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Breve. C. Niebuhr til Suhm.

31*

wird es Denenselben bekannt seyn, dasz der erste Band des er­

wähnten Wercks zur Jubilate Messe noch nicht fertig gewesen ist.

Des Hofrath Tychsens Abhandlung über den vermeynten Stuhl

Petri in der Marcus Kirche zu Venedig hat die Würkung gehabt,

dasz der Senat die an dem Stuhl befindliche Inschrift näher hat

untersuchen lassen, und man hat sich genöthigt gefunden, dem

Ketzer Recht zu geben. Hätte Hr. Tychsen seine Abhandlung dem

Patriarchen und dem Senate zu Venedig persönlich wie jetzt

schriftlich eingehändigt, so möchte ihm solches, wo nicht sein

Leben, so doch wenigstens seine Freyheit gekostet haben.

Ich wünsche gewisz nicht mehr als endlich auch den dritten

Band meiner Reisebeschreibung liefern zu können, ich kann aber

nicht anhaltend daran arbeiten und daher auch noch nicht be­

stimmen wenn er wird erscheinen können. Unterdesz habe ich

schon verschiedenes in das Deutsche Museum einrücken lassen

das für den 3ten Band bestimmt ist. Jetzt beschäftige ich mich

mit einer Abhandlung über die Verfassung des Otmannischen Reichs,

wovon der Anfang in dem Stücke für den Monat Julius erscheinen

wird. Es wird mir sehr angenehm seyn wenn Ew. Hoch und

Wohlgebohrner mein über die Türcken geführtes Raisonnement

gegründet finden werden.

W ir haben seit einiger Zeit zwey Beschreibungen türckischer

Provinzen erhalten, derer Verfasser auch die Landessprache gelernt

haben, nemlich Tott und Volney. Diese beschreiben die Morgen­

länder ganz anders als die vorigen Reisebeschreiber. Indesz ist

es mir leid, dasz Tott den 4ten Theil seiner Memoiren hat drucken

lassen, denn dazu hat er alle Materialien von seinen Landsläuten

gesammlet. Er verstand gut türkisch und griechisch, aber nicht

arabisch, er konnte also in Egypten und Syrien nicht selbst mit

den Eingebohrnen sprechen. Jetzt bin ich sehr begierig auf das

grosze Werck des Muradsja. Der Verfasser, ein Grieche, war viele

Jahre schwedischer Dolmetscher bey der Pforte, und die Schweden

haben bereits zum voraus viel Wesens von seinem Wercke ge­

macht. W ir werden dann auch ja wohl sehen, ob er ohne Vor-

urtheil geschrieben hat, ob die Knechtschaft der Griechen ihn

nicht noch in seinem Alter ancklebet.

Ich empfehle mich Dero fernem Gewogenheit, und verbleibe

mit vollkommenster Hochachtung

Ew. Hochwolilgebohren gehorsamster Diener

Niebuhr.

Meldorf d. 3ten Juni 1788.