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JURISPRUDENCE
116
forum
poenale
2/2008
deuteten, entspricht dieses Vorgehen der konstanten Recht
sprechung des Bundesgerichts (vgl. Heimgartner, Auslie
ferungsrecht, Zürich 2002, 131). Obschon Gerichte in
anderen Staaten in Einzelfällen auch schon wegen drohen
der Folter Auslieferungen an die Türkei abgelehnt haben
(vgl. den Hinweis in Erw. 4), hält diese Praxis vor dem
EGMR stand (vgl. Meyer-Ladewig, Europäische Men
schenrechtskonvention, 2. Aufl., Baden-Baden 2006, Art. 3
N 21 mit Hinweisen).
Weiter führt das BGer aus, dass in solchen Konstellatio
nen die Auslieferung nur unter der Bedingung zu gewähren
sei, dass der ersuchte Staat gewisse Verfahrensgarantien ab
gebe. Dabei verweist es auf verschiedene jüngere und ältere
Fälle, die teilweise den Auslieferungsverkehr mit der Türkei
aber auch mit Balkan- und osteuropäischen Staaten betra
fen. Dabei wird klargestellt, dass das vom BJ angegebene
Präjudiz – wonach von der Türkei grundsätzlich keine der
artigen Garantien einzuholen seien – nicht einschlägig ist,
weil es Taten betraf, die in überhaupt keinem politischen
Zusammenhang standen (Erw. 4.6). Das BGer schliesst, dass
die vom BJ eingeholten Garantien ungenügend seien und die
Auslieferung von der Zusicherung abhängig zu machen sei,
dass Botschaftsvertreter den Auszuliefernden jederzeit be
suchen können; zudemmüssen sich diese stets über den Ver
fahrensstand informieren und an Gerichtsverhandlungen
teilnehmen dürfen. Hinsichtlich des Ausgelieferten ist dem
gegenüber das Recht zuzusichern, dass er sich jederzeit an
die Schweizer Vertreter wenden könne.
IV. Schliesslich wird in Erw. 4.9 festgehalten, dass der Ent
scheid zusätzlich unter dem Vorbehalt eines rechtskräftigen
ablehnenden Asylentscheids stehe. Es würde zu weit führen,
an dieser Stelle auf das Verhältnis zwischen Asyl- und Aus
lieferungsverfahren einzugehen (vgl. dazu Vena, Parallele
Asyl und Auslieferungsverfahren, ASYL 2/07, 3 ff.).
V. Der Entscheid steht in der schweizerischen Tradition,
den völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und
gleichzeitig dem Schutz der Menschenrechte Nachachtung
zu verschaffen. Soweit die diplomatische Vertretung die
Kontrollpflicht wahrnimmt, die sich die Schweiz mit der
Übergabe eines Individuums an eine fremde Staatsgewalt
auferlegt hat, kann auf effiziente und pragmatische Weise
der Menschenrechtsschutz im Einzelfall gewährleistet wer
den. Allerdings sollte im Falle einer Verletzung der einge
gangen Bedingungen oder der Menschenrechte auch die
richtige Konsequenz – diplomatische Intervention und Ver
weigerung künftiger Rechtshilfe – gezogen werden.
Dr. Stefan Heimgartner, Rechtsanwalt, Oberassistent an der
Universität Zürich
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