der nichts anderes enthält als eine
weißliche Steinsäule. Erst beim ge-
nauen Hinschauen erkannten wir,
dass sie beschriftet ist, und zwar in
Altsüdarabisch, Altäthiopisch und
Griechisch.
Am frühen Morgen des nächsten
Tages flogen wir nach Lalibela
(2.500 m ü.M.), der Stadt, die den
Namen eines Königs trägt. Die Le-
gende erzählt, dass König Harbay
seinen jüngeren Bruder vergiften
wollte. Dieser sei aber in einen drei-
tägigen Traum gefallen, in dem ihm
Gott erschien und ihm auftrug, ein
neues Jerusalem in Äthiopien zu
bauen. Nach dem Erwachen soll
ihn ein Bienenschwarm umschwirrt
haben. Daraufhin erhielt er den Na-
men Lalibela, was so viel wie ,die
Bienen erkennen seine Herrschaft
an‘ bedeutet. Harbay dankte ab,
Lalibela wurde zum König gekrönt
und erbaute insgesamt elf Kirchen.
Weiter heißt es in der Legende:
tagsüber bauten die Menschen,
nachts die Engel.
Elf Kirchen
Die erste und größte monolithi-
sche Kirche der Welt, die wir be-
sichtigten, war die Bete Medhane
Alem ,Erlöser der Welt‘. Sie ist eine
gewaltige Basilika, deren Inneres
durch vier Pfeilerreihen in fünf
Schiffe aufgeteilt ist. Durch einen
acht Meter langen Tunnel gelangten
wir zur Kirche Beta Maryam, die
außen schlicht gehalten, im Inneren
aber reich ausgeschmückt ist. Über
dem Haupteingang befindet sich
ein plastisches Relief, das zwei
Lanzenreiter mit einem Drachen
und einem Greifvogel zeigt, was
für die äthiopische Kunst außer-
gewöhnlich ist. Im Hof stehen drei
frühchristliche Taufbecken, die auch
heute noch beim Timkat-Fest eine
wichtige Rolle spielen.
Danach statteten wir der Doppel-
kirche Bete Mikael und Golgatha
einen Besuch ab. Bete Mikael ist
ein an drei Seiten freistehender
Monolith, daran schließt nahtlos
Bete Golgatha an, wo Frauen der
Zutritt nicht gestattet ist. Von unse-
ren männlichen Mitreisenden wurde
berichtet, dass an den Wänden
Halbreliefs von sieben lebensgro-
ßen Heiligen stehen. Bei einem der
Heiligen könnte es sich um König
Lalibela handeln, der nach seinem
Tode heiliggesprochen wurde. In
einer vergitterten Nische befindet
sich das Relief einer Figur, zu des-
sen Füßen ein Engel kniet. Es sym-
bolisiert das Grab Christi.
Nachmittags war der Besuch der
Bete Gyorgis angesagt. Diese liegt
etwas isoliert imWesten der beiden
Kirchengruppen, sodass wir eine
Weile marschieren mussten, vorbei
an einem Friedhof mit Blick ins Tal
und auf zweistöckige Rundhütten.
Verborgen in einem tiefen Schacht
liegt die Georgs-Kirche. Sie hat die
Form eines griechischen Kreuzes
mit einer gleichmäßigen Ausdeh-
nung von zwölfeinhalb und einer
Höhe von zehneinhalb Metern. Die
Dekoration des Daches wiederholt
dreimal das griechische Kreuz. Auf
einem dreistufigen Sockel erhebt
sich der Bau, dessen Fassade
in drei Abschnitte geteilt ist: Ein
Untergeschoss mit blinden ‚axu-
mitischen‘ Fenstern, ein Zwischen-
geschoss und ein Obergeschoss
mit ‚maurischen‘ Fenstern. Durch
einen gewundenen Gang kommt
man hinunter in den Hof dieser Kir-
che. Auf der rechten Seite des Ein-
gangstunnels gibt es einen großen
Raummit einemMittelpfeiler, ‚Haus
der Armen‘ genannt. Zwischen
der Nord- und Südkirchengruppe
liegt das trockene Flussbett des
‚Jordans‘.
Am frühen nächsten Morgen führte
eine mehrstündige Wanderung zu
Fuß bzw. teilweise auf dem Rücken
Fangfrisch zum Verzehr
Trennung der Spreu vom Getreide
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CellitinnenForum 3/2017
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