schülerinnen und Schüler seit vielen Jahren nach jeder Wettbewerbsrunde in einer Plakatausstellung, die in Zu sammenarbeit mit dem Gießener Stadtarchiv entsteht, ausgestellt. Da rüber hinaus entwickelte sich im letz ten Jahr eine Zusammenarbeit des LLG mit dem Oberhessischen Ge schichtsverein (OHG). Im Rahmen die ser Kooperation werden in diesem Jahr erstmalig vier Arbeiten von Schülerin nen und Schülern in einem digitalen Supplementband ergänzend zu den jährlich erscheinenden ‘Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins (MOHG)’ veröffentlicht. 7

Schon lange bevor der Wettbewerb am 1. September offiziell startet und den Schülerinnen und Schülern das neue Thema bekannt gegeben wer den darf, beginnen am LLG die Vorbe reitungen. Anfang März erhalten die begleitenden Lehrkräfte der vergan genen Wettbewerbsrunden die neue Ausschreibung, sodass erste inhalt liche Überlegungen und Recherchen beginnen können. Parallel dazu gilt es, geschichtsinteressierte Schülerin nen und Schüler gezielt anzuspre chen und auf den Geschichtswettbe werb aufmerksam zu machen – na türlich ohne das Thema zu verraten. Hier haben sich besonders Vierau gengespräche bewährt, denn tat sächlich ist es gerade in jüngeren Jahrgängen nämlich so, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Bega bung, Texte zu erschließen und eige ne zu verfassen, häufig noch nicht selber erkennen und vermutlich nicht auf die Idee gekommen wären, am Geschichtswettbewerb teilzunehmen. Insbesondere zurückhaltendere Kin der lassen sich durch persönliche Ge spräche zu einer Teilnahme ermuti gen und gewinnen während des Wettbewerbs an Selbstvertrauen. Gleiches gilt auch für talentierte Schülerinnen und Schüler, die be fürchten, der Doppelbelastung des normalen Unterrichtsalltages und der Dr. phil. Steffen Boßhammer, Lehrer für Geschichte, Politik und Wirtschaft sowie Ethik, begleitet seit dem Schuljahr 2020/2021 Schülerinnen und Schüler bei ihrer Teilnahme am Geschichts wettbewerb des Bundespräsi denten.

(LLG) erfährt der Geschichtswettbe werb des Bundespräsidenten. Unter Anleitung des inzwischen pensionier ten Geschichtslehrers Christoph Geibel nahmen im Jahr 1986 erstmalig Schü lerinnen und Schüler am »größte[n] historische[n] Forschungswettbewerb für junge Menschen in Deutschland« 1 , teil. Seitdem entstanden zahlreiche mit Förder-, Landes- und Bundesprei sen ausgezeichnete Arbeiten, wodurch das LLG seit 1995 immer zu den zehn bundesweit erfolgreichsten Schulen zählte und seit 2007 durchgängig die Auszeichnung ‘Landesbeste Schule Hessens’ gewann. 2 Im Vordergrund des Wettbewerbs, der in geraden Jahren am 1. September startet und im Folge jahr am 28. Februar endet, steht, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu wechselnden Themen eigene Projekte entwickeln, an denen sie in einer Zeit spanne von sechs Monaten arbeiten. Zu jedem Beitrag gehört auch ein Ar beitsbericht, in welchem die einzelnen Schritte dokumentiert und reflektiert werden. 3 Im Sinne der forschend-ent deckenden Projektarbeit nach dem Geschichtsdidaktiker Michael Sauer 4 gehen die Schülerinnen und Schüler im Gießener Stadtarchiv, in umliegenden Museen sowie Bibliotheken und ggf. in den Unterlagen der eigenen Familie ei genständig auf Spurensuche oder füh ren Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Für die Schülerinnen und Schüler ist es dabei besonders emotio nal, wenn sie sich mit der eigenen Fa miliengeschichte beschäftigen. Der damalige Elftklässler Pascal Jung un terstreicht dies eindrücklich in seinem Arbeitsbericht: »Vor dieser Arbeit wusste ich kaum etwas von meiner be reits verstorbenen Oma. Sie war auch

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Arbeit an ihrem Wettbewerbsbeitrag nicht adäquat gerecht zu werden. Der offizielle Startschuss fällt dann Anfang September in einer Auftaktver anstaltung, zu der auch Interessierte dazustoßen, die durch Aushänge oder Info-E-Mails auf den Wettbewerb auf merksam geworden sind. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird schließlich auch das Thema bekannt gegeben und das weitere Vorgehen skizziert, sofern sich die Schülerinnen und Schüler zu einer Teilnahme entschließen. In den nun folgenden Wochen stehen die Re cherche und Erschließung der Quellen und schließlich das Verfassen der Ar beit an. Der Großteil der Projekte ba siert dabei häufig auf Unterlagen des Gießener Stadtarchivs, dessen Leiter Dr. Christian Pöpken die Kinder und Ju gendlichen engagiert bei Fragen un terstützt und das Archiv auch außer halb der regulären Öffnungszeiten für Recherchen zugänglich macht. Für die Schülerinnen und Schüler ist das Ar beiten im Stadtarchiv besonders faszi nierend, wie beispielsweise die dama lige Zwölftklässlerin Amelie Hofmann in ihrem Arbeitsbericht hervorhebt: »Wenn ich davor an Archive gedacht habe, dachte ich eher an einen dunk len, einsamen Kellerraum, doch meine Vorstellung hat sich so gar nicht be wahrheitet: Im vierten Stock, sozusa gen über den Dächern von Gießen, durfte ich fast hundert Jahre alte Do kumente durchblättern (…) – das war schon faszinierend.« 8 Um die Teilneh merinnen und Teilnehmer bestmöglich bei der Auswertung der Archivalien zu unterstützen und bei ihren Projekten zu begleiten, hat sich in der vergange nen Runde die Einrichtung einer wö chentlich stattfindenden AG bewährt. Hier kann die Zeit entweder zur indivi duellen Weiterarbeit oder für Gesprä che mit den Tutorinnen und Tutoren über die nächsten Arbeitsschritte ge nutzt werden. Das Besondere am Geschichtswett bewerb ist, dass, wie bereits beschrie ben, besonders historisch interessier te Schülerinnen und Schüler alleine oder in einer Gruppe ihre Begabungen und Talente entdecken und gezielt gefördert werden können, was so im

ten Runde beispielsweise auch ein Projekt, in dem die damalige Siebt klässlerin Hebe Cerwenka zu den Er lebnissen ihrer Großmutter während des Zweiten Weltkrieges ein fiktives Tagebuch erstellte und so neben ih rem historischen Interesse auch ihrer Leidenschaft des freien Schreibens nachgehen konnte. 11 Insgesamt trägt der Geschichts wettbewerb des Bundespräsidenten maßgeblich dazu bei, die Begabungen der Schüler im Bereich der Ge schichtsforschung zu fördern und zu entwickeln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten die Chance, ihre individuellen Stärken zu entdecken und ihre Fähigkeiten auf einzigartige Weise zum Ausdruck zu bringen. Der Geschichtswettbewerb ist am LLG so mit ein wichtiger Baustein in der För derung von begabten Schülerinnen und Schülern. Dr. phil. Steffen Boßhammer 1 https://koerber-stiftung.de/projekte/geschichts wettbewerb/, letzter Aufruf: 2. März 2024. 2 Eine Auflistung aller Preisträgerinnen und Preis träger ist auf der Homepage des LLG einsehbar. 3 Pörschke, Kirsten, Schülererfahrungen mit dem Geschichtswettbewerb, in: Sauer Michael (Hrsg): Spurensucher. Ein Praxisbuch für historische Pro jektarbeit, Hamburg 2014, S. 319-338. 4 Sauer, Michael, Projekte und Projektarbeit in Ge schichte, in: Ders. (Hrsg): Spurensucher. Ein Pra xisbuch für historische Projektarbeit, Hamburg 2014, S. 9-30. 5 Beitrag von Pascal Jung (2021) zum Thema: ‘Als das Fahrrad auf die Welt kam, war es männlich’. Die Geschichte von Sigrid Magel und dem Rad sport, hier: S. 52. 6 Beck, Wolfhart, Tutorinnen und Tutoren im Ge schichtswettbewerb – eine besondere Rolle, in: Sauer Michael (Hrsg): Spurensucher. Ein Praxis buch für historische Projektarbeit, Hamburg 2014, S. 339-351. 7 Der Band mit Beiträgen von Maya Katharina Gel zenleuchter, Johanna Gerschlauer, Pascal Jung und Rami Ladouz kann unter diesem Link aufge rufen werden: http://dx.doi.org/10.22029/jlu pub-18438. 8 Beitrag von Amelie Hofmann (2023) zum Thema: Die Anfänge des Gießener Flussstraßenviertels in unterschiedlichen politischen Systemen Klein wohnungsbau 1928-1939 am Beispiel des Aster wegs und der Werrastraße, hier: S. 51. 9 Beitrag von Michael Gleiser und Joshua Dyck (2023) zum Thema: Wohnen am Rande der Gießener Gesellschaft. Der Wohnwagenplatz an der Lahn zu Beginn der ‘Goldenen Zwanziger’, hier: S. 26. 10Beitrag von Rami Ladouz (2023) zum Thema: Die Hyperinflation und der Gießener Wohnungsmarkt 1923. Konflikte zwischen Mietern, Vermietern und städtischen Behörden, hier: S. 29f. 11 Beitrag von Hebe Cerwenka (2023) zum Thema: Wohnen im Zweiten Weltkrieg. Das Tagebuch von Lony Atzbach aus dem Forstgarten bei Gießen im Winter 1941.

Der Geschichtswettbewerb

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https://koerber-stiftung.de/ projekte/geschichtswettbewerb/

‘normalen’ Geschichtsunterricht nicht in diesem Maße möglich wäre. Die da maligen Achtklässler Michael Gleiser und Joshua Dyck resümieren: »Der Geschichtsunterricht ist ein ganz nor males Schulfach, in dem man im Buch oder mit Arbeitsblättern arbeitet (…). Beim Geschichtswettbewerb arbeitet man fast ausschließlich mit Quellen und Bildern, man gestaltet und schreibt viele Texte. Somit ist der Ge schichtswettbewerb spaßiger als der normale Geschichtsunterricht.« 9 Wie das Zitat aus dem Arbeitsbericht zeigt, lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie man historische Quel len kritisch analysiert und hinterfragt, Informationen sinnvoll strukturiert und Zusammenhänge herstellt. Au ßerdem werden sie dazu ermutigt, selbstständig zu recherchieren und verschiedene Perspektiven zu berück sichtigen. Nicht selten wachsen die Schülerinnen und Schüler dabei über sich hinaus und erwerben neben neu em Wissen auch personenbezogene Kompetenzen, wie der folgende Aus zug aus dem Arbeitsbericht des da maligen Abiturienten Rami Ladouz deutlich macht: »Durch die Arbeit an sich konnte ich gewinnbringende Er fahrungen sammeln. (…) Mir persön lich hat es gezeigt, dass ich dazu fä hig bin, selbstständig an einem gro ßen Projekt zu arbeiten und auch in Zukunft mit viel Beharrlichkeit und Ehrgeiz große Herausforderungen bewältigen zu können.« 10 Darüber hinaus bietet der Wettbe werb den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Begabungen auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck zu bringen und innovative Ideen zu entwickeln. Neben schriftlichen, auf wissenschaftlichen Standards beru henden Arbeiten entstand in der letz

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