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Das ‚Ich‘ nicht

vernachlässigen

Als die Kinder dann die Schule be-

suchten, richtete Luzia Beckmann

sich das Leben so ein, dass es auch

ihren Bedürfnissen entsprach: Sie

machte den Führerschein und teilte

sich das Auto mit ihrem Mann, der

als Oberbaurat in Bonn arbeitete.

Den Traum zu studieren, musste

die junge Mutter mit vier Kindern

endgültig begraben, aber sie be-

suchte begeistert Englisch-Kon-

versationskurse, engagierte sich

in den Schulen der Kinder und

gab Nachhilfe. Später vertrat sie

selbstbewusst und vehement im

Vorstand des Katholischen Deut-

schen Frauenbundes in Bonn und

im Ausschuss des Diözesanrates

‚Frauen in der Kirche‘ ihre Meinung,

sie saß als einzige Frau für die CDU

in Ausschüssen des Niederkasseler

Stadtrats und scheute sich auch

dort nicht, den männlichen Kol-

legen die Stirn zu bieten. Als die

Kinder flügge waren, berief man

sie als ‚ehrenamtliche Richterin‘

ans Verwaltungsgericht Köln. Dort

lernte Luzia Beckmann schon vor

den aktuellen Flüchtlingswellen viel

über Asylrecht, nebenbei auch über

Grundstücksrecht und Straßenbau.

Sie stritt und streitet bis heute über

Ost-, West- und Europapolitik,

Gleichberechtigung, Kirche und

alles, was die Gesellschaft bewegt,

sie liebte und liebt bis heute Lite-

ratur, besucht Literaturkurse, Kon-

zerte und Museen. Je mehr Freiheit

ihr die Kinder ließen, umso mehr

widmete sie sich ihren Interessen,

wobei die Familie nie zu kurz kam.

Zu Hause ging es manchmal zu

wie im Taubenschlag: Da waren

die Kinder, die Freunde der Kinder,

Austauschschüler und gestrande-

te junge Menschen, die auf ihrem

Europatrip bei Beckmanns vorüber-

gehend Quartier bezogen.

Ihre Überzeugungen gab Luzia

Beckmann an die Kinder weiter:

Die Leidenschaft für Literatur und

Bildung, die Überzeugungen und

Werte der katholischen Kirche und

Weltoffenheit. „Jetzt ist Erntedank“,

meint sie und blättert im Fotoalbum.

Die Kinder sind der Kirche treu ge-

blieben und halten zusammen,

haben den Mut, ihre Zukunft zu

gestalten, begegnen der Welt mit

Liebe, Respekt und im Vertrauen

auf Gott. Zu ihren Enkeln, mittler-

weile sind es zehn, hat die Seniorin

einen guten Kontakt, lernt deren

Freunde und Freundinnen kennen

und liest mit großem Interesse ihre

Bachelorarbeiten.

Im Sevicewohnen

Seit mehr als einemJahr wohnt Luzia

Beckmann schon imServicewohnen

für Senioren St. Ursula in Bornheim-

Hersel. Ihr Mann ist 2009 gestorben.

„Ich kann nur jedem raten, so lange

man noch fit ist, in ein Betreutes

Wohnen zu ziehen, damit man die

Annehmlichkeiten noch genießen

kann“, rät die rüstige Seniorin. „Ich

muss aber auch gestehen, dass

mir der Abschied von meinen vielen

Büchern schon weh tat“, ergänzt

sie. Sie macht das Beste daraus,

unternimmt Exkursionen mit dem

‚Bonner Heimat- und Geschichts-

verein‘ und ist begeisterte Teilneh-

merin der monatlich stattfindenden

Angebote des Kulturprogramms.

„Wenn man aufhört, neugierig zu

sein, wird man alt“, meint sie und

freut sich auf die kommenden Ur-

laubstage mit der Familie.

Ehepaar Beckmann im Kreise der Kinder und Enkel

CellitinnenForum 4/2017

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