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SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014
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SKSG
Erfolgsrezept: Die Beteiligung
Stadtentwicklung ist ein komplexer Prozess. Sitzen alle Betroffenen früh am
gleichen Tisch, entsteht ein Beziehungsnetz zwischen Behörden, Bewohnern,
Investoren und Bauherren. Auf dieses «soziale Kapital» kann gesetzt werden.
Im Rahmen der Stadtplanungsrevision
von 2003 wurde im Generellen Gestal-
tungsplan des Stadtteils Chur West ein
Hochhausgebiet ausgeschieden. Mit den
beiden «TwinTowers CityWest» wurden
im Jahr 2010 die ersten Hochhäuser er-
stellt. Weitere Hochhausprojekte ver-
schiedener Investoren machten in der
Folge eine Standortbestimmung erfor-
derlich. Um den hohen Anforderungen
gerecht zu werden, erliess der Stadtrat
im Jahr 2012 für den Hochhausbereich
Chur West eine Planungszone.
Konzept muss überzeugen
Die Entwicklung eines Quartiers wie je-
nes von Chur West ist eine sehr an-
spruchsvolle Aufgabe, umso mehr, als
der Perimeter bereits mit Nutzungen
belegt ist. Dies erfordert ein überzeugen-
des Gesamtkonzept und die Bereitschaft
aller Beteiligter, flexibel und weitsichtig
zu handeln. Aus diesemGrund entschied
der Stadtrat, die Entwicklung von Chur
West in einem kooperativen und partizi-
pativen Klima anzugehen und den Weg
eines öffentlichen Beteiligungsverfah-
rens zu beschreiten.
Man könnte argumentieren, dass bereits
genügend Instrumente existieren, um
Bürgerinnen und Bürger am Prozess des
Entscheidens zu beteiligen.Weshalb also
noch Bürgerdialoge, Beteiligungsverfah-
ren und andere «Events»? DieVergangen-
heit hat im Zusammenhang mit grossen
Infrastruktur- und Bauvorhaben gezeigt,
dass die Bürgerinnen und Bürger es oft-
mals als ungenügend empfinden, erst
am Ende des Verfahrens beigezogen zu
werden. Es reicht ihnen nicht, entweder
im Rahmen einer Gemeindeversamm-
lung letzte Einwände erheben oder an
der Urne dafür oder dagegen stimmen
zu können.
World Café als Gesprächsraum
Mit einer Informationsveranstaltung, zu
der über 200Anwohnende, Grundeigen-
tümer und Investoren eingeladen waren,
wurde das Beteiligungsverfahren im
Juni 2013 lanciert. Unter Beizug des ex-
ternen Moderators Daniel Osterwalder
fand drei Monate später die erste Gross-
gruppenveranstaltung mit 140 Teilneh-
menden statt. Als Format wurde das
«World Café» gewählt, eine Methode,
die auf sehr einfacheArt und Weise viele
Betroffene und Beteiligte miteinander
ins Gespräch bringt. Die direkt auf den
Tischdecken festgehaltenen Erkennt-
nisse wurden durch eine Visualisiererin
zusammengefasst, ins Bild gesetzt und
vom Prozessteam ausgewertet.
Aus elf mach fünf, mach eins
Aus dem Mitwirkungsprozess gingen
Vorschläge für elf Arbeitsgruppen her-
vor, die thematisch zusammengefasst
und auf fünf Fachgruppen reduziert wur-
den. Diese Fachgruppen erhielten den
Auftrag, Umsetzungsvorschläge zu erar-
beiten. Parallel zu den Arbeitsgruppen
wurde innerhalb der Stadtverwaltung
das Anforderungsprofil an die städtische
Infrastruktur und den öffentlichen Raum
definiert. Gleichzeitig erarbeitete die
städtische Liegenschaftenverwaltung
eine konzeptionelleVorstellung, wie mit
dem Grundbesitz innerhalb der Pla-
nungszone umgegangen und unter wel-
chen Bedingungen bestehende Bau-
rechte verlängert werden sollen.
Die betroffenen Grundeigentümer und
Investoren innerhalb der Planungszone
Chur West wurden durch den Stadtrat
über die Resultate des Beteiligungsver-
fahrens informiert mit der Bitte, der
Stadtentwicklung ihren aktuellen Stand
der Projektierung (Vorprojekt, Studie)
bekannt zu geben. Zurzeit wird ein Are-
alplan erarbeitet, der die räumliche Ab-
grenzung von Teilräumen (Quartier-
pläne) inklusive möglicher inhaltlicher
Zielformulierungen beinhalten wird.
Die Abhängigkeiten erkannt
Der durchgeführte Beteiligungsprozess
hat in einem frühen Zeitpunkt zu einer
unmittelbaren Auseinandersetzung mit
dem Entwicklungsgebiet geführt, was in
einer hohen Betroffenheit und Identifi-
kation der Beteiligten mit den Ergebnis-
sen mündete. Insbesondere künftige
Investoren und Bauherren haben im
Laufe des Prozesses ihre Abhängigkeit
zu anderen Akteuren im Gebiet erkannt
und diese Überlegungen in ihre eigene
Parzellenentwicklung aufgenommen.
Das innerhalb des Prozesses entstan-
dene «soziale Kapital», insbesondere in
Form eines Beziehungsnetzes zwischen
der öffentlichen Hand, den Privaten und
den Investoren, bildet eine wichtige Ba-
sis für die weitere Zusammenarbeit und
die Konkretisierung des Gebietes. Das
gewählteVorgehen erlaubt es, frühzeitig
zu erkennen, wo Differenzen undWider-
stände zu welchen Ideen und Ansätzen
bestehen, um diesen im weiteren Pro-
zess frühzeitig begegnen zu können.
Markus Frauenfelder,
Stadtschreiber von Chur
Seit 2003 können in Chur West Hochhäuser gebaut werden.
Bild: Walter Schmid