GOLF TIME
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1-2016
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ter Kraft und perfekter Technik
prügelt er ihn schließlich schnur-
gerade in den blauen Himmel.
„Wow! Tigerline!“, entfährt es
Spieth.
Wenige Minuten später kann man erken-
nen, dass Nicklaus’ Ball gute 30 Meter weiter
geflogen ist als Spieths Spielgerät. Von dem
leicht abschüssigen Par 5 begünstigt, hat er
annähernd 350 Meter überwunden.
Spieth erreicht das Grün mit einem
Eisen 6. Sein Ball liegt fünf Meter vom Stock
entfernt. Als sich sein Gegner aus 140 Metern
ebenfalls ein Eisen 6 – jedoch aus dem Jahr
1963 – reichen lassen will, bietet ihm Jordan
höflich sein modernes Eisen 9 an.
„Probier es, Jack. Du wirst überrascht
sein“, überzeugt er ihn.
Nicklaus’ Schwung ist reine Poesie. Der
Ball zischt wie eine Rakete nach oben und
Peterson pfeift anerkennend durch die Zähne.
Wie ein leicht flügellahmer Schmetterling
landet die Kugel einen Meter hinter der
Fahne, rollt sanft zurück, touchiert das Loch,
umkreist es und verschwindet.
„Heiliger Sarazen!“, brüllt Jacks Caddie.
Spieth hebt die Hand zum „High 5“, Nick-
laus sieht ungläubig von dem Schläger zu dem
glücksstrahlenden Jungen, sein Arm folgt der
Bewegung und Jordan klatscht ihn ab.
Auf der nächsten Bahn besteht Spieth
darauf, dass sie ab jetzt nach jeder Bahn ihre
Ausrüstungen tauschen. Nicklaus produziert
mit Spieths Driver einen weiteren monströ-
sen Abschlag, der kurz vor dem Grün des 320
Meter langen Par 4-Lochs liegen bleibt. Spieth
entlockt Jacks Holz 1 und dem altertümli-
chen Ball kaum mehr als 220 Meter und trifft
zudem zentral den großen Fairwaybunker.
„Aus dem einen großen würde ich gerne
vier kleine Bunker machen“, erklärt der sicht-
lich begeisterte Nicklaus im Plauderton.
„Das wirst du auch noch. So in etwa 20
Jahren“, freut sich Spieth und klopft ihm
kumpelhaft auf die Schulter.
JAHRGANG:
1993
SPITZNAME:
Golden Child
STÄRKE:
Kompletter Spieler
SCHWÄCHE:
Im Tour-
vergleich eher durchschnitt-
liche Drive-Länge
ALTER BEIM ERSTEN
MAJOR-SIEG:
21 Jahre
JAHRGANG:
1940
SPITZNAME:
Golden Bear
STÄRKE:
Urwüchsige Kraft
SCHWÄCHE:
Süßspeisen aller Art,
vor allem Eiscreme
ALTER BEIM ERSTEN
MAJOR-SIEG:
22 Jahre
„MIR IST EGAL, MIT
WELCHEM SCHROTT DU
SPIELST, JUNGCHEN.
500 DOLLAR PRO LOCH
– DARUNTER BRAUCHEN
WIR GAR NICHT ERST
ANZUFANGEN“
Jack Nicklaus hat keine Lust auf Kindereien
„Ganz klar high“, raunt mir
Peterson zu, der beim Gehen
jeden Schläger aus Spieths Tasche
genauestens untersucht.
Spieth schafft es mit Nicklaus’
Wedge kaum bis zum Grün, lacht jedoch
trotzdem: „Mann, der Schaft hat ja die
Flexibilität einer Bahnschiene. Und der Ball
erst. Ich kenne Flusskiesel, die weicher sind.“
Mit Nicklaus’ Besteck hat Spieth keine
Chance, andersherum hingegen kann Jack
mit dessen Material trotzdem einige Punkte
teilen und auf Bahn 12 sogar gewinnen, da
Spieths Ball im rechten, hinteren Sandbunker
des Par 3-Lochs unspielbar eingebohrt ist.
„Ist das Grün tiefergelegt“, wundert sich
Jordan, „das habe ich höher in Erinnerung.“
„Das hat Arnie 1958 auch gemeint“, erin-
nert sich Nicklaus. „Und sich aus dem Ding
raus und ins grüne Jackett rein diskutiert.“
Nach Loch 16 ist das Match gelaufen,
Nicklaus gewinnt die Partie deutlich mit 4&2.
„40.000 Dollar, oder?“, meint Spieth beim
Handshake.
Nicklaus, der nur ein Jahr älter und sogar
sieben Zentimeter kleiner als sein Gegner ist,
wehrt lächelnd ab: „Junge, das war doch nur
ein Scherz. Zudem, das wäre ja doppelt soviel
wie mein Masters-Preisgeld.“
„Echt jetzt?“, entfährt es Spieth verdutzt,
„so wenig Preisgeld?“
„Voll high, der Typ“, murmelt Peterson
nicht zum ersten Mal.
„Aber falls du mir den einen oder anderen
deiner Schläger überlassen könntest . . .“, sagt
Jack höflich lächelnd und blickt auf Jordans
Ausrüstung.
„Hier, nimm gleich die ganze Tasche“,
freut sich Jordan.
Zurück im Jahr 2016 verlassen wir die GOLF
TIME MACHINE. Am Abend bekomme ich
einen Anruf von Jordan Spieth. Er möch-
te wissen, ob seine Golfausrüstung noch in
diesem „Simulator“ steht. Er vermisst sein
Smartphone, das wahrscheinlich noch in ei-
ner der Seitentaschen des Bags steckt. Dann
fragt er mich, ob ich eigentlich wüsste, dass
Jack Nicklaus während seiner Karriere 45
Major-Turniere gewonnen hat.
„Ich hätte schwören können, dass es
nur 18 gewesen sind“, sagt er am Ende des
Gesprächs, „wird echt hart, da jemals ran zu
kommen.“
„Tja, viel Glück“, wünsche ich ihm geistes-
abwesend, denn ich starre ungläubig auf
meinen Computerbildschirm. Dort steht in
einem Wikipedia-Artikel, dass Jack Nicklaus
in den Siebzigerjahren ein Technologieunter-
nehmen gegründet hat. Heute gilt er angeb-
lich als der reichste Mensch der Welt.
Mich beschleicht ein furchtbarer Verdacht.
Als ich mit zitternden Händen mein iPhone
umdrehe, prangt dort, wo eigentlich ein stili-
sierter Apfel zu sehen sein sollte, das Symbol
eines goldenen Bären.
GT
JACK
NICKLAUS
JORDAN
SPIETH