Hätte man noch vor etwa 20 Jahren
eine Ausstellung zur Geschichte
des Nutzgartens gezeigt, wie es
der Landschaftsverband Rheinland
zurzeit im Industriemuseum Engels-
kirchen macht, dann wäre die Re-
sonanz wahrscheinlich sehr über-
schaubar gewesen. Heute in Zeiten
des ‚Urban Gardening‘, übersetzt
des ‚Gärtnerns in der Stadt‘, sieht
das schon etwas anders aus. Was
für die Großelterngeneration – ganz
sicher auf dem Land, aber auch in
den ‚Schrebergärten‘ am Rande
der Stadt – noch eine Selbstver-
ständlichkeit war, ist, nach einer
längeren Ruhephase in den letz-
ten 20 bis 30 Jahren, jetzt wieder
‚chic‘ – das Gemüse, das im ei-
genen Garten, ja sogar auf dem
Balkon oder der Terrasse in Pflanz-
kübeln und Hochbeeten wächst
und gedeiht.
Die Motivation, in der Erde zu
wühlen und zarte Salat- oder
Kohlrabipflänzchen zu hegen und
zu pflegen, ist bei diesem Trend
aber eine völlig andere. Brauch-
ten unsere Großeltern noch einen
Garten, um über das Jahr frisches
Obst und Gemüse zur Verfügung
zu haben oder für den Winter die
guten ‚Weck-Gläser‘ mit Mirabel-
len, Stachelbeeren, Bohnen und
Erbsen zu füllen, können wir heute
in den Supermärkten aus dem Vol-
len schöpfen: Für das Weihnachts-
menü gibt es Frühkartoffeln aus
Ägypten, zarte Brechbohnen aus
Kenia oder Indien und schließlich
Erdbeeren aus spanischen Treib-
häusern. Unter welchen Bedin-
gungen sie produziert und für den
langen Transport haltbar gemacht
und zu welchen Konditionen sie
per Schiff oder Lastwagen rund
um die Erde transportiert werden,
das spielt bei vielen Konsumenten
keine Rolle.
Heilen mit Kräutern
Hier macht sich nun, nicht nur bei
den über viele Jahre belächelten
‚Ökofreaks‘, ein Gesinnungswan-
del breit. Heimisches Obst und
Gemüse ist auf dem Vormarsch:
Erdbeeren gibt es dann, wenn
sie im eigenen Garten oder beim
Obstbauern um die Ecke geerntet
werden können. Pfefferminze oder
Zitronenmelisse aus dem Balkon-
kübel werden getrocknet und im
Winter bei Bauchschmerzen oder
allgemeiner Unruhe als Tee getrun-
ken. Was plötzlich boomt, hat aber
bei intensiverem Hinschauen eine
lange Tradition. Gerade die Anwen-
dung von Heilkräutern spielt imUm-
feld der Klöster eine bedeutende
Rolle. Bereits im Mittelalter sind in-
nerhalb vieler Klostermauern aus-
gedehnte Kräutergärten gepflegt
worden. Zusammen mit dem Wis-
sen, welches Kraut bei welchem
Leiden Linderung verschafft, waren
die Klöster Anlaufstelle für kranke
Menschen aus der unmittelbaren
Umgebung. Neben den Kräuter-
gärten gab es in den Klöstern auch
ausgedehnte Nutzgärten. Gerade
die Abgeschiedenheit kontem-
Der Klostergarten im Wandel
Vom Nutz- zum Ziergarten
Kloster-Kräutergarten auf der Reichenau
CellitinnenForum 2/2017
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