Previous Page  39 / 164 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 39 / 164 Next Page
Page Background www.golftime.de

GOLF TIME

|

6-2016

39

HocHbegabT

DJ ist mit 1,93 Metern Körper-

größe und einer unglaublichen Athletik gesegnet

Wirklich erstaunlich war jedoch Johnsons

Reaktion. Anstatt sich darüber aufzuregen,

dass ihn so ein unscheinbares Dreckloch den

Sieg gekostet hatte, blieb er ruhig und meinte

nur lapidar: „Ich hätte den Driver stecken las-

sen sollen.“ Und während die Golfwelt noch

hitzig über die Entscheidung der Regelhüter

diskutierte, macht DJ mit seinen Kumpels

schon kräftig Party in Florida.

„Das ist eben meine Mentalität“, sagt

Johnson in einem Interview, während er an

seinem Kautabak kaut. „Ich lass’ so Sachen

nicht an mich ran. Das Leben ist zu kurz.“

In Chambers Bay 2015 saust sein Putt zum

U.S. Open-Sieg am Loch vorbei und auch

der Rückputt, der ein Stechen gegen Jordan

Spieth bedeutete hätte, findet das Loch nicht.

Doch nur wenige Wochen nach diesem

Erlebnis, das wohl viele seiner Kollegen auf

die Couch eines versierten Trauma-Thera-

peuten befördert hätte, reflektiert DJ: „Es war

enttäuschend, aber nicht schmerzhaft. Ich

bin darüber weg.“ Der amerikanische Sport-

journalist Rick Reilly scherzte einst über DJ:

„Sein Spiel ist lang, sein Gedächtnis kurz.“

Bei 28 Major-Starts seit 2008 kam Dustin

Johnson zehnmal unter die Top 10, bevor er

bei der U.S. Open 2016 in Oakmont antrat.

Auf dem geradezu grotesk langen (das längste

Par-3-Loch maß 274 Meter) und zudem

knackschweren Platz fühlte sich der Ameri-

kaner pudelwohl. Denn eine seiner Super-

heldeneigenschaften ist die Fähigkeit, mit

dem Driver unglaublich lang (seit Johnson

2008 auf die Tour kam, war er immer unter

den Top 4 der Longdriver), aber eben auch

extrem genau schlagen zu können. „So ge-

winnt man Golfturniere“, schwärmt Phil

Mickelson über seinen Kollegen.

In Oakmont drivte er den Ball durch-

schnittlich nicht nur fast 20 Meter weiter als

der nächstbeste Kollege im Feld, er rangierte

auch in puncto Präzision auf Rang 11 in der

Statistik. Mit drei Schlägen Vorsprung setzte

sich DJ letztendlich durch und stellte dabei

erneut sein stoisches Gemüt unter Beweis.

Denn im Laufe der Finalrunde ereignete sich

wieder eine Regelunstimmigkeit, als sich

Johnsons Ball beim Ansprechen mit dem

Putter minimal bewegte. Ein Platzrichter ent-

schied, dass Johnson keinen Regelverstoß be-

gangen habe, doch der Turnierausrichter, die

USGA (Amerikanischer Golfverband), infor-

mierte Johnson, dass er erst nach der Runde

erfahren würde, ob er doch noch einen Straf-

schlag erhalten würde. Johnson schaffte zuvor

Tatsachen und kam mit drei Schlägen Vor-

sprung ins Ziel, während sich die amerikani-

schen Regelhüter ob ihrer Unfähigkeit, eine

TV-Aufnahme innerhalb eines vernünftigen

Zeitraums zu analysieren, lächerlich machten.

Viele Experten und Kollegen prophe-

zeien, dass Dustin Johnson nach seinem ersten

Major-Sieg eine völlige neue Qualität errei-

chen wird, da er nun befreit aufspielen kann.

Colt Knost, einer seiner Kumpel auf der

Tour, schwärmt: „Er wird mich wahrschein-

lich töten, weil ich das sage, aber er wirkt

immer ein wenig planlos. Doch er verfügt

über mehr Talent als die meisten von uns. Er

ist wirklich enorm begabt.“

Nur zwei Wochen nach dem Sieg in Oak-

mont gewann Johnson auch das hochkarätig

besetzte WGC-Bridgestone Invitational. Als

neue Nummer 2 der Welt hinter dem Austra-

lier Jason Day ist er nun der beste U.S.-Spieler

in der Weltrangliste.

Dank seines Talents und seiner Gabe, nega-

tive Dinge schnell abhaken zu können, lebt

Dustin Johnson auf dem Golfplatz immer im

Augenblick. Sollte er zukünftig einen klaren

Kopf behalten, wird er sich langfristig als

einer der absoluten Top-Spieler etablieren –

vielleicht sogar eine neue Ära der Golfdomi-

nanz einläuten.

GT

2010: In der Finalrunde der U.S. Open

verhackte DJ auf dem zweiten Loch seinen

Vorsprung von drei Schlägen wie ein

Anfänger und kam mit einer 82 ins Club-

haus. Bei der PGA Championship ignorierte

Dustin einen Aushang in der Umkleide-

kabine, der auf die besonderen Bunker

auf der Anlage hinwies. Die beiden Straf-

schläge kosteten ihn den Sieg.

2011: Bei der Open Championship 2011

semmelte er einen unnötig riskanten

Eisenschlag ins Aus, der ihn seiner Sieg-

chancen beraubte.

2015: Bei der U.S. Open 2015 machte er

auf dem finalen Grün einen Dreiputt und

fiel auf Rang 2 zurück.

DUMM UND DüMMER?

SchEITErnS

PrOTOkOLL dES