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MARTINA EBERL

Die einst erfolgreiche deutsche Proette über die wertvolle

Unterstützung ihres Caddies „Mörti“ zu Beginn und während ihrer Karriere.

Taschenträger

oder

doch viel mehr?

E

s gibt die unterschiedlichsten Vor-

stellungen, die Leute von einem

Caddie haben. Manche denken:

Das ist der arme Kerl, der dem

Spieler die Schläger hinterhertragen muss,

fast kein Geld dafür erhält und wahrschein-

lich sonst keinen Job bekommt. Das ist ein

verbreitetes Bild des Tour-Caddies aus alten

Zeiten – es stimmt allerdings überhaupt nicht.

Schon wenn man einen Blick auf die

Amateure wirft, vor allem bei Clubmeis-

terschaften oder Turnieren, wenn mehr als

18 Loch gespielt werden, wünschen sich

die meisten einen Caddie. Warum? Ganz

einfach: Weil Unterstützung in jeglicher

Hinsicht immer gut tut! Gerade in den

Momenten der Nervosität am ersten Abschlag

oder zum Schluss, wenn es eng wird, ist es

immer schöner, nicht alleine zu sein.

Der Caddie gibt moralische

Unterstützung, das Gefühl,

nicht alleine zu sein

Noch besser ist es natürlich, wenn jemand die

Runde am Bag begleitet, den man gut kennt,

der Trainer ist, oder sogar ein Familien-

mitglied. Warum? Es geht gar nicht um das

Thema „Technikhilfe auf dem Platz“. Es gibt

einfach sehr viel, worüber man sich zwischen

den Schlägen unterhalten kann. Man kann

abschalten und kommt nicht in die Ver-

suchung, über vergangene und kommende

Schläge zu grübeln. Es ist möglich, sich über

den Alltag, über andere Leute – einfach über

so viele verschiedene Sachen zu unterhalten,

was für das Spiel an sich sehr hilfreich ist.

Bei den Proetten sind oft

Familienangehörige

als Caddies tätig

Und wie ist es auf der Tour? Stimmt hier das

Bild des armen Caddies? Sicherlich nicht.

Als ich auf die Tour kam, war ich ein

absoluter Nobody. Meine Erfolge als Amateur

waren den Proetten und deren

Caddies sowas von egal, dass kein

Caddie auch nur das geringste

Interesse daran hatte, für mich

arbeiten zu wollen. Abgesehen

davon, hatte ich auch schlichtweg

kein Geld für einen Vollzeit-Caddie.

Auf der Ladies European Tour kann

man oft beobachten, dass Fami-

lienangehörige oder Freunde den

Caddie machen, einfach aus

diesem Grund – das Geld fehlt.

Somit begleiteten meine

Mutter, mein Vater, mein

Bruder, mein alter Vierer-

partner „Mörti“ und noch ein

paar andere Freunde mich zu

den Turnieren, wo ich somit

nur die Unterkunft bezahlen

musste – manchmal auch über-

haupt nichts. Das tat gut. Spe-

ziell in meinen Tour-Jahren von

2003 bis 2006.

Mit der Zeit spielte ich jedoch besser, das

Preisgeld stieg. Und langsam fing ich an,

richtig mit einem Caddie zu arbeiten –

allerdings nicht für lange Zeit. Mein alter

Viererpartner „Mörti“ hatte Semesterferi-

en und begleitete mich daher die komplette

Hauptsaison. Es war herrlich! 2007 begann ein

gutes Jahr zu werden. Ich hatte mittlerweile

ein tolles Team aus Trainern, einem Manage-

ment und vor allem meinem „alten“ Caddie

um mich herum.

In diesem Jahr gab es eine Sonderwertung

auf der LET – „18 Finest“. Bei neun Turnieren

gab es immer ein ausgesuchtes Loch, an dem

der Score zählte, aber nur, wenn man den Cut

gemacht hatte. Es zählten also immer nur die

letzten zwei Runden: zwei Scores, und das

über neun Turniere. Das hört sich leicht an,

man darf aber nicht vergessen, dass immer

der Cut gemacht werden musste.

Ich kann mich noch gut erinnern: Das

letzte Turnier war in Dänemark. Ich fühlte

mich damals nicht 100 Prozent fit, führte aber

die Wertung dieses Nebenevents an. Diese

zweite Runde, um den Cut zu schaffen,

war die Hölle, die ich ohne meinen

„Mörti“ nicht „überlebt“ hätte. Er lenkte

mich ab, wir machten viele Sachen,

die mit Justin Walsh, meinem Mental-

trainer, besprochen waren, denn

„Mörti“ hielt immer Kontakt zu ihm.

Wir schafften schließlich den

Cut und blieben im Rennen. Das

war schön, aber das Beste war: Ich

qualifizierte mich damals für die

„Madrid Ladies Masters“, die ich

daraufhin als meinen ersten Tour-

sieg feiern konnte.

Ohne meinen lieben „Mörti“

und seinen tollen Beistand hätte

ich das rückblickend nicht ge-

schafft. Frage: Wäre mir dieser

Erfolg mit einem einfachen „Trol-

ley-Puller“ auch gelungen, der

nicht mit mir kommuniziert hätte?

Ich glaube nicht…

GT

CADDIE TEIL I

BEISTAND

Ohne ihren Caddie „Mörti“ wäre

Martina Eberl niemals Tour-Siegerin geworden

MARTINAS

ECKE

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GOLF TIME

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3-2016

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