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Technischer Artikel
November 2015
55
www.read-eurowire.comBrandrisiko- und
Sicherheitsphilosophie in
der Indoor-Verkabelung
Von Jörg Bör
Übersicht
Das Brandverhalten der Kabel ist ein
sehr wichtiges Thema, besonders bei der
Indoor-Verkabelung. Erstens dürfen sich
Kabel im Falle eines Störeinflusses nicht
selbst entzünden. Dabei ist zu bemerken,
dass in den meisten Fällen Kabel
verschiedene Räume oder Einrichtungen
miteinander verbinden. Demzufolge ist
zweitens die Brandausbreitung nicht
weniger wichtig als die Selbstentzündung.
Drittens werden Feuerwiderstandsklassen
für sicherheitsrelevante Anwendungen
bestimmt. IEC 60331 spezifiziert einen
Zeitraum, in dem die vorgesehene
Leistung einzuhalten ist, während eine
permanente Flamme das Kabel verbrennt.
Obwohl dies allgemein bekannt ist,
fragen
sich
oft
Fachleute
warum
Brandleistungsanforderungen in einigen
Bereichen als zu gering erscheinen.
Das
Verständnis
der
spezifischen
Brandschutzphilosophie
sorgt
jedoch
dafür, die unterschiedlichen Ansätze
zu erkennen, um die Brandsicherheit in
verschiedenen Ländern zu gewährleisten.
Jedes Risiko wird als Produkt von zwei
Faktoren bezeichnet: der eine ist die
Möglichkeit eines Unfalls und der andere
ist das Schadensausmaß. Das Risiko ist
quantifiziert durch die Multiplikation
dieser Faktoren. Das gleiche gilt für das
Brandrisiko.
In einigen Ländern fokussiert sich die
Brandschutzphilosophie
ausschließlich
auf die Vermeidung möglicher Brände.
Das Ziel ist somit die Brandmöglichkeit
auf nahe Null zu reduzieren. In anderen
Bereichen werden beide Risikofaktoren
berücksichtigt. Daher sind hier die
Brenneigenschaften viel wichtiger. Wenn
ein Feuer erscheint, sollten die negativen
Auswirkungen auf die Gesundheit der
Menschen oder auf die technischen
Gütern so gering wie möglich sein. Dies
umfasst die Aspekte des ätzenden Qualms
- der sich durch die Reaktion mit Wasser
in Säuren verwandeln könnte - und die
Reduzierung der Rauchdichte - die im
Brandfall zu einer schlechten Sicht führen
und für Menschen bei der Suche nach den
Notausgängen verwirrend wirken könnte.
Deswegen sind die Kriterien „halogenfrei“
und
„raucharm“
in
Europa
viel
wichtiger als, zum Beispiel, in Amerika.
Halogene werden insbesondere zur
Brandvermeidung
verwendet,
weil
diese
Elemente
selbstverlöschende
Wirkungen aufweisen. Die hochreaktiven
Elemente der 7. Hauptgruppe sammeln
Sauerstoff und tragen dazu bei, einen
Brand zu stoppen. Die Verbindungen
der Halogene mit Sauerstoff sind jedoch
Säurereste, die mit dem allgegenwärtigen
Wasser reagieren und sich in eine Säure
verwandeln. Dieser korrosive Rauch stellt
eine Gefahr für die Gesundheit dar und
könnte darüber hinaus technische Güter
beschädigen.
Dieser Beitrag diskutiert die verschiedenen
Ansätze des Brandschutzes, der Gefahren
und der Vorteile.
1 Einleitung
Amerikanische
Experten
fragen
oft,
warum europäische Länder schwache
Brandschutzvorschriften
haben.
Andererseits fragen sich Europäer, warum
sich Amerikaner nicht der enormen Gefahr
des durch Halogenrauch verursachten
sauren Rauches bewusst sind. Dieser
Unterschied wird oft zwischen Experten in
Normungskomitees sowie mit Kunden in
Kabelverkaufspräsentationen diskutiert.
Die europäischen Brandschutzvorschriften,
wie zum Beispiel die „Bauproduktenverordn-
ung“ (CPR)
[6]
könnten verwirrend sein.
Warum
schützen
die
europäischen
Regierungen ihre Einwohner nicht besser
gegen Brandrisiko? Ein Blick auf die
amerikanische
Brandschutzvorschriften
ist nicht weniger verwirrend: Warum
schützen die amerikanischen Regierungen
ihre Menschen nicht gegen das Risiko von
Säuredämpfe?
Gesetze und Vorschriften werden in
einer demokratischen Welt nicht den
Menschen gegeben, stattdessen werden
sie von den Menschen gemacht. Gesetze
und Vorschriften sind ein Ergebnis der
allgemeinen öffentlichen Meinung und
Mentalität. In einem Business-Markt
sollten nicht nur Normen und Vorschriften
verlangt werden, sondern auch die
zugrunde liegende Idee. Weder Zoll noch
andere
Handelsbarrieren
verhindern
den Verkauf amerikanischer Produkte in
Europa und umgekehrt - was aber bei
einer fehlenden Annahme dieser Produkte
durch den Endverbraucher der Fall ist.
2 Interkulturelle
Unterschiede
Der erste Schritt der Erkenntnis des
interkulturellen Verständnisses ist die
Erfahrung, dass es Unterschiede gibt. Der
zweite Schritt liegt darin zu erkennen,
dass diese Unterschiede nicht als besser
oder schlechter gewertet werden können,
sondern dass sie sich nur voneinander
unterscheiden.
Die
Gründe
für
interkulturelle
Unterschiede können nicht in diesem
Artikel untersucht werden. Interkulturelle
Unterschiede werden oft durch die
historische Erfahrung oder durch den
Einfluss
der
geographischen
Lage
bestimmt.
Vertiefende
Erläuterungen
werden in der einschlägigen Literatur
angeboten.
Man könnte denken, dies wäre zwar ein
Problem für typische Verbrauchermärkte
(B2C), aber nicht für Industriegütermärkte
(B2B). Man sollte sich bewusst sein,
dass die Manager im B2B-Markt oft
Frauen oder Männer sind, die in diesem
speziellem Gebiet geboren sind und
dort leben. Darüber hinaus haben sie
die Anforderungen ihrer Absatzmärkte
zu berücksichtigen, die sich in der Regel
im gleichen Gebiet befinden. Hofstede
[1]
nennt dies„kulturelle Relativität“.