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meist zur Gewichtsabnahme. Bei Me-

thylphenidat handelt es sich um ein in-

direktes Sympathomimetikum mit einer

hohen Blut-Hirnschrankengängigkeit. Im

Rahmen der ADHS-Therapie wird jedoch

auch bei längerfristiger Anwendung keine

Suchtgefahr beobachtet. Methylpheni-

dat hemmt die Transporter für Dopamin

und Noradrenalin. Deshalb verbleiben die

Transmitter länger im Spalt und können

dort Rezeptoren besetzen. Ein erhöhter

Dopaminspiegel im synaptischen Spalt

sorgt für eine bessere Kurzzeitspeiche-

rung von Informationen und beschleunigt

die Überführung in das Langzeitgedächt-

nis. Gleichzeitig steigert sich durch die ge-

ringere Dopaminkonzentration in der Zelle

die Konzentrationsfähigkeit. Methylphen-

didat bindet zudem an Serotoninrezepto-

ren als Agonist am 5-HT1A (bei Stimulati-

on: Angstregulation, Blutdrucksenkung,

Regulation von Schlaf- und Nahrungs-

bedürfnis) und 5-HT2B (bei Stimulation:

Vasodilatation). Ob jedoch tatsächlich die

Gedächtnisleistung durch die Einnahme

dieser Wirkstoffe gesteigert wird, ist bis-

lang nicht eindeutig nachweisbar.

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Auch Antidepressiva, hier sehr häufig

Fluoxetin, werden wegen der Verringe-

rung des Schlafbedürfnisses und der stim-

mungsaufhellenden Wirkung als Neuro-

enhancer eingesetzt. Zusätzlich steigert

dieser Wirkstoff die Aggressivität. Ganz

ruhig hingegen müssen insbesondere die

Streicher im Orchestergraben sein. Gut

ein Drittel der Musiker nehmen deshalb

Propanolol oder Metoprolol ein. Selbst in

medizinischen Lernforen wird unter Stu-

denten der Humanmedizin offen über Be-

tablocker zur Bekämpfung der Prüfungs-

angst diskutiert.

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Da kaum Studien oder

Erfahrungen zum Einsatz der Substanzen

als Neuroenhancer bekannt sind, ist auch

eine Beurteilung der möglicherweise da-

mit verbundenen Risiken schwierig. Im

Gegensatz zu einer indikationsgerechten

Anwendung der Wirkstoffe, bei der der

Arzt zwischen der gewünschten Wirkung

und den damit verbundenen Risiken ab-

wägen kann, ist dies beim Einsatz als Life-

style-Droge nicht möglich. Das Abhängig-

keitsrisiko nimmt von Antidepressiva über

Antidementiva, Modafinil, Methylpheni-

dat bis hin zu den Amphetaminen zu.

Da sich insgesamt eine stärkere Me-

dikalisierung der Gesellschaft zeigt, ist es

eine Public-Health-Aufgabe dem Neuro-

enhancement entgegen zu treten. Neben

der Aufklärung über die möglichen Risi-

ken, müssen aber auch Work-Life-Balance,

Leistungsdruck, Chancengleichheit und

Zugang zu Bildung als Präventionsansät-

ze durch Politik und Gesellschaft verfolgt

werden. Aber auch für die Apotheke ergibt

sich aufgrund der Apothekenbetriebsord-

nung ein Handlungsbedarf, da es sich um

einen Arzneimittelmissbrauch handelt.

Für die Anwender besteht schließlich ein

nicht unerhebliches Nebenwirkungsrisiko,

TABELLE 5:

Beispiele für Naturdrogen und ihre Inhaltsstoffe (neben pharmazeutischer Fachliteratur nach

3,24

)

Drogengruppe

Beispiele

Hauptinhaltsstoffe

Wirkung

Sonstiges

Nachtschattengewächse

Engelstrompete

Toloache

Bilsenkraut

Glockenbilsenkraut

Duboisia

Tropanalkaloide

Atropin

Scopolamin

Hyoscyamin

Halluzinationsmuster: „He-

xenflug“; verstärkte sensomo-

torische Wahrnehmung

Hohes Vergiftungsrisiko,

tiefer Schlaf, oft „Kater“

Kakteen

Peyote (Button, Mescalin-

knopf)

San Pedro

Echonocereus

Mamillaria

Mescalin

Optische Halluzinationen,

ähnlich LSD

Entrückung

besondere Farberlebnisse

„Kater vor dem Rausch“, z. T.

Flashbackpsychosen

Muskatnussgewächse

Muskatnuss

Myristicin

Elemin

Safrol

Halluzinationen

Myristicin

Methylendioxy-

amphetamin (MDA)

Elemicin

Trimethoxyam-

phetamin (TMA)

Safrol

Methylendioxymeth-

amphetamin (MDMA = Ectasy)

Safrol ist lebertoxisch

Cannabis

Cannabis = Blattdroge

Marihuana = getrocknete,

zerkleinerte blüten- oder

früchtetragende Triebspitzen

Haschisch = unverändertes

Harz

Cannabinoide

Relativ mildes Halluzinogen

Euphorie, Wahrnehmungsver-

änderungen

Gesteigertes Wohlbefinden

Verändertes Zeiterleben

Depersonalisierung

Flashback-Psychosen möglich

Lysergsäureamid

z. B. in Spice

Lysergsäurehydroxyethylamid

(Indolalakloide)

psychotrope Wirkung; ähnlich

wie Cannabis, erst euphorisie-

rend und enthemmend, dann

sedierend

Pilze

Fliegenpilz

Spitzkegeliger Kahlkopf

Andere Psilocybe-Arten, sog.

„Magic Mushrooms“

Muscarin, Ibotensäure, Musi-

cimol (Fliegenpilz)

Traumsequenzen (Fliegenpilz)

Mildere Halluzinationen als

LSD (Spitzkegeliger Kahlkopf,

Magic Mushrooms)

Fliegenpilz-Vergiftungen

möglich (tödliche Dosis liegt

um 100 g Frischpilz)

Tierische Halluzinogene

Krötensekret von Aga-Kröte

(Bufo marinus),

Erd-Kröte (Bufo bufo),

Wechselkröte (Bufo viridis),

Kreuzkröte (Bufo calamita)

Dimethyltryptamin

5-Methoxy-DMT

optische Halluzinationen

Lecken und rauchen

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 

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DR. SYLVIA PRINZ / DR. CONSTANZE SCHÄFER