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3 / 2016

Artikel: Rolf Krahe, Leiter Investment Research der BCA AG

Brexit, Dexit, Fixit, Grexit, Swexit, … ?!

Wer hätte gedacht, dass … ? „Nur Wenige!“, lautet die Antwort.

Unverhofft kommt oft – im Schlechten, wie im Guten. Fukushima,

die deutsche Wiedervereinigung, 9/11, der hohe Verschuldungs-

grad in Südeuropa, eine Baufinanzierung für rund 1 % Zinsen, der

Liter Diesel für weniger als 1 Euro – und natürlich die Volksabstim-

mung in England. Was kommt als Nächstes? Viele Unsicherheiten

prägen aktuell die Geldanlage-Landschaft. Nur eines ist sicher:

Die aktuelle 10-jährige Staatsanleihe der Bundesrepublik Deutsch-

land hat keinen Kupon. Der Zins ist Null. Im Sommer 2016 leiht

sich Deutschland 5 Milliarden Euro für 10 Jahre kostenlos.

Der Sommerurlaub kann beginnen. Die Urlaubssaison ist da. Viele,

die mit dem Auto in Urlaub fahren, nutzen ein Navigationssystem.

Start und Ziel sind bekannt, das Navi schlägt eine optimale Stre-

cke vor. Doch wissen wir, was als Nächstes kommt? Ein Unfall an-

derer Verkehrsteilnehmer irgendwo in der Ferne, aber auf unserer

optimalen Route? Ein Pannenfahrzeug? Ein heftiges Unwetter?

Ein überfluteter Tunnel? Viele Faktoren sind ungewiss. Daher sollten

wir uns also mit genügend Vorlauf fragen:

„Was kann als Nächstes kommen?“

Was ist bei Ungewissheit das Wichtigste? Die Flexibilität! Übertra-

gen auf die Autofahrt in den Urlaub bedeutet es: sich Alternativen

offenhalten. Und sich vorab mit diesen Alternativen befassen und

„aufschlauen“. Das gilt auch für den Beifahrer. Zusätzlich zum Navi

einen Atlas zur Orientierung dabei haben, um ggf. schnell auf Al-

ternativen zurückgreifen zu können. Wer sich mit dem Verkehr

auskennt, weiß, wie sich Dinge in der Vergangenheit entwickelt

haben. Dann hat man ein Gespür dafür, wie sie sich in der akuten

Situation weiterentwickeln könnten. Das Navi hingegen informiert

nur mit Zeitverzögerung über den Ist-Zustand, aus der Historie ge-

lernt hat es nicht. Zielführend ist also: eine gute Vorbereitung, die

planvolle Berücksichtigung von mehreren Alternativen. Dazu zählt

auch die Überzeugung, diese Flexibilität konsequent zu nutzen.

Das gilt auch für das Thema Brexit. Während die Engländer aus

der EU aussteigen, berichten Medien, dass die Deutschen beim

Thema „Festgeld“ wieder einsteigen. Auch das Horten von Bank-

noten habe zugenommen. Das „Weitersparen“ der Deutschen be-

ruht darauf, dass diese Anlageformen die Deutschen beruhigen, sie

einen „psychologisch disziplinierenden Effekt“ bewirken. Die Tages-

zeitung „Die Welt“ zitierte dazu jüngst eine entsprechende Forsa-

Umfrage im Auftrag einer Bank. Die Deutschen würden mit einem

Festgeld im Vergleich zu „früher“ zwar nichts verdienen, man verlie-

re aber auch nichts. Und schließlich hätten der Brexit und die ande-

ren Unwägbarkeiten keine negativen Effekte auf diese Anlagearten.

Bleiben wir bei der Frage von oben: „Was kann als Nächstes

kommen?“

Bereits offensichtlich ist eine Inflation bei den „Asset-Preisen“. Ver-

schiedene Anlagealternativen (Assets) steigen im Wert: Immobilien,

Edelmetalle, nicht wenige Preise von Aktien gut aufgestellter Unter-

nehmen. Selbst einige festverzinsliche Wertpapiere steigen jetzt noch

im Kurs. Schließlich kauft die Bundesbank mittlerweile Unterneh-

mensanleihen. Sie reduziert über die durch die Käufe ausgelösten

Kurssteigerungen das Renditeniveau. Einige Anleger kaufen Festver-

zinsliche mit negativen Renditen auf Endfälligkeit in der Hoffnung, sie

später mit Kursgewinnen wieder veräußern zu können. Schließlich ist

die Negativrendite nur klein und gut kalkulierbar. So rentieren die

frisch herausgegebenen 10-jährige Anleihen der Bundesrepublik

Deutschland negativ auf Endfälligkeit. Auch diversen anderen Anlage-

alternativen werdenWertsteigerungen nachgesagt, die sich aber nicht

– wie bei Aktien, Festverzinslichen und Edelmetallen – über hochliqui-

de Märkte mit täglicher Preisfeststellung nachvollziehen lassen.

©Sergey Nivens – Fotolia.com

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