‚Das Dorf der Ungläubigen‘
ImDorf wartete schon unser kleiner
Bus, um uns in Richtung Gondar
zu bringen. Eine kurze Stippvisi-
te machten wir im sogenannten
‚Dorf der Ungläubigen‘ Awra Amba.
Hier gibt es keine Religionen, eine
Selbstverwaltung, Gleichberechti-
gung von Mann und Frau sowie
Zusammenarbeit aller zum gemein-
samen Wohl. Alle Kinder gehen in
die Schule, Zwangsheirat, Genital-
verstümmelung und Kinderarbeit
sind verboten. Beim Rundgang
durch das Dorf sahen wir den Kin-
dergarten, die Schule, die Biblio-
thek und die eigene Weberei.
Danach schraubte sich unser Bus
immer höher hinauf in Richtung
Gondar. Vorbei ging es an riesigen
Feldern mit reifer Gerste, Weizen
und Tef, sodass wir uns kaum vor-
stellen konnten, dass Äthiopien
ein ‚Hungerland‘ sein soll. Hohe
Felskegel, die durch vulkanische
Aktivitäten entstanden sind, ragen
beinahe senkrecht aus der Land-
schaft heraus. Der größte wird als
‚Finger Gottes‘ bezeichnet.
Gondar, die alte Königsstadt aus
dem 17. und 18. Jahrhundert,
liegt 2.300 Meter hoch. Sie gehört
zu den großen religiösen Zentren
des Landes. Der Palastbezirk, der
Gemp, erstreckt sich über 7000 qm
und erhebt sich mitten in der Stadt.
Der Palast des Kaisers Fasilidas ist
das älteste Gebäude. Das Wahr-
zeichen der Stadt hat eine Mauer
mit 12 Toren und wirkt wie eine
mittelalterliche europäische Burg.
Auf demGelände stehen noch wei-
tere imposante Gebäude, so die
Bibliothek des Yohannes, der Palast
des Kaisers Bakaffa, der Kaiserin
Mentewab und das Archiv. Nach
der Besichtigung des Palastbezir-
kes sorgte ein Besuch des Marktes
für Abwechslung, bevor wir in der
Klosterkirche Debre Berhan Se-
lassi die wunderschönen Wand-
und Deckenmalereien bestaunen
konnten. Anschließend stand noch
ein Besuch des Bads des Kaisers
Fasilidas auf dem Programm, wo
das farbenprächtige Timkat-Fest –
die Taufe Jesus Christus = Epipha-
nie – jedes Jahr zwei Tage lang
gefeiert wird. Nach so viel Kultur
und Geschichte statteten wir dem
landesweit bekannten Biergarten,
der Dashen Brewery, einen Besuch
ab, bevor der Abend mit gutem
Essen, Tanz und Gesang ausklang.
Reizvolle Fauna und Flora
Am nächsten Tag ging es weiter
durch eine bizarre Bergwelt mit
tiefen Schluchten, Tafelbergen,
steilen Abhängen und halsbre-
cherischen Serpentinen, bis wir
Debark erreichten, den Ausgangs-
punkt für unsere Wanderung im
Semien-Nationalpark, der seit 1978
UNESCO-Weltkulturerbe ist und
auch als Dach Afrikas bezeichnet
wird. Sein höchster Berg ist der Ras
Dashen mit 4.543 Metern. In dieser,
durch Vulkanausbrüche geformten
Gebirgslandschaft, sind noch Läm-
mergeier, Steinböcke, äthiopische
Wölfe und Dscheladas (Rotbrust-
paviane) zu Hause. In Begleitung ei-
nes schwer bewaffneten Aufsehers
schraubte sich unser Bus immer
weiter hinauf in den Nationalpark.
Dabei wurde uns klar, die größte
Herausforderung für den National-
park ist, die menschlichen Ansied-
lungen und die landwirtschaftliche
Nutzung in Einklang mit der Natur
zu bringen. Wir wanderten auf al-
ten Hirtenpfaden, die Luft wurde
dünner und die Sonnenstrahlung
immer intensiver. Dabei bot sich uns
ein atemberaubender Blick über die
Bergketten. Es duftete nach wildem
Thymian, Wacholder-, Baumheide-
und Kossobäume säumten unseren
Weg und schließlich überraschte
uns eine große Herde Dscheladas,
die friedlich auf einem Bergrücken
graste. Nach ausgiebiger Be-
obachtung der seltenen Tiere ging
es zurück zu unserem Hotel.
Fortsetzung folgt in Heft 3/2017
Doris Strehlow
Ehemalige Chefarztsekretärin
am Heilig Geist-Krankenhaus
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CellitinnenForum 2/2017
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