Der Querschnittsgelähmte Achmed
S. (Name von Redaktion geändert)
ist im Herbst 2016 als Flüchtling
von Syrien nach Deutschland ge-
kommen. In seiner Heimat wurde
der 51-Jährige zuvor Opfer eines
Senfgasanschlags. Das Gas ist na-
hezu geruchlos und die Wirkung tritt
erst stark verzögert ein, so auch bei
Achmed S.. Im Sommer 2016 litt er
bereits an einer Lungenentzündung,
die aber zunächst nicht mit einem
Giftgasanschlag in Verbindung ge-
bracht wurde. Im Dezember 2016
wird er schließlich mit starkemHus-
ten, Luftnot und Rückenschmerzen
ins Wuppertaler Petrus-Kranken-
haus eingeliefert. Seitdem muss er
sich in regelmäßigen Abständen in
der Klinik für Pneumologie, Aller-
gologie, Schlaf- und Intensivme-
dizin untersuchen und behandeln
lassen. Wir haben mit Chefarzt Dr.
Sven Stieglitz über die besondere
Herausforderung bei Opfern von
Senfgasangriffen gesprochen.
Herr Dr. Stieglitz, was ist an der
Geschichte von Achmed S. das
Besondere?
Senfgas-Intoxikationen werden
selbst in spezialisierten Abteilungen
wie der unseren sehr selten behan-
delt. Bei seiner Einlieferung wusste
der Patient noch nicht, dass er Op-
fer eines Giftgasanschlags war. Wir
haben ausgehend von den Symp-
tomen zunächst ein Röntgen- und
CT-Bild von seiner Lunge erstellt
und dachten aufgrund der Auf-
nahmen zunächst an Metastasen.
Mittels einer anschließenden video-
assistierten Thorakoskopie haben
unsere Thoraxchirurgen um Chef-
arzt Dr. Ulf Berger dann Gewebe
aus seiner Lunge entnommen. Die
Pathologen haben in demGewebe
auffällige ‚Einschlusskörperchen‘
festgestellt, die nach Rückspra-
che mit der Pathologie eines Bun-
deswehrkrankenhauses als Senf-
gas-Intoxikation erkannt wurden.
Durch die Inhalation des Gases ist
bei Achmed S. eine Entzündung
und Vernarbung der Luftwege in
der Lunge entstanden.
Was passiert mit der Lunge, wenn
man Senfgas einatmet?
Senfgas zählt vorrangig zu den
hautschädigenden Kampfmit-
teln, kann aber auch zu toxischen
Lungenödemen führen. Das Gas
schädigt Lunge und Atemwege im
schlimmsten Fall so stark, dass die
Patienten an den Folgen sterben.
Bereits nach einmaligem Einatmen
entwickeln sich häufig chronische
Lungenkrankheiten.
Wie konnten Sie und Ihr Team dem
Patienten helfen?
Da der Patient im Rollstuhl sitzt
und sich körperlich kaum belastet,
war die Luftnot zum Glück nicht
so stark ausgeprägt. Die vermeint-
liche Lungenentzündung, an der
der Patient bereits drei Monate
zuvor gelitten hatte, war vermut-
lich schon ein Symptom des Senf-
gas-Inhalationstraumas. Wir haben
ihn zunächst sechs Monate lang
mit Kortison behandelt. Er kommt
jetzt in regelmäßigen Abständen
zu Kontrolluntersuchungen zu
uns.
Wie geht es Achmed S. heute?
Es geht ihm zum Glück wieder
gut. Die Krankheitssymptome ent-
wickeln sich vollständig zurück,
sodass Achmed S. als geheilt gilt.
Das CT der Lunge hat sich komplett
normalisiert. Bei einem seiner letz-
ten Termine sagte er uns, dass er
sich wünscht, eines Tages wieder
in seine Heimat zurückkehren zu
können.
Senfgasangriff in Syrien
Achmed S. fand Hilfe im Wuppertaler Petrus-Krankenhaus
Achmed S. m chte nicht erkannt werden
CellitinnenForum 1/2018
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