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42

GOLF TIME

|

1-2016

www.golftime.de

FANTASY MATCHPLAY

J

unge Menschen haben mit neuarti-

ger Technologie keine Berührungs-

ängste. Und so war es ein Leichtes,

den amtierenden Masters-Cham-

pion Jordan Spieth in den redak-

tionseigenen Zeitmaschinen-Proto-

typ, genannt „GOLF TIME MACHINE“, zu

locken. Ich habe ihm einfach erzählt, bei der

schiffscontainergroßen Metallkonstruktion

handle sich um einen besonders realistischen

Golfsimulator, in dem es möglich sei, sich auf

dem Augusta National mit dem jungen Jack

Nicklaus zu duellieren. Und so steht er wirk-

lich dem Goldenen Bären gegenüber – jedoch

nicht virtuell, sondern einem ganz realen

23-jährigen Jack Nicklaus im Mai 1963!

Während die beiden jungen Männer Höflich-

keiten austauschen, begutachtet Jacks Cad-

die Willie Peterson kopfschüttelnd Spieths

Schläger. Als er den Titleist-Driver mit sei-

nem riesigen Titanium-Kopf entdeckt, fragt

er entgeistert: „Habt ihr den in der Altme-

talltonne gefunden oder bratet ihr damit eure

Frühstückseier?“

„Wow, diese Simulation ist ja unglaublich

real“, strahlt Spieth entzückt und versucht

erfolglos, Nicklaus in die Wange zu kneifen.

Dieser brummt reserviert: „Mir ist egal,

mit welchem Schrott du spielst, Jungchen.

Solange du nur den Einsatz bringen kannst.

500 Dollar pro Loch – darunter brauchen wir

gar nicht erst anzufangen.“

„Diese alten Autos vor dem Clubhaus und

was die beiden erst für schräge Klamotten

anhaben“, freut sich Jordan Spieth, „den Golf-

simulator brauche ich unbedingt in meinem

neuen Haus!“

„Ist der Typ etwa high?“, fragt mich

Peterson und Nicklaus macht schon erste An-

stalten zu gehen.

„500 sind völlig in Ordnung“, rufe

ich schnell in die Runde.

„Gerne auch 1000. Oder 10.000“, ergänzt

Spieth lachend. „Mann, letztes Jahr habe ich

hier 1,8 Millionen verdient.“

„Der ist high!“, stellt Peterson fest und

winkt ab. Ich öffne flugs meine Geldbörse

und erlaube ihm einen kurzen Blick auf ein

imposant dickes Geldbündel. Peterson zuckt

lächelnd mit den Schultern. „Andererseits ist

das auch die Art Grünzeug, die wir hier unten

zu schätzen wissen!“

Nicklaus darf als Erster schlagen und eröff-

net mit einem seiner berüchtigten Drives.

Von seinem Schlägerkopf aus Persimmon-

Holz prallt sein Spalding-Ball knapp 240

Meter weit exakt in die Mitte des Fairways.

„So kurz!“, entfährt es Spieth. Nicklaus,

der gerade noch siegesgewiss gelächelt hat,

wirkt wie vom Blitz getroffen.

„Die erste Bahn! Sie ist so kurz!“, ergänzt

der Junge aus der Zukunft. Dann legt er einen

Ball auf den Abschlag und zieht voll durch.

Das metallene Geräusch, das sein Driver

erzeugt, als die hauchdünne Titanium-

Schlagfläche auf den Titleist Pro V1-Ball trifft,

lässt Nicklaus und Peterson erschrocken zu-

sammenzucken. Beide starren ungläubig

dem Golfball hinterher, der am Horizont zu

verschwinden scheint und schließlich fast

50 Meter hinter Jacks Ball auf dem kurzge-

mähten Rasen zum Stillstand kommt.

Spieth erklärt mir, dass die Bahn in

Zukunft über 400 Meter lang sein wird. Im

Jahr 1963 sind es gerade einmal 360 Meter.

Nicklaus muss aus 120 Metern Entfer-

nung ein Eisen 9 in die Hand nehmen und

legt den Ball etwa acht Meter an die Fahne.

Sein Gegner schnalzt anerkennend mit der

Zunge. Spieth benötigt nur noch ein kleines

Wedge. Sein Ball landet mindestens zehn

Meter hinter dem Ziel, entwickelt jedoch

enormen Backspin und rollt wie von Geister-

hand gezogen bis auf wenige Zentimeter ans

Loch.

Nicklaus verfehlt zu seinem Ärger den

Birdie-Putt und Spieth geht in Führung.

Auch der Anblick der zweiten Bahn

versetzt Jordan in kindliche Begeisterung.

„Da fehlt der Fairway-Bunker rechts imKnick

des Doglegs und die Bäume sind viel kleiner.

Da kann ich ja voll abkürzen!“

Nicklaus und Peterson starren ihn an, als

hätte er nun komplett den Verstand verloren.

Spieth schlägt seinen Ball über die Bäume

hinweg auf ein unsichtbares Ziel zu. An-

schließend grinst er wie ein Lausbub, der sich

die Keksdose unter den Nagel gerissen hat.

„Darf ich mal sehen“, fragt Nicklaus Spieth

und deutet auf dessen Driver.

„Sicher“, antwortet Jordan höflich und

reicht Jack sein Holz 1. „Aber nimm auch

einen guten Ball“, ergänzt er und überlässt

ihm noch einen seiner Pro V1-Bälle.

Nach einigen Probeschwüngen legt Nick-

laus den Ball auf das Tee. Mit ungezügel-

„MANN, LETZTES JAHR

HABE ICH HIER

1,8 MILLIONEN VERDIENT“

Der Masters-Champion von 2015 hält sich

nicht mit Kleingeld auf

Von Götz Schmiedehausen

SCIENCE FICTION

Was wäre, wenn Jordan Spieth

und Jack Nicklaus in Bestform ihre Schläger kreuzten?