GOLF TIME
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6-2016
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Götz SchmiedehauSen
Autor des essenziellen Leitfadens
durch die Welt des Golfwahnsinns
in Buchform: „Golf oder
gar nichts!“. Hat sich gewundert,
dass die Olympischen Spiele
in Rio nicht mit dem Untertitel
„Der Ehrliche ist der Dumme“
beworben wurden. Schließt
Handicap-Schoner und andere
Betrüger im Golf kategorisch aus
seinem Nachtgebet aus.
GÖTZ
ZITAT
I
st Ihnen aufgefallen, wie penibel Profi
golfer darauf achten, sich nicht einmal
dem Hauch eines Verdachtes auszusetzen,
außerhalb der Regeln zu agieren? Beson
ders gerne erinnere ich mich an einen Vorfall aus
dem Jahr 2010.
Der PGA Tourspieler Brian Davis spielte im
Playoff der Verizon Heritage gegen Jim Furyk.
Am ersten Extraloch verfehlte er das Grün und
sein Ball lag an einer Uferböschung inmitten
von Gräsern. Nachdem er seinen Chip ausge
führt hatte, verlangte Davis nach dem Platzrich
ter. Der Golfer erklärte dem Offiziellen, dass er
im Rückschwung einen losen Grashalm bewegt
haben könnte, zumindest glaubte er, dies aus
dem Augenwinkel bemerkt zu haben. Erst in der
Superzeitlupenaufnahme wurde sein Verdacht
bestätigt. Aufgrund der beiden Strafschläge, die
er für diesen Regelverstoß erhalten musste, verlor
Davis das Playoff.
Diese Winzigkeit in Form eines touchierten losen
Grashalms wäre wohl niemandem je aufgefallen.
Hätte Davis das Turner gewonnen, wäre dies sein
erster Sieg auf der PGA Tour und somit für ihn
ein Ereignis von existenziellem Ausmaß gewesen.
Denn neben einer Million Dollar Preisgeld hätte
der 36jährige Davis Planungssicherheit hinsicht
lich der Zukunft seiner Profigolfkarriere gehabt.
In der Golfgeschichte gibt es nicht wenige ähn
liche Beispiele. Bei der U.S. Open 1925 gab sich
Golflegende Bobby Jones selbst einen Strafschlag,
weil er versehentlich seinen Ball bewegt hatte.
Niemand außer ihm hatte es gesehen, es gab
keine Filmaufnahmen, trotzdem bestand Jones
auf seiner Strafe und verlor das Major mit einem
Schlag Rückstand.
Während Brian Davis seine Zukunft als Golfprofi
einem zuckenden Grashalm und seinem reinen
Gewissen unterwirft, vergleicht die russische
OlympiaSchwimmerin Julia Jefimowa ihre zahl
reichen Dopingsperren mit einem Fahrverbot
wegen zu hoher Geschwindigkeit und freut sich
anschließend über den Gewinn der Silbermedaille.
Bei Olympia, aber auch bei vielen anderen Sport
ereignissen geht es scheinbar nur noch darum, so
geschickt wie möglich zu tricksen oder jede Grau
zone auszuloten, um sich aufs Siegertreppchen zu
mogeln. Und Sportsmänner wie Brian Davis oder
Bobby Jones würden für ihre Haltung bspw. im
Fußball wohl weniger Anerkennung als vielmehr
Buhrufe des Publikums sowie Schelte von Mit
spielern und Trainer ernten. Hier gehört es zum
„guten Ton“, sich nach einer Schwalbe im Straf
raum und dem daraus resultierenden entschei
denden Tor über den „verdienten Sieg“ zu freuen.
Doch leider findet man auch in unserem Sport
Zeitgenossen, die in puncto Unsportlichkeit
olympisches Gold verdient hätten. Stellvertretend
für alle Rechenkünstler, LederWedgeArtisten,
TaschenbillardSpieler und HandicapSchoner da
draußen wollte ich Ihnen diese Geschichte nicht
vorenthalten. Bei einer bekannten Amateur
turnierserie eines großen Autoherstellers erreichte
vor einigen Jahren ein Duo das Landesfinale und
durfte somit um die Teilnahme am Weltfinale an
einem exotischen Urlaubsort mitspielen. Um ihr
Handicap zu „dopen“, meldeten sich die beiden
SingleHandicapper bei Dutzenden Turnieren an,
spielten absichtlich grottenschlecht, ließen sich
disqualifizieren oder traten gar nicht erst an.
Lohn der Mühe: Das eigene Handicap wurde in
kürzester Zeit mehr als verdoppelt und das Flug
ticket konnte gelöst werden. Nach der Rückkehr
wurde ihnen jedoch der Preis ihres „Erfolges“
präsentiert: ein ruinierter Ruf weit über die
Grenzen des Golfsports hinaus, eine lebenslange
Sperre durch den Veranstalter der Turnierserie
und eine Anzeige beim Verband.
Ehre und Fairness sind im Golf keine leeren
Floskeln. Folgen Sie den Beispielen von Brian
Davis oder Bobby Jones. Kein Preis ist es wert,
den eigenen Ruf oder den unseres Sports zu
beschädigen.
Gt
Gewinnen um
jeden Preis?
»Während Brian
Davis seine Zukunft
als Golfprofi einem
zuckenden Grashalm
unterwirft, vergleicht
die russische
Schwimmerin Julia
Jefimowa eine
Dopingsperre mit
einemFahrverbot
wegen zu hoher
Geschwindigkeit«