05/ 2015
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Beratungsecke
BERATUNGSECKE
Die Spinne in der Yucca-Palme…
Moderne Mythen über die leitliniengerechte Beratung in der Apotheke
Die „Spinne in der Yucca-Palme“ ist so etwas wie ein Klassiker unter den Legenden der Moderne. Die Gewächse
wurden ursprünglich aus Madagaskar eingeführt und besaßen daher den Hauch des Exotischen. Umso glaubwür-
diger erschien die tausendfach erzählte Geschichte, eine Vogelspinne (wahlweise auch ein Skorpion) habe darin
ein Nest gehabt, und ihr Biss habe den Besitzer der Palme das Leben gekostet. Derart hartnäckige Mythen ranken
sich auch um die leitliniengerechte Beratung. Im Folgenden möchten wir etwas Licht in das Dunkel der Gerüchte
um die Beratung nach BAK-Leitlinie bringen:
„Ich brauche nur zu beraten,
wenn der Kunde explizit nach ei-
ner Beratung verlangt“
Bei der Informations- und Bera-
tungspflicht des Apothekers ge-
mäß § 20 ApBetrO handelt es sich
um eine Bringschuld des Apothe-
kers. Die Initiative zur Informa-
tion muss also vom Beratenden
ausgehen, auch wenn der Kunde
nicht ausdrücklich nach Beratung
verlangt.
„Die Anwendung der BAK-Leitli-
nie führt zu einer Beratung nach
Schema F“
In den BAK-Leitlinien zur Abgabe
von Arzneimitteln werden eine
sinnvolle Struktur für ein Bera-
tungsgespräch empfohlen und
Beispiele für mögliche Fragen an
den Kunden gegeben. Das be-
deutet nicht, dass das Beratungs-
gespräch immer mit den gleichen
Fragen geführt werden muss.
Wichtig ist vielmehr, dass der Be-
ratende im Dialog die notwendi-
gen Informationen sammelt, um
entscheiden zu können, ob die Ei-
gendiagnose des Kunden plausi-
bel erscheint, ob die Grenzen der
Selbstmedikation überschritten
sind und ob z. B. das gewünsch-
te Arzneimittel in diesem Fall ge-
eignet ist. Wie und mit welchen
Fragen die notwendigen Fakten
ermittelt werden, ist dem Bera-
tenden überlassen.
„Wenn ich eine bestimmte Frage
beim Testkauf nicht stelle, falle
ich durch“
Zum einen ist das Ergebnis eines
Testkaufs zur Beratungsqualität
nicht „durchfallen“ oder „nicht
durchgefallen“. Bei den ein-
fachen Szenarien wird die Struk-
tur der Beratung, nicht deren
fachlicher Inhalt bewertet. Der
pharmazeutische Fachprüfer at-
testiert als Testergebnis daher
eine umfassende, angemessene
oder verbesserungsfähige Struk-
tur des Beratungsgespräches.
Zum anderen wird damit letzt-
endlich bewertet, ob der Bera-
tende genügend Informationen
gesammelt hat, um die notwen-
digen Entscheidungen (Eigendi-
agnose plausibel? Grenzen der
Selbstmedikation überschritten?
Gewünschtes Arzneimittel geeig-
net? Welches Arzneimittel kann
ich empfehlen?) auf den indivi-
duellen Patientenfall zugeschnit-
ten treffen zu können. Frei nach
Paul Watzlawick: man kann nicht
nicht beraten. Auch wer nicht
fragt und dann ein Arzneimittel
abgibt, hat entschieden, dass die
Eigendiagnose plausibel ist, die
Selbstmedikation möglich und
das abgegebene Arzneimittel
geeignet ist. Und das blind, ohne
jegliche Information über den
Kunden. Darüber hinaus ist es für
das Testkaufergebnis noch wich-
tig, ob die für diesen Patienten-
fall notwendigen Informationen
zur Anwendung des Arzneimit-
tels vermittelt wurden.
„Um einen Testkauf zu bestehen
muss ich dem Kunden die Frage
„haben Sie noch Fragen?“ stel-
len“
Für die Erhebungen zur Bera-
tungsqualität gemäß BAK-Stan-
dard spielt diese Frage für das
Ergebnis keine Rolle. Gleichwohl
hat der Gesetzgeber mit der
vierten
Änderungsverordnung
zur Apothekenbetriebsordnung
festgeschrieben, dass der Apo-
theker sich vor Abgabe des Arz-
neimittels vergewissern muss, ob
und in welchem Umfang der Kun-
de weiteren Informations- und
Beratungsbedarf hat. Der Bera-