Jetzt habe ichGesellschaft: Schwes-
ter Teresia nutzt die Gelegenheit,
ein bisschen Luft zu holen. Auch
Paul wird wach und freut sich, die
indische Ordensfrau und die bus-
fahrende Seelsorgerin ein bisschen
auszufragen. „Warum machen die
das?“
Die Tradition der Kevelaer-Wallfahr-
ten ist nicht nur amNiederrhein groß.
Auch aus dem Rheinland ziehen in
jedem Jahr große Menschengrup-
pen in den beliebten Wallfahrtsort,
um vor demwinzig kleinen Gnaden-
bild der Gottesmutter Kerzen auf-
zustellen und alle Sorgen dort zu
lassen. Und wer geht, betet doppelt.
Also ist die Wallfahrt zu Fuß schon
ein starkes Motiv. Die Materborner
legen noch einen drauf, wenn sie
nachts von ihrer Pfarrkirche aus star-
ten. Die Älteren wissen davon noch
zu erzählen: „Da sind wir mindestens
sieben Stunden durchgegangen!
Und keiner blieb zurück.“
Unsere Gruppe wird den traditionel-
len Weg in sechs Stunden machen.
Inge Apeldoorn führt die Gruppe,
auch ohne Karte, Navi oder GPS.
Wir erreichen Goch und dürfen zur
Pause in das örtliche Pfarrzentrum.
Toiletten! Sitzmöglichkeiten! Die
Teilnehmer begrüßen die Ruhe-
pause sehr und verschaffen sich
Kaloriennachschub mit Bananen
und Butterbroten. Es hat auch was
von Marathonatmosphäre. Paul und
Schwester Teresia ziehen wieder
mit los. Auf meinem Weg zum Bus-
parkplatz ist die Gruppe plötzlich
verschwunden. Nach einer hastigen
Stadtrundfahrt durch die niederrhei-
nische Metropole erwische ich die
Pilger an einer Ausfallstraße. Da-
mit wir uns nicht wieder verlieren –
denn jetzt geht es auf Wirtschafts-
wegen durch Flur und Feld – soll
ich hinter den Pilgern herfahren. Mit
abgeblendeten Lichtern folgt der
Bus im Rosenmontagszugtempo.
Grandios. Die ersten Hähne haben
sich schon gemeldet, das Licht ver-
ändert sich ganz sanft. Kilometer
später entert Paul wieder das Be-
gleitfahrzeug und sanft wiegt ihn
das Rosenkranzgebet in eine wei-
tere Schlafrunde. 7:00 Uhr: Weeze!
Der örtliche Bäcker hat schon auf
und Paul kauft frische Brötchen. Im
Pfarrzentrum stehen Tische für uns
bereitet, es ist warm und angenehm.
Jetzt kommt der Kaffee! ImWissen,
dass es nur noch sieben Kilometer
sind, wird angeregt gefrühstückt.
Und weiter zum letzten Zwischen-
ziel, der Hubertus-Kapelle in Keylaer.
Dort überholen uns die Radpilger.
… nach Kevelaer
Nun hält es wirklich niemanden
mehr im Auto. Alle wollen das letzte
Stück zu Fuß gehen, den Turm der
Basilika im Blick. Die Füße tun weh.
Trotzdem: Alle strahlen.
Beim festlich gestalteten Pontifikal-
amt mit dem Speyerer Bischof Karl-
Heinz Wiesemann geht die Euphorie
in eine verdiente leichte Müdigkeit
über. Den besonderen päpstlichen
Segen, zu dessen Spendung der
jeweilige Pfarrer von Kevelaer seit
Jahrhunderten die Erlaubnis hat,
und der – verbunden mit Beichte
und Gebet – einen vollkommenen
Ablass gewährt, erleben viele Fuß-
pilger eher müde und dankbar.
Trotzdem: Toll war es! Vor allem die
Gruppe war großartig. Und der Weg.
Nächstes Jahr gehen wir wieder!
„Muss sein“, sagt Paul.
Maria Adams
Mitarbeiterseelsorgerin
Gnadenkapelle
Am Ortsrand von Kevelaer angekommen
CellitinnenForum 4/2017
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