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SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014

15

PERSÖNLICH

«Die Probleme können wir

nicht aus eigener Kraft lösen»

Die Gemeinde Sternenberg (ZH) fusioniert per Januar 2015 mit der

Nachbargemeinde Bauma. Der 42-jährige Gemeindeschreiber

Stefan Mettler begleitete den Fusionsprozess eng.

Schweizer Gemeinde: Sie sind Ge-

meindeschreiber einer Kommune, die

es bald nicht mehr gibt. Konnten Sie

bei Ihrem Stellenantritt ahnen, dass so

etwas eintreten würde?

Stefan Mettler:

Ja, ich wusste es: Als

2012 die Stelle des Gemeindeschreibers

von Sternenberg ausgeschrieben wurde,

war bereits bekannt, dass es finanzielle

Probleme gab und diese möglicherweise

mit einer Fusion gelöst werden sollten.

Wieso haben Sie sich dennoch auf

die Stelle beworben?

Als Verwaltungsangestellter hatte ich

schon an früheren Stellen auf dem No-

tariat, dem Grundbuch- und dem Kon-

kursamt Erfahrungen mit der Abwick-

lung von Fusionen in der Privatwirtschaft

gesammelt. Es reizte mich, diesen Pro-

zess im öffentlichen Sektor zu begleiten.

Die massgebliche Beteiligung an diesem

Verfahren war denn auch eine Bedin-

gung, die ich bei meiner Bewerbung

stellte.

Wie präsentierte sich Ihnen

die Situation der Gemeinde damals?

Sternenberg hat 350 Einwohnerinnen

und Einwohnern, wovon etwa 200 steu-

erpflichtig sind. Diese Zahl ist seit Jahren

stabil. Das Gemeindegebiet erstreckt

sich über eine Fläche von etwas weni-

ger als neun Quadratkilometern und

liegt in der Bergzone II. Die 200 Steuer-

pflichtigen müssen 28 Kilometer Ge-

meindestrassen, das Leitungsnetz für

Wasser und Abwasser sowie 40 Kilome-

ter Bäche unterhalten. Dieser Sachver-

halt führte imVerlauf der Jahre zu einer

Pro-Kopf-Verschuldung von 10 000 Fran-

ken. Aufgrund des vorhandenen Wohn-

raums und der fehlenden Möglichkeit,

neuen Wohnraum zu erstellen, hätte sich

das auch in Zukunft nicht geändert.

War das der Grund, weshalb

Ihre Gemeinde die Fusion als einzigen

Ausweg sah?

Erschwerend kam dazu, dass es für un-

sere Gemeinde mit dem 2012 in Kraft

getretenen neuen Finanzausgleichsge-

setz des Kantons Zürich keine Möglich-

keit gab, die Lage aus eigener Kraft zu

verbessern. Denn bis dahin hatte der

Kanton einen grossen Teil der fehlenden

Mittel für die Erfüllung der gesetzlichen

Aufgaben beigesteuert. Die restlichen

Mittel wurden auf dem Kapitalmarkt auf-

genommen. Mit dem neuen Gesetz er-

halten wir jedoch keine speziellen Bei-

träge an Infrastrukturprojekte mehr. Und

eine Sonderbehandlung mit der Garan-

tie eines maximalen Steuerfusses gibt

es nach Ablauf der Übergangsfrist Ende

2017 nicht mehr.

Dann könnte Ihre Gemeinde aber

beim Kanton einen Antrag auf einen

individuellen Sonderlastenausgleich

für nicht selbst verschuldete über-

durchschnittliche Kosten einreichen.

Das wäre möglich, doch der Sonderlas-

tenausgleich sieht keine Defizitdeckung

vor. Ab 2018 müsste die Gemeinde des-

halb den Steuerfuss entsprechend ih-

rem Finanzbedarf festlegen. Sternen-

berg müsste nun bis Ende 2017 den vom

Übergangsausgleich abgedeckten Fehl-

betrag in den Rechnungen von jährlich

etwa 750000 Franken durch geeignete

Massnahmen reduzieren. Doch dieser ist

deutlich höher als der Ertrag von rund

665000 Franken, den wir pro Jahr mit

den Steuereinnahmen der 200 steuer-

pflichtigen Einwohnerinnen und Ein-

wohner erzielen.

Welche Rolle übernahmen Sie bei

der Fusion mit der Gemeinde Bauma?

Die ersteVerwaltungshandlung, die ich

als Gemeindeschreiber von Sternen-

berg vornahm, war das Verfassen ei-

nes Antrags an den Gemeinderat über

die Aufnahme von Fusionsverhandlun-

gen mit der Gemeinde Bauma. Später

nahm ich an sämtlichen Verhandlun-

gen als Moderator oder Berater teil

und verfasste die Abstimmungsvor-

lage für die Grundsatzabstimmung. Als

der Fusionsvertrag mit der 4200 Ein-

wohner zählenden Gemeinde Bauma

verhandelt wurde, fungierte ich als Be-

rater für unsere Kommune. Bei der Um-

setzung der Fusion bin ich einer der

Hauptakteure.

Welche Aufgaben gab es dabei

zu erledigen?

Es mussten strategische Schritte einge-

leitet werden, etwa vorgezogene Neu-

wahlen mit Kandidaten aus Sternen-

berg für den Gemeinderat der

fusionierten Kommunen. Zudem galt

es, denVoranschlag für das Budget 2015

zu machen und zu verabschieden. Da die

Fusion auch Auswirkungen auf invol-

vierte Zweckverbände hat, musste auf

operativer Ebene sichergestellt werden,

dass die Infrastruktur weiterhin funktio-

niert – etwa die Strom- und Wasserver-

sorgung oder die Abfallentsorgung.

Werden Sie nach der erfolgten Fusion

auf der Gemeindeverwaltung von

Bauma arbeiten?

Nein. Da ich teilweise harteVerhandlun-

gen mit der Gemeinde Bauma führte, ist

dies für mich nicht denkbar. Mein Ar-

beitsverhältnis ist per Ende Jahr ge-

kündigt. Was danach kommt, ist noch

offen.

Interview Julia Konstantinidis

Stefan Mettler,

Bild: zvg

Gemeindeschreiber, Sternenberg (ZH).