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GOLF TIME

|

6-2016

95

Götz SchmiedehauSen

Autor des essenziellen Leitfadens

durch die Welt des Golfwahnsinns

in Buchform: „Golf oder

gar nichts!“. Hat sich gewundert,

dass die Olympischen Spiele

in Rio nicht mit dem Untertitel

„Der Ehrliche ist der Dumme“

beworben wurden. Schließt

Handicap-Schoner und andere

Betrüger im Golf kategorisch aus

seinem Nachtgebet aus.

GÖTZ

ZITAT

I

st Ihnen aufgefallen, wie penibel Profi­

golfer darauf achten, sich nicht einmal

dem Hauch eines Verdachtes auszusetzen,

außerhalb der Regeln zu agieren? Beson­

ders gerne erinnere ich mich an einen Vorfall aus

dem Jahr 2010.

Der PGA Tourspieler Brian Davis spielte im

Playoff der Verizon Heritage gegen Jim Furyk.

Am ersten Extraloch verfehlte er das Grün und

sein Ball lag an einer Uferböschung inmitten

von Gräsern. Nachdem er seinen Chip ausge­

führt hatte, verlangte Davis nach dem Platzrich­

ter. Der Golfer erklärte dem Offiziellen, dass er

im Rückschwung einen losen Grashalm bewegt

haben könnte, zumindest glaubte er, dies aus

dem Augenwinkel bemerkt zu haben. Erst in der

Superzeitlupenaufnahme wurde sein Verdacht

bestätigt. Aufgrund der beiden Strafschläge, die

er für diesen Regelverstoß erhalten musste, verlor

Davis das Playoff.

Diese Winzigkeit in Form eines touchierten losen

Grashalms wäre wohl niemandem je aufgefallen.

Hätte Davis das Turner gewonnen, wäre dies sein

erster Sieg auf der PGA Tour und somit für ihn

ein Ereignis von existenziellem Ausmaß gewesen.

Denn neben einer Million Dollar Preisgeld hätte

der 36jährige Davis Planungssicherheit hinsicht­

lich der Zukunft seiner Profigolfkarriere gehabt.

In der Golfgeschichte gibt es nicht wenige ähn­

liche Beispiele. Bei der U.S. Open 1925 gab sich

Golflegende Bobby Jones selbst einen Strafschlag,

weil er versehentlich seinen Ball bewegt hatte.

Niemand außer ihm hatte es gesehen, es gab

keine Filmaufnahmen, trotzdem bestand Jones

auf seiner Strafe und verlor das Major mit einem

Schlag Rückstand.

Während Brian Davis seine Zukunft als Golfprofi

einem zuckenden Grashalm und seinem reinen

Gewissen unterwirft, vergleicht die russische

OlympiaSchwimmerin Julia Jefimowa ihre zahl­

reichen Dopingsperren mit einem Fahrverbot

wegen zu hoher Geschwindigkeit und freut sich

anschließend über den Gewinn der Silbermedaille.

Bei Olympia, aber auch bei vielen anderen Sport­

ereignissen geht es scheinbar nur noch darum, so

geschickt wie möglich zu tricksen oder jede Grau­

zone auszuloten, um sich aufs Siegertreppchen zu

mogeln. Und Sportsmänner wie Brian Davis oder

Bobby Jones würden für ihre Haltung bspw. im

Fußball wohl weniger Anerkennung als vielmehr

Buhrufe des Publikums sowie Schelte von Mit­

spielern und Trainer ernten. Hier gehört es zum

„guten Ton“, sich nach einer Schwalbe im Straf­

raum und dem daraus resultierenden entschei­

denden Tor über den „verdienten Sieg“ zu freuen.

Doch leider findet man auch in unserem Sport

Zeitgenossen, die in puncto Unsportlichkeit

olympisches Gold verdient hätten. Stellvertretend

für alle Rechenkünstler, LederWedgeArtisten,

TaschenbillardSpieler und HandicapSchoner da

draußen wollte ich Ihnen diese Geschichte nicht

vorenthalten. Bei einer bekannten Amateur

turnierserie eines großen Autoherstellers erreichte

vor einigen Jahren ein Duo das Landesfinale und

durfte somit um die Teilnahme am Weltfinale an

einem exotischen Urlaubsort mitspielen. Um ihr

Handicap zu „dopen“, meldeten sich die beiden

SingleHandicapper bei Dutzenden Turnieren an,

spielten absichtlich grottenschlecht, ließen sich

disqualifizieren oder traten gar nicht erst an.

Lohn der Mühe: Das eigene Handicap wurde in

kürzester Zeit mehr als verdoppelt und das Flug­

ticket konnte gelöst werden. Nach der Rückkehr

wurde ihnen jedoch der Preis ihres „Erfolges“

präsentiert: ein ruinierter Ruf weit über die

Grenzen des Golfsports hinaus, eine lebenslange

Sperre durch den Veranstalter der Turnierserie

und eine Anzeige beim Verband.

Ehre und Fairness sind im Golf keine leeren

Floskeln. Folgen Sie den Beispielen von Brian

Davis oder Bobby Jones. Kein Preis ist es wert,

den eigenen Ruf oder den unseres Sports zu

beschädigen.

Gt

Gewinnen um

jeden Preis?

»Während Brian

Davis seine Zukunft

als Golfprofi einem

zuckenden Grashalm

unterwirft, vergleicht

die russische

Schwimmerin Julia

Jefimowa eine

Dopingsperre mit

einemFahrverbot

wegen zu hoher

Geschwindigkeit«