CellitinnenForum 1/2018
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gehörten Ladendiebstähle ebenso
wie Sexualdelikte und die Suche
nach vermissten Kindern.
Anfang der siebziger Jahre konnte
Bures dank weiterer Lehrgänge mit
guten Abschlüssen in den gehobe-
nen Dienst wechseln. Gleichzeitig
übernahm sie eine Stelle bei der
Kripo in Grevenbroich. Sie machte
ihr Fachabitur nach und besuchte
die Fachhochschule für Öffentliche
Verwaltung in Münster. Ihre Kern-
aufgabe blieb die Aufklärung von
Delikten an Minderjährigen, doch
zu besonderen Einsätzen wie bei
RAF-Großfahndungen oder bei
Demonstrationen in Kalkar gegen
den ‚Schnellen Brüter‘ war sie da-
bei.
Der Geist der 68er zog ab 1972
in eingeschränktem Maße auch
bei der Kripo ein: Die Dienststelle
‚Weibliche Kriminalpolizei‘ wurde
aufgelöst. Polizistinnen sind ihren
männlichen Kollegen seitdem
gleichgestellt: Sie erhalten eine
Dienstwaffe und tragen Uniform.
Neben der Überführung von Ge-
waltverbrechern befasste sich Bu-
res mit der Kontrolle nicht-jugend-
freier Räume in Videotheken, stellte
an der deutsch-niederländischen
Grenze geschmuggelte Pornohefte
sicher und überprüfte die Alters-
angaben fröhlich feiernder Jugend-
licher in Diskotheken. „Wenn ich
heute darüber nachdenke, muss
ich schmunzeln. Im Zeitalter des
Internets erscheinen solche Delik-
te und unsere Einsätze geradezu
harmlos.“ Heute, meint sie, ist die
Arbeit der Polizei härter geworden.
Sicherlich sei das Thema Gewalt
gegen Kinder zu allen Zeiten ein
emotional belastendes. „Zu unserer
Zeit mussten wir traumatische Fälle
noch mit uns selbst ausmachen
oder im Gespräch mit Kollegen.
Psychologischen Beistand gab es
für uns nicht“, erinnert sich Bures.
Doch habe die Polizei damals in
der Gesellschaft deutlich mehr An-
sehen und Respekt, in der Politik
mehr Rückhalt genossen. Ob sie
trotzdem heute wieder den Beruf
Kriminalhauptkommissarin wählen
würde? Auf jeden Fall, meint sie.
Vom Beruf zur Berufung
Mit Leuten ins Gespräch kommen,
sich in sein Gegenüber hineinver-
setzen und zuhören können, diese
Fertigkeiten bringt Bures aus ihrem
Beruf mit. Im Seniorenhaus St. An-
gela schafft sie es, selbst
in sich gekehrte Se-
nioren zum Erzählen
zu bewegen. Sie ver-
steht es, die richtigen
Fragen zu stellen und
geduldig auf Ant-
worten zu warten.
Bures begleitet das Programm
‚Fit für 100‘, betreut regelmä-
ßig einzelne Senioren, organisiert
Filmvorführungen, unterstützt bei
Ausflügen und geht auch mal im
Hausrestaurant zur Hand. Neben
ihrem Einsatz für die Seniorenhaus-
bewohner genießt sie die Zusam-
menarbeit mit den hauptamtlichen
Kollegen und die Gespräche mit
den Ordensfrauen. Besonders die
indischen Schwestern sind ihr ans
Herz gewachsen und sie unter-
nimmt abseits ihres Engagements
im Seniorenhaus Ausflüge und
Gottesdienstbesuche mit ihnen.
Überhaupt ist sie durch die Arbeit
in St. Angela und in Gesprächskrei-
sen mit den Ordenschristen dem
katholischen Glauben noch näher
gekommen.
Die Kriminalkommissarin a. D. or-
ganisiert gerne und arbeitet sehr
strukturiert. Ein Umstand, den die
Mitarbeiter sehr zu schätzen wis-
sen. Was sie in die Hand nimmt,
wird auch zu hundert Prozent um-
gesetzt. „Jeder Tag hier ist für mich
ein Gewinn“, schlussfolgert Renate
Bures am Ende unseres Gesprä-
ches. Auch wenn nicht jeder Tag ein
Glückstag ist. Der Tod einer von ihr
betreuten Bewohnerin hat sie sehr
getroffen. Doch die Glücksmomen-
te in St. Angela überwiegen eindeu-
tig. Für die jung gebliebene Pensio-
närin ist die ehrenamtliche Tätigkeit
keine Arbeit, sondern Vergnügen.
Ob sie sich vorstellen könne,
irgendwann einmal selbst
in die Einrichtung ein-
zuziehen?
„Aber selbst-
verständlich.“
Als junge
Kriminalhauptkommissarin
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