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Maibowlen oder Waldmeisterbowlen.
Bei der Bereitung der Maibowle oder Waldmeisterbowle
kommt ein kleines Kräutchen zu Ehren, dem man sonst
weniger Beachtung schenkt, der Waldmeister. — Doch nicht
immer war der Waldmeister das Ideal der Frii-hlingszecher,
ja, nicht einmal seinen jetzigen Namen führte er in früherer
Zeit.
In alten deutschen Kräuterbüchern steht er unter der
Benennung Hertzfreydt — Herzfreude — verzeichnet. Außer
dem hieß er Haberkräutlein, Müsch oder Mösch. Er diente der
Arznei als schweißtreibendes Mittel. Auch als Wetterpro^et
besaß er Ruf und Rum, und zwar — des Duftes wegen. Der
g^etrocknete Waldmeister stand nämlich in dem Rufe, vor dem
Eintritt schönen Wetters ganz duftlos zu sein, während er,
wenn Regen in der Luft droht, süßen Duft spenden solL
Ferner gebot es in Deutschland und anderwärts die Sitte,
kleine Büschel oder Kränze dieses Frühlingskrautes in den
Häusern und Kirchen aufzuhängen. Ebenso wird in der Mark
Brandenburg ein besonderes Fest, das Mösche-Fest gefeiert.
— Der Name Waldmeister taucht erst in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts auf.
In jener Zeit war er die echte,
rechte Volksmaibiume. Als „Meister des Waldes" durchduftet
er nun jetzt unsere deutschen Buchenwälder, wie er in Bel
gien eine geschätzte Gartenblume des Frühlings ist. & mag
wohl 3 oder 4 Jahrhunderte her sein, seit die gute Sitte auf
kam, das „Haberkräutlein" „Herzfreud" in den Wein zu tun,
um das Here izu erfreuen und die Leber zu stärken und gesand
zu machen.
Als im 15. Jahrhundert unsere vaterländischen
Reben sich einzubürgern begannen, jedoch die daraus gezogenen
Weine in noch sehr jugendlichem Zustande getrunken wurden,
da verfiel man auf die Idee, die Weine durch Zusatzmittel zu
verbessern, indem man ihnen Gewürz, Honig und wohl
riechende Kräuter beimischte. So entstand der Maitrank, dem
man zugleich die schätzbare Eigenschaft nachrühmte, eine
günstige Wirkung auf Husten, Oliederweh usw. auszuüben,
sowie die im Winter angesammelte Galle zu vertreiben. Und
noch immer übt Kräutlein „ Herzfreydt" in der Maibowle
seine Wirkung und macht das beliebte Getränk zu einem
Sorgenbrecher, so oft der Frühling kommt, der Mai.
Pomeranzen - Bowlen.
Die mit Rotwein bereiteten Pomeranzenbowlen werden
auch „Cardinal" genannt, die mit Weißwein bereiteten „Bischof".
Bei der Zubereitung schneidet man die Schalen der frischen,
grünen Pomeranzen so ab, daß die Schalen in ein Glas ^nit
Wasser fallen, um eine Verminderung des Aromas durch Ein
trocknen an der Luft zu verhindern.