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sie zurückgebracht werden sollen,

springen mehrere von ihnen ins

Wasser und versuchen verzwei-

felt, die Sea-Watch 3 zu erreichen.

Die Küstenwache unternimmt kei-

ne Versuche, Menschen aus dem

Wasser oder dem Schlauchboot zu

bergen und genehmigt uns nach

einigen intensiven Wortwechseln

über Funk, alle 95 Personen aufzu-

nehmen. Die Erleichterung ist groß.

An Bord machen wir uns an die

medizinische Erstversorgung. Fast

alle Flüchtlinge sind dehydriert. Ei-

nige haben Verbrennungen erlitten,

meist Frauen und Kinder, die in der

Mitte der Schlauchboote sitzen, wo

sich Motoröl, Exkremente und Salz-

wasser zu einer hautverätzenden

Mischung verbinden. Einige Frauen

sind schwanger – unter welchen

Umständen sie es wurden, können

wir nur ahnen. Daneben versorgen

Pflegende und Ärzte diverse Miss-

handlungen: Frakturen, Schuss-

wunden oder Peitschenhiebe. Viele

Menschen haben schon zahlreiche

Überfahrtsversuche hinter sich:

„Wir ertrinken lieber im Meer, als

noch länger in Libyen zu bleiben.“

Die meisten sind jung, die jüngsten

nicht älter als 13. Sie möchten in

Europa eine Ausbildung machen,

arbeiten und ein Leben in Freiheit

und Sicherheit führen. Sie kommen

aus Eritrea, Ländern der Subsaha-

ra, einige aus Syrien und Libyen

selbst. Als sicheren Hafen weist uns

die Leitstelle Messina im Norden

Siziliens zu. Wir machen uns auf

den Weg.

24.04.2018

In den Morgenstunden erreichen

wir unser Ziel, wo ein Amtsarzt

und Mitarbeiter des europäischen

Flüchtlingshilfswerks unsere Gäste

in Empfang nehmen. Wir nehmen

Abschied und hoffen, dass den

Menschen in Europa ein besseres

Leben beschieden ist.

24.04. bis 04.05.2018

Die nächsten Tage verlaufen ohne

Einsätze, fordern den neuen und

alten Seefahrern allerdings aufgrund

des zunehmend schlechten Wetters

einiges ab. Mit Flüchtlingsbooten ist

bei diesem See-

gang eigentlich

nicht zu rechnen,

doch sicher sind

wir uns da nicht.

04.05.2018

Wir werden Zeu-

ge einer weiteren

‚Rettung‘ durch die libysche Küsten-

wache. In internationalen Gewäs-

sern beobachten wir am Horizont,

wie ein Schlauchboot aufgegriffen

und die Geflüchteten Richtung Li-

byen zurückgebracht werden.

05.05.2018

Um 10:30 Uhr erreicht uns ein

Funkspruch der Seenotrettungs-

leitstelle: Schlauchboot gesichtet!

Wir erreichen das Boot mit 37 Per-

sonen, viele davon minderjährig. Wir

können problemlos alle Menschen

aufnehmen, der Jüngste ist gerade

einmal 14 Jahre alt. Später holt uns

die libysche Küstenwache ein, um-

kreist die Sea Watch 3 und das in

der Nähe befindliche Segelschiff der

spanischen Organisation ‚Pro Acti-

va‘. Für uns steht fest: Wir werden

niemanden übergeben. Nach eini-

ger Zeit lässt uns die Küstenwache

ziehen, und wir erhalten von Rom

die Anweisung, Pozzallo im Süden

Siziliens anzufahren.

07.05.2018

AmMorgen erreichen wir den Hafen

und können unsere Gäste wohl-

auf an Land übergeben, bevor wir

unsere Rückfahrt nach Malta und

von dort aus nach Deutschland an-

treten.

Merlin Kötz

Gesundheits- und Krankenpfleger

im St. Franziskus-Hospital, Köln

Hilfestellung bei der Rettung

In Sicherheit

Ein Foto zum Abschied

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CellitinnenForum 4/2018