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2 / 2016
Privatisierung wirklich effizienter und das Telefonieren günstiger als
heute? Flugtickets waren bei der Staatsairline auch teurer als heute
und in Sachen Service ist der Staat auch nicht zwingend Marktführer.
Der Anruf beim persönlichen Anlageberater oder Makler ist sicher-
lich deutlich einfacher und angenehmer als das Telefonat mit dem
Bauamt. Und ist wirklich ein ganz neues Produkt nötig? Es gibt Anla-
geprodukte wie zum Beispiel Fonds in jeder Preisklasse, aktiv oder
passiv gemanagt, mit jeder denkbaren Ausrichtung, in jeder Risiko-
klasse und mit jedem Investmentschwerpunkt. Wenn der Staat In-
vestitionen fördern will, dann könnte er dort Anreize zur Anlage
schaffen. Aber eine weitere Behörde aus dem Boden zu stampfen,
die dann mit Steuermitteln finanziert einfach nur einen weiteren
Investmentfonds aus dem Boden stampft und dafür zusätzliche
Kosten produziert, ist nicht zwingend der direkte Weg zum Erfolg.
Was ist die Lösung?
Die Lösung wäre, in den bestehenden Vorsorgesystemen, die Pro-
bleme anzugehen, die man anprangert:
•
Zu wenige Arbeitnehmer beteiligen sich an der betrieblichen
Altersvorsorge (bAV). Eine einfache und schnell umsetzbare
Lösung wäre, dass man alle Arbeitgeber verpflichtet, eine bAV
aktiv anzubieten. Für den Arbeitnehmer, der es nicht möchte,
könnte eine Opting-out-Option bestehen. Der Arbeitnehmer
müsste diese aber selbst und ausdrücklich ziehen. Idealerweise
hat der Arbeitnehmer ein Mitspracherecht, wie diese Lösung
aussieht und wer der Produktanbieter ist.
•
Die Kosten sind zu hoch: Dafür gibt es eine sehr schlichte Lö-
sung: Der Gesetzgeber könnte klare Kostenobergrenzen für
Produkte definieren, die staatliche Förderung in Anspruch
nehmen wollen. Diese sollten mit Augenmaß gewählt sein, so-
dass dort, wo Beratung Not tut, diese auch noch erbracht
werden kann, aber doch niedrig genug, dass die pauschale
Dauerkritik, prinzipiell alles sei zu teuer, endlich aufhört.
•
Geringverdiener sparen zu wenig: Eines der mit am längsten
diskutierten Probleme – mit einer ebenfalls sehr einfachen Lö-
sung: Die Verrechnung von Grundsicherung und privater oder
betrieblicher Rente muss abgeschafft werden. Das ist steuer-
systematisch kein simples Unterfangen. Aber nur weil etwas
schwierig ist, kann der Staat sich nicht aus der Verantwortung
ziehen. Vieles, was die Finanzbranche in den vergangenen
Jahren tun musste, war auch belastend, komplex und sehr auf-
wendig. Trotzdem hat sich die Branche ihrer Verantwortung ge-
stellt. Das darf man von einem Gesetzgeber auch erwarten.
•
Dem Vorwurf, dass Riester zu kompliziert sei, ließe sich mit einer
deutlichen Vereinfachung der Fördervoraussetzungen begegnen
(pauschaler und weniger individuell). Die Koppelung des Eigen-
beitrags an das Vorjahreseinkommen ist ebenso wenig hilfreich
wie die Ausgrenzung der Selbstständigen, die seltsame Unter-
scheidung von mittelbar und unmittelbar Förderberechtigten
und die unterschiedliche Förderung der Kinder nach Geburts-
jahr. Die Berufseinsteigerzulage ist ein ziemlich überflüssiges
Instrument, dessen Steuerungswirkung und deren Nutzen für
die Altersvorsorge des Azubis rätselhaft ist. Etwas weniger indi-
viduelle „Förder-Zielgenauigkeit“ und dafür eine radikale Ver-
einfachung hilft allen Beteiligten und reduziert Kosten.
•
Die Vorsorge rentiert sich nicht. Ein einfaches Rezept wäre die
Abschaffung der Garantiepflicht in nahezu allen geförderten Pro-
dukten. Wer will es einem Volk verdenken, Aktienmuffel zu sein,
wenn der Staat an jeder Ecke signalisiert: Ohne Garantie gibt
es keine Förderung. Das Signal ist tödlich und gerade in Zeiten
ohne Zinsen tödlich für eine effiziente Vorsorge. Glücklicherweise
wird dieses Argument allmählich in der Debatte aufgegriffen.
Das ist aber insgesamt zu komplex und lässt sich kaum ohne große
Probleme auf Wahlkampfsticker drucken. Deshalb werden auch in
den kommenden Monaten Sätze wie „Riester ist gescheitert“ und
„Rente muss vom Staat kommen“ vorherrschen. Doch man kann
es auch positiv sehen. Es ist gut, dass das Thema Rente diskutiert
und der Reformbedarf von allen Seiten bejaht wird. Allerdings wird
mitten im Wahlkampf vieles passieren, nur eines nicht – die gro-
ße, fundierte und langfristig tragfähige Rentenreform. Das erfor-
dert Ruhe, Zeit und viel Arbeit: nach der Wahl.
Zur Person
FRANK BREITING
Der Leiter des Bereichs Vertrieb Private A
Deutschen AWM (seit 2006) ist seit 2007 auch Vorstands-
vorsitzender der zur Gruppe gehörenden DB Vita. Insbeson-
dere die Vermarktung der DWS Premium Altersvorsorgepro-
dukte liegt in seiner Verantwortung. Weiterhin verantwortet
er den Retailvertrieb von Asset-Management-Lösungen an
Versicherer in Deutschland. Nach seinem BWL-Studium in
Frankreich und Deutschland und anschließender dreijähri-
ger Vertriebstätigkeit hat Frank Breiting 1995 den Markt-
eintritt der Standard Life in den Maklermarkt vorbereitet
und bis 2000 gestaltet. Danach hat er für Towers Perrin –
Tillinghast (heute Towers Watson) fünf Jahre lang Finanz-
dienstleister in strategischen und vertrieblichen Fragen bera-
ten und zahlreiche Produktentwicklungs- und Markteintritts-
projekte geleitet. Zahlreiche Studien, Fachvorträge und
Publikationen rund um das Thema Altersvorsorge und Fi-
nanzvertrieb belegen seine Expertise.
ltersvorsorge der