Previous Page  38 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 38 / 60 Next Page
Page Background

Nachhaltiger

Zeitgeist

Vor über 300 Jahren wurde der Begriff

Nachhaltigkeit geprägt. Was damals ein

regionales Problem behandelte, hat sich

zu einem globalen Konzept entwickelt.

Das hatte sich Hans Carl von

Carlowitz wohl nicht in sei-

nen kühnsten Träumen ausge-

malt, als er 1713, also vor über

300  Jahren, sein inzwischen

berühmt gewordenes Werk

Sylvicultura Oeconomica veröf-

fentlichte. Darin prägte der Ober-

berghauptmann am kursäch­

sischen Hof in Freiberg, Sachsen,

den Begriff der Nachhaltigkeit.

Kernthese und gleichzeitig

auch Forderung an alle verant-

wortlichen gesellschaftlichen

Kräfte seiner Zeit war, dass künf-

tig nur noch so viel Holz ein-

geschlagen werden sollte, wie

auch wieder aufgeforstet wer-

den konnte. Doch wie kam er zu

dieser Forderung? Durch exzessi-

ves Abholzen waren die Waldbe-

stände in Sachsen und weiten Tei-

len des damaligen Heiligen Römi-

schen Reiches Deutscher Nation

nicht nur dramatisch dezimiert,

sondern geradezu im Bestand

bedroht. Noch schlimmer war

aus den Augen der Zeitgenossen,

dass damit die Schlüsselindustrie

des Landes, der Bergbau selbst,

bedroht war. Denn vor allem die-

ser war auf die ständig verfüg-

bare Energiequelle und das Bau-

material Holz angewiesen. Eine

Holzverknappung hätte den Nie-

dergang des Bergbaus bedeutet.

Nicht von ungefähr war

Hans Carl von Carlowitz Ober-

berghauptmann und stammte

nicht, wie manchmal irrtümlich

angenommen, aus der Forst-

wirtschaft. Dennoch: Gerade in

der Forstwirtschaft setzte sich

das Prinzip des nachhaltigen

Handels fortan mehr und mehr

durch.

Außerhalb der Forstwirt-

schaft erlangte der Begriff erst

in den 1970er Jahren an Be-

deutung. Anlass gab die Ver-

öffentlichung des Buches „Die

Grenzen des Wachstums“ 1972

durch den Club of Rome, in dem

die Endlichkeit der Rohstoffe

beschrieben und damit auch

das Ende eines grenzenlosen

Wachstums prophezeit wurde.

Heute sind die Thesen der Pu-

blikation weitgehend wieder-

legt. Insbesondere die Progno-

sen über die Endlichkeit fossiler

Brennstoffe haben sich als weit

übertrieben herausgestellt und

wurden immer wieder korrigiert

-- ein deutlicher Hinweis darauf,

wie notwendig es ist Prognosen

ständig kontrollieren und auf ih-

ren politischen Gehalt hin zu hin-

terfragen.

Dennoch hat der Experten-

zirkel dazu beigetragen, dass

Nachhaltigkeit zu dem Begriff

wurde, mit dem ein verantwor-

tungsvoller „nachhaltiger“ Um-

gang mit den Ressourcen der

Erde gefordert wurde.

Blieb die Forderung einer

nachhaltigen Forstwirtschaft

im 18. Jahrhundert auf einzelne

Länder begrenzt, erhielt die Pro-

phezeiung der Publikation des

Club of Rome also globale, oder

doch zumindest auf die indust-

rialisierte westliche Welt bezo-

gene, Bedeutung. Das Versiegen

der Rohstoffe, insbesondere des

Erdöls, hätte in der Tat für die In-

dustrienationen ähnlich apoka-

lyptische Dimensionen gehabt

wie das Fehlen des Rohstoffes

Holz als Energiequelle für den

sächsischen Bergbau im 18.

Jahrhundert.

Wie ein zusätzliches Fanal

wirkte vor diesem Hintergrund

die Ölkrise nur ein Jahr nach den

Analysen des Club of Rome und

den dadurch verursachten Sonn-

tagsfahrverboten.

Erstmals wurde damals

Nachhaltigkeit in seiner erwei-

terten Bedeutung eines „Zustand

des globalen Gleichgewichts“

verstanden.

Eingang fand der Begriff auch

1974 in ein Dokument des ökume-

nischen Rates der Kirchen und

der Definition eines neuen sozi-

alethischen Leitbildes, wodurch

sich die Bedeutung auch auf den

sozialen und ethischen Bereich

ausdehnte.

Enormen Schub erhielt das

Konzept der nachhaltigen Ent-

wicklung 1992 durch die Umwelt-

konferenz in Rio de Janeiro, wo

mit der Agenda 21 ein weltweites

Aktionsprogramm verabschiedet

wurde mit dem Ziel eines weltweit

verbesserten Umweltschutzes

und der nachhaltigen Nutzung

der begrenzten Ressourcen. In-

zwischen gibt es auf nationaler

und internationaler Ebene eine

unüberschaubare Anzahl von

Gremien, Institutionen und Orga-

nisationen, die sich mit Nachhal-

tigkeitskonzepten beschäftigen.

Ebenso unübersichtlich und viel-

fältig sind die Definitionen von

Nachhaltigkeit geworden.

In den Vordergrund gerückt

werden jedoch überwiegend drei

Kriterien:

‚die ökologische Nachhaltig-

keit mit Klimaschutz, Arten-

Nachhaltigkeit

Globales Konzept

38

3|2016