Previous Page  43 / 100 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 43 / 100 Next Page
Page Background www.golftime.de

GOLF TIME

|

1-2016

43

ter Kraft und perfekter Technik

prügelt er ihn schließlich schnur-

gerade in den blauen Himmel.

„Wow! Tigerline!“, entfährt es

Spieth.

Wenige Minuten später kann man erken-

nen, dass Nicklaus’ Ball gute 30 Meter weiter

geflogen ist als Spieths Spielgerät. Von dem

leicht abschüssigen Par 5 begünstigt, hat er

annähernd 350 Meter überwunden.

Spieth erreicht das Grün mit einem

Eisen 6. Sein Ball liegt fünf Meter vom Stock

entfernt. Als sich sein Gegner aus 140 Metern

ebenfalls ein Eisen 6 – jedoch aus dem Jahr

1963 – reichen lassen will, bietet ihm Jordan

höflich sein modernes Eisen 9 an.

„Probier es, Jack. Du wirst überrascht

sein“, überzeugt er ihn.

Nicklaus’ Schwung ist reine Poesie. Der

Ball zischt wie eine Rakete nach oben und

Peterson pfeift anerkennend durch die Zähne.

Wie ein leicht flügellahmer Schmetterling

landet die Kugel einen Meter hinter der

Fahne, rollt sanft zurück, touchiert das Loch,

umkreist es und verschwindet.

„Heiliger Sarazen!“, brüllt Jacks Caddie.

Spieth hebt die Hand zum „High 5“, Nick-

laus sieht ungläubig von dem Schläger zu dem

glücksstrahlenden Jungen, sein Arm folgt der

Bewegung und Jordan klatscht ihn ab.

Auf der nächsten Bahn besteht Spieth

darauf, dass sie ab jetzt nach jeder Bahn ihre

Ausrüstungen tauschen. Nicklaus produziert

mit Spieths Driver einen weiteren monströ-

sen Abschlag, der kurz vor dem Grün des 320

Meter langen Par 4-Lochs liegen bleibt. Spieth

entlockt Jacks Holz 1 und dem altertümli-

chen Ball kaum mehr als 220 Meter und trifft

zudem zentral den großen Fairwaybunker.

„Aus dem einen großen würde ich gerne

vier kleine Bunker machen“, erklärt der sicht-

lich begeisterte Nicklaus im Plauderton.

„Das wirst du auch noch. So in etwa 20

Jahren“, freut sich Spieth und klopft ihm

kumpelhaft auf die Schulter.

JAHRGANG:

1993

SPITZNAME:

Golden Child

STÄRKE:

Kompletter Spieler

SCHWÄCHE:

Im Tour-

vergleich eher durchschnitt-

liche Drive-Länge

ALTER BEIM ERSTEN

MAJOR-SIEG:

21 Jahre

JAHRGANG:

1940

SPITZNAME:

Golden Bear

STÄRKE:

Urwüchsige Kraft

SCHWÄCHE:

Süßspeisen aller Art,

vor allem Eiscreme

ALTER BEIM ERSTEN

MAJOR-SIEG:

22 Jahre

„MIR IST EGAL, MIT

WELCHEM SCHROTT DU

SPIELST, JUNGCHEN.

500 DOLLAR PRO LOCH

– DARUNTER BRAUCHEN

WIR GAR NICHT ERST

ANZUFANGEN“

Jack Nicklaus hat keine Lust auf Kindereien

„Ganz klar high“, raunt mir

Peterson zu, der beim Gehen

jeden Schläger aus Spieths Tasche

genauestens untersucht.

Spieth schafft es mit Nicklaus’

Wedge kaum bis zum Grün, lacht jedoch

trotzdem: „Mann, der Schaft hat ja die

Flexibilität einer Bahnschiene. Und der Ball

erst. Ich kenne Flusskiesel, die weicher sind.“

Mit Nicklaus’ Besteck hat Spieth keine

Chance, andersherum hingegen kann Jack

mit dessen Material trotzdem einige Punkte

teilen und auf Bahn 12 sogar gewinnen, da

Spieths Ball im rechten, hinteren Sandbunker

des Par 3-Lochs unspielbar eingebohrt ist.

„Ist das Grün tiefergelegt“, wundert sich

Jordan, „das habe ich höher in Erinnerung.“

„Das hat Arnie 1958 auch gemeint“, erin-

nert sich Nicklaus. „Und sich aus dem Ding

raus und ins grüne Jackett rein diskutiert.“

Nach Loch 16 ist das Match gelaufen,

Nicklaus gewinnt die Partie deutlich mit 4&2.

„40.000 Dollar, oder?“, meint Spieth beim

Handshake.

Nicklaus, der nur ein Jahr älter und sogar

sieben Zentimeter kleiner als sein Gegner ist,

wehrt lächelnd ab: „Junge, das war doch nur

ein Scherz. Zudem, das wäre ja doppelt soviel

wie mein Masters-Preisgeld.“

„Echt jetzt?“, entfährt es Spieth verdutzt,

„so wenig Preisgeld?“

„Voll high, der Typ“, murmelt Peterson

nicht zum ersten Mal.

„Aber falls du mir den einen oder anderen

deiner Schläger überlassen könntest . . .“, sagt

Jack höflich lächelnd und blickt auf Jordans

Ausrüstung.

„Hier, nimm gleich die ganze Tasche“,

freut sich Jordan.

Zurück im Jahr 2016 verlassen wir die GOLF

TIME MACHINE. Am Abend bekomme ich

einen Anruf von Jordan Spieth. Er möch-

te wissen, ob seine Golfausrüstung noch in

diesem „Simulator“ steht. Er vermisst sein

Smartphone, das wahrscheinlich noch in ei-

ner der Seitentaschen des Bags steckt. Dann

fragt er mich, ob ich eigentlich wüsste, dass

Jack Nicklaus während seiner Karriere 45

Major-Turniere gewonnen hat.

„Ich hätte schwören können, dass es

nur 18 gewesen sind“, sagt er am Ende des

Gesprächs, „wird echt hart, da jemals ran zu

kommen.“

„Tja, viel Glück“, wünsche ich ihm geistes-

abwesend, denn ich starre ungläubig auf

meinen Computerbildschirm. Dort steht in

einem Wikipedia-Artikel, dass Jack Nicklaus

in den Siebzigerjahren ein Technologieunter-

nehmen gegründet hat. Heute gilt er angeb-

lich als der reichste Mensch der Welt.

Mich beschleicht ein furchtbarer Verdacht.

Als ich mit zitternden Händen mein iPhone

umdrehe, prangt dort, wo eigentlich ein stili-

sierter Apfel zu sehen sein sollte, das Symbol

eines goldenen Bären.

GT

JACK

NICKLAUS

JORDAN

SPIETH